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Hamburger Dokumente

Abschiebung. Wenn es um die Abschiebung von Flüchtlingen geht, zeigt sich Hamburg erfinderisch. Da werden schon mal jugendliche Flüchtlinge älter gemacht als sie sind, damit man sie schneller loswird. (Jungle World, 15/02) Über den neuesten Trick berichtete am vergangenen Samstag die Zeitung Neues Deutschland.

Demnach versucht die Ausländerbehörde der Stadt Flüchtlinge, die weder über Pässe noch über Ersatzpapiere einer Botschaft verfügen, mit einem Formular abzuschieben, das nur für eine »einmalige Reise« gültig ist. Hast du keinen Pass, stellt Hamburg ihn dir aus, lautet das Motto. Der Rechtsanwalt Mark Nerlinger bezweifelt, dass es sich dabei um ein »rechtsgültiges Reisedokument« handele. Dazu werde es erst nach einer Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik und dem betreffenden Staat, sagte er dem ND. Dem Anwalt zufolge seien solche »Reisedokumente« für die Staaten Benin, Burundi und Sudan ausgestellt worden, obwohl unklar sei, ob die Flüchtlinge aus diesen Ländern stammten. In einem Fall sei der Sudan als Zielland eingetragen worden, obwohl die sudanesische Botschaft ausdrücklich erklärt habe, dass der Flüchtling nicht von dort stamme. Auch ohne den früheren Innensenator Ronald Schill gilt in Hamburg offenbar: Abschieben, egal wie, egal wohin.

Hotel Hessen

Gebühren für Polizeieinsatz. Einmal Wegtragen macht 30 Euro, der Transport zum Gewahrsam 31 Euro, die Unterbringung in einer kalten, gekachelten, überbelegten Zelle 20 Euro.

1 300 FriedensaktivistInnen, die während des Krieges gegen den Irak im März dieses Jahres die US-Airbase Rhein-Main blockiert hatten, bekamen in der vergangenen Woche die entsprechenden Rechnungen zugesandt. Das Land Hessen verspricht sich Einnahmen von mehreren tausend Euro. Schließlich ist man knapp bei Kasse, und die früher verschickten Bußgeldbescheide über 118,50 Euro hatten die gewünschte Wirkung verfehlt. Nachdem ein Betroffener Einspruch gegen seinen Bescheid eingelegt hatte, waren alle Verfahren eingestellt worden.

Frei in Magdeburg

129 a-Verfahren. Auch wenn der November nicht die attraktivste Zeit für Frischluftvergnügen ist, werden Marco H., Daniel W. und Carsten S. sich schon etwas Nettes einfallen lassen, um die wieder erlangte Freiheit zu feiern. Nach knapp einem bzw. einem halben Jahr in Untersuchungshaft sind die wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagten Magdeburger auf freien Fuß gesetzt worden.

In der Begründung für den Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg heißt es: »Nach Ausschöpfung der in der Hauptverhandlung zur Verfügung stehenden Beweismittel ist eine Verurteilung des Angeklagten nicht wahrscheinlich.« Das Gericht rechnet damit, dass »der Strafaufhebungsgrund des Paragrafen 129a Abs. 5 i. V. m. Paragraf 129 Abs. 6, 2. Halbsatz StGB vorliegt«. Danach darf niemand wegen der Mitgliedschaft in einer bereits aufgelösten terroristischen Vereinigung angeklagt werden. Die Auflösungserklärung des »kommando: freilassung aller politischen gefangenen« war in der Wohnung eines der Angeklagten beschlagnahmt worden.

Die Gerichtsentscheidung könnte sich auf die Ermittlungen gegen Personen auswirken, die wegen angeblicher Mitgliedschaft in der längst aufgelösten RAF gesucht werden (Jungle World, 48/02).

Ehrenhaftes Comeback

Rudolf Seiters. Zehn Jahre nachdem Rudolf Seiters als Bundesinnenminister seinen Hut nehmen musste, kommt er endlich zu neuen Ehren. Seit vorigem Freitag ist der Christdemokrat Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und steht 4,6 Millionen Mitgliedern, 95 000 Angestellten und knapp 250 000 ehrenamtlichen Helfern vor. Auch das Amt des Präsidenten ist ein Ehrenamt, und das Ehrenamt als solches will der 66jährige nach eigenen Angaben künftig stärken.

Seinen Rücktritt als Innenminister nach dem Skandal um den Tod des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams in Bad Kleinen nennt die Süddeutsche Zeitung noch heute einen ehrenhaften. Auch die Parteikollegen bezeichneten es seinerzeit als »ehrenhaft«, dass Seiters seiner Familie Diskussionen um seine Person habe ersparen wollen. In seiner Rücktrittserklärung hatte er zwar »offensichliche Fehler und Koordinationsmängel« zugegeben, jedoch gesagt, er selbst habe keine falschen Entscheidungen getroffen.

Kritiker sind der Meinung, damals seien rechtliche Prinzipien grundlegend verletzt worden. Beispielsweise hatte Seiters während der Ermittlungen öffentlich einer Zeugin widersprochen, die angab, gesehen zu haben, wie Beamte der GSG 9 auf den am Boden liegenden Grams schossen.

Fein raus

Prozess. Mit dem Freispruch für zwei Polizisten endete am vergangenen Freitag der Prozess um die Misshandlung des Kreuzbergers Levent Ö. Der 44jährige wurde im Mai des Jahres 2000 von den Polizeibeamten Maik A. und Bernd O. lebensgefährlich verletzt. Levent Ö. stand gleichzeitig als Nebenkläger und als Angeklagter – wegen angeblicher Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte – vor Gericht (Jungle World, 45/03). Die Verknüpfung der Anklage gegen die Beamten mit der Anklage ihres Opfers hat unter Juristen Empörung hervorgerufen.

Der zuständige Vorsitzende Richter der 72. kleinen Strafkammer, Le Viseur, begründete den Freispruch für die Polizisten damit, dass ihre Schuld nicht nachweisbar sei. Zuvor hatten mehrere Zeugen bestätigt, dass Levent Ö. von Maik A. und Bernd O. geschlagen und getreten wurde, auch als er bereits schwer blutete und Handschellen trug. Zu einem aus der Türkei stammenden Zeugen sagte Le Viseur im Prozess: »Reden Sie nicht so blumig, das ist in Ihrem Kulturkreis vielleicht üblich, aber ich will Fakten.«

Erst am letzten Verhandlungstag teilte der Staatsanwalt mit, dass das Verfahren gegen Levent Ö. eingestellt werde.