No Sympathy for the Devil

Marco Carini erzählt das Leben von Fritz Teufel. von christiane müller-lobeck

Die Psychologie scheint umso attraktiver, je größer die politische Ratlosigkeit wird. Die Geschichte der Apo und der militanten Linken in der BRD ist jedenfalls inzwischen eingesargt in eine größere Zahl von Mono- und Autobiografien, die weniger die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Hintergründe oder Begleitumstände der Bewegungen in den Blick nehmen, als die individuellen Motive ihrer Akteure. Zuletzt ging Thorwald Proll seinem Interviewer Daniel Dubbe auf den Leim, der ihn wieder und wieder drängte, sich über den Geisteszustand und das Gruppenverhalten von Andreas Baader zu äußern, mit dem Proll lange befreundet war und 1968 wegen Kaufhausbrandstiftung vor Gericht stand (Jungle World, 41/03).

Eine von Psychologie völlig freie Biografie hat jetzt der Hamburger Journalist Marco Carini geschrieben. Das Ziel seines gerade im Konkret Literatur Verlag erschienenen Buchs »Fritz Teufel – Wenn’s der Wahrheitsfindung dient« ist es, »anhand von Fritz Teufels Lebensweg auch ein Stück deutscher Zeitgeschichte und Geschichte des linken Widerstands aus einem anderen Blickwinkel heraus zu erzählen, als dies bislang geschehen ist«. Die einzige Auslassung zur individuellen Verfasstheit Teufels stammt bezeichnenderweise aus Inge Vietts Autobiografie »Nie war ich furchtloser«: »Fritz hat eine tiefe innere Zuverlässigkeit, und gleich hinter seiner Lust an unkonventionellen Formen steht eine zähe, aber freie Disziplin. Das ist Moral.« Man wendet sich mit Grausen ab.

Doch warum überhaupt Fritz Teufel? Wie kein anderer hat er seine Überzeugungen, manchmal bis zur Unkenntlichkeit in Klamauk gekleidet, häufig revidiert und zuletzt sein Dasein als Fahrradkurier verteidigt wie andere nur die Kreuzzüge. Wo sich Teufel in den letzten Jahren öffentlich geäußert hat, etwa bei der Verleihung des Wolfgang-Neuss-Preises für Zivilcourage 2001, den ein paar alte Freunde und Gönner eigens für ihn ins Leben gerufen haben, machte er den Eindruck eines zerrütteten Menschen. Eine Einschätzung der linken Kämpfe zwischen Mitte der sechziger und Anfang der achtziger Jahre ist von ihm jedenfalls nicht mehr zu erwarten. Und seit er sich 1997 vom Spiegel falsch zitiert fühlte, verweigert der ehemalige 68er-Medienliebling jedes Gespräch mit Journalisten. Da hat er auch bei Marco Carini keine Ausnahme gemacht. Dessen Sammlung von kurzen Kapiteln über die Stationen in Teufels Leben hält sich daher an Äußerungen von Familienmitgliedern, das, was ehemalige Kombattanten hinter vorgehaltener Hand geäußert haben, Buchveröffentlichungen und Zeitungsinterviews der letzten 35 Jahre.

Aber warum nicht. Teufel, der mit Dieter Kunzelmann zu den Gründern der Kommune 1 zählte, war lange Jahre das exponierteste Mitglied der Spaßfraktion der Bewegung. Die erste, bis heute wenig bekannte Aktion, an der Teufel lautstark mitwirkte, war die lustvolle Verwüstung des Astor-Filmtheaters am Kurfürstendamm anlässlich einer Vorführung des rassistischen Films »Africa Addio« im August 1966. Neben zahlreichen Happenings brachte wenige Monate später ein vereiteltes Puddingattentat auf den US-amerikanischen Vizepräsidenten Hubert Horatio Humphrey den Kommunarden ein riesiges Medienecho und große Begeisterung auf Seiten der Bewegung ein. So richtig berühmt machten Teufel aber erst die Prozesse, mit denen er im Laufe der folgenden Jahre überzogen wurde und die er mit viel Humor zur Bühne für ein politisches Theater machte, das die Justizbehörden der Lächerlichkeit preisgab. Eine Strategie, die er noch verfolgte, als er Ende der siebziger Jahre zusammen mit Ralf Reinders, Ronald Fritsch, Till Meyer, Andreas Vogel und Gerald Klöppner beschuldigt wurde, die Lorenz-Entführung durchgeführt zu haben.

Es hätte interessant sein können, an Teufels Leben die Erfolge und Misserfolge der Spaßguerilla zu diskutieren, die immerhin bis heute die linke Szene beeinflusst. Carini hat das allerdings versäumt. Sein 250 Seiten starkes Buch zu den Etappen Teufels – Familie, Studium und Universitätsbesetzungen, Kommune 1, unzählige Joints und Schülerinnen, Puddingattentat, erste Knastererfahrungen, Tupamaros München, militante Aktionen, erneute Inhaftierung, Hungerstreiks und schließlich seine Freilassung 1980 – ist durchweg in neutralistischem Ton gehalten, »mit gebotenem Abstand«, wie Carini sein Vorgehen schon im Vorwort beschreibt, durchbrochen einzig durch ein paar süffisante Sätze. Aber das verwechseln ja viele heute mit Humor, den im Gegensatz zur Süffisanz allerdings ein Erkenntnisinteresse umtreibt.

Marco Carini: Fritz Teufel – Wenn’s der Wahrheitsfindung dient. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2003, 248 S., 16,50 Euro