LeserInnenworld

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Jungle World 46/03: »Wir werden täglich radikaler«

Der DGB fördert die Verelendung

Die »Radikalität« eines prototypischen Vertreters der DGB-Arbeitslosenbewegung will es »mal richtig rappeln lassen im Karton«. So kann nur einer reden, der sein Büro im Keller eines DGB-Hauses hat, wo Radikalität mit Ungezogenheit verwechselt wird und Anstand ein Codewort für Obrigkeitstreue ist. Radikale Kritik ist da nicht zu hören, die Institution Arbeitsamt mit ihrer Weiterbildungs- und Maßnahmenperipherie ist geschütztes Geschäftsfeld des DGB und daher immer sakrosankt geblieben. Der DGB hat so viele Jahre lang unbehelligt daran mitgearbeitet, die Verelendung der Arbeitslosen voranzutreiben: Ohne den entnervenden Terror so genannter Weiterbildungen, Trainingsmaßnahmen, ABM usw. wäre es unmöglich gewesen, unzählige Arbeitslose zu versicherungstechnischem Fehlverhalten zu provozieren, was den Vorwand für Leistungsstreichungen – also Verelendung und Disziplinierung – lieferte. Hartz und Agenda 2010 sind nichts weiter als die nun gesetzliche Festschreibung einer bisher verdeckten Verelendungspraxis, die von DGB-Aktivisten nie mit Nachdruck attackiert worden ist. Doch wo Hartz und Agenda 2010 nun auch das DGB-Geschäftsfeld Weiterbildung und Maßnahmen beschneiden, werden die Kellerbewohner »täglich radikaler«. Eben weil Arbeitslose durchaus politisch sind, folgen sie dem DGB-Aktivisten Angelbeck nicht. Sie haben verstanden – schon lange!

werner braeuner, meppen

Jungle World 46/03: »Alles fürs Ganze«

Alles Schafe

Endlich wird mal Kritik an der Mehrheit der deutschen Linken geübt, einschließlich derjenigen, die sich mit marxistisch-leninistischen Versatzstücken schmücken, ohne die Lehren der marxistischen Klassiker wirklich begriffen zu haben. Jene linke Politik, die das Hauptproblem des Kapitalismus in einer ungerechten Verteilung des Volksvermögens sah und keinerlei grundlegende Kritik an der entfremdeten Lohnarbeit unter kapitalistischer Arbeitsteilung übte. Die deutsche Linke unterscheidet sich im Grunde nicht wesentlich von den traditionellen deutschen Massen. Es ist nach wie vor eine typisch deutsche Eigenschaft, die gewählte Regierung mit dem Staat, der wir angeblich alle sind, zu identifizieren.

horst menke, berlin

Veranstaltung »Work Hard – Die Young«

Alles Rinder

Es sei die Bemerkung erlaubt, dass die Linken heute angesichts der sozialen Frage letztlich nicht Neues diskutieren und sich die gleichen Parolen um die Ohren hauen wie ihre historischen Vorgänger: 1932 richtete Walter Benjamin eine scharfe Kritik u. a. an Tucholsky: »Die linksradikalen Publizisten sind die proletarische Mimikry des zerfallenen Bürgertums. (…) Dieser linke Radikalismus ist genau diejenige Haltung, der überhaupt keine politische Aktion mehr entspricht. Er steht links vom Möglichen überhaupt. Denn er hat ja von vornherein nicht anderes im Auge, als in negativistischer Ruhe sich selbst zu genießen, (…) der Fatalismus derer, die dem Produktionsprozess am fernsten stehen.«

michael wißmiller, leipzig