Herrentag am Kamin

Heiß und Eis II

Wer in die Hübnerstraße in Friedrichshain eingebogen ist, muss bloß noch in der unattraktiven Häuserzeile nach einem Etablissement suchen, das auch als Vorstadtpuff durchgehen könnte, läge ein leuchtendes Herz im Schaufenster. Der Hinweis auf eine Sauna ist zumindest im Dunkeln schlecht zu erkennen.

Schon auf den wenigen Metern zwischen Eingangstür und Empfang streife ich notgedrungen Herren, die lediglich ihre Scham mit einem Handtuch bedeckt und eine Bierflasche in der Hand haben. Der Eintritt für zweieinhalb Stunden kostet 7,70 Euro, ermäßigt 6,70. Eine wirkliche Ermäßigung bekommen nur Glückspilze: Wer drei Sechser würfelt, darf umsonst rein.

Damen, die darauf Wert legen, wenigstens geschützt vor Männerblicken ihre Kleidung abzulegen oder nach den Saunagängen das rosig glänzende Näschen zu pudern, sei gleich von der Kaminsauna abgeraten. Der niedrige Gang im Keller dient als Umkleideraum für alle und erinnert mit seinen Schließfächern und schmalen Ablagen an eine Grundschulturnhalle. Lediglich ein großer Spiegel, vor dem ein junger Mann sein langes Haar fönt, und dezentes Vogelgezwitscher aus unsichtbaren Lautsprechern stören die Assoziation. Einen Damentag gibt es nicht. Herrentag ist offensichtlich jeden Tag, bloß sind Damen ebenfalls willkommen.

Der Saunen gibt es gleich drei auf zwei Etagen, eine attraktiver als die andere: eine große finnische und zwei kleinere mit unterschiedlichen Temperaturen, mehr oder weniger Luftfeuchtigkeit sowie farbigem Licht – abwechselnd gelb, rot, grün und blau, was ja der Entspannung ungemein zuträglich sein soll. Nur das immer gleiche Multikultigedudel enerviert auf die Dauer. Das römische Dampfbad, ein Viersitzer in der Größe einer Duschkabine, scheint nicht so beliebt zu sein, vermutlich wegen der klaustrophobischen Anfälle, die dort sogar hartgesottenen Saunagängern drohen.

Nicht versäumen sollte man natürlich den Aufguss in der finnischen Sauna, zu dem ein hübsches Uhrwerk im Kaminraum ruft. Der Aufgießer scheint sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Er trägt mitnichten eine ordentliche weiße Arbeitskleidung, sondern wie alle anderen Herren ein Handtuch um die Hüfte, dazu immerhin äußerst geschmackvolle Badelatschen, nämlich die gleichen wie ich. Die Unmengen an Wasser mit dem Aroma von Zitrusfrüchten, die er auf den Ofen schüttet, lassen den Schweiß aus allen Poren stürzen, der Kreislauf droht zu kollabieren. Jeder bekommt persönlich einen Schwall heiße Luft ins Gesicht gejagt. Aber was tut man nicht alles für die Gesundheit!

Frische Luft geschnappt wird in einem gewöhnlichen Berliner Hinterhof. Nicht alle Herren beachten den an der Tür angebrachten Hinweis, sich wenigstens notdürftig zu bedecken, um öffentliche Ärgernisse zu vermeiden.

Richtig gemütlich ist es am Kamin. Das Herzstück der Sauna verbreitet eine angenehme Wärme, die Herren sorgen dafür, dass das Feuer stets flackert. Korbsessel unter Holzbalken, Gemälde deutscher Wälder und kämpfender Hirsche laden zum Verweilen ein. Nicht nur der Alltag, auch der Saunastress ist hier schnell vergessen. Denn die Gänge sind schmal, die Wege weit in der Kaminsauna, und alles ist voller Herren, um die sich kein Bogen machen lässt.

elvira hieb