Home Story

Was ist nur mit diesen Menschen los? Zu dritt, zu viert, zu fünft sitzen sie um einen Computer herum und starren auf den Bildschirm. »Das ist es!« ruft einer. »Nein, niemals!« antwortet eine andere. »Das hat eine schöne Flucht, aber mit dem Thema nichts zu tun!« meint jemand. »Du hast doch keine Ahnung vom Bildlichen, du bist ein typischer Wortredakteur«, kriegt er als Antwort. Ein Dritter seufzt: »Ich hol mir erstmal Kaffee.«

Ein Bild wird gesucht, es ist Montag, 13 Uhr, nicht mehr viel Zeit. Die Jungle World in der Schlussproduktion. Alle Texte sind da und bearbeitet, die spannenden, die radikalen und die noch radikaleren. Das Frühstück ist aufgegessen, alle sehnen die After-Work-Party herbei, aber ein Titelbild fehlt noch. Einen Witz soll es haben, eine Wendung, eine Pointe. Es soll treffend sein, kritisch, zynisch, der Stein der Weisen, die Quadratur des Kreises. Nichts leichter als das.

»Das hier geht«, meint dann plötzlich der Layouter, »das ist der beste Vorschlag bisher.« Alle grummeln, keiner ist besonders zufrieden. Plötzlich ein lautes Gelächter! Bei dpa hat man ein Foto gefunden, das zum Totlachen ist, nur leider kann man es nicht drucken. Die Zeit drängt.

Und dann ist es plötzlich da. Wie aus dem Nichts ersteht es vor den Augen der fiebernden KollegInnen. Unter den unzähligen Fotos in den Tickern taucht es auf wie das Ungeheuer von Loch Ness, einer Marienerscheinung gleich, eine Apotheose. Die ersten Tränen, ja, ja, das ist es!

Jetzt fehlt nur noch eine Schlagzeile. Und die fällt manchmal schwerer als das Bild. Oder umgekehrt. Das Problem ist, dass sich die Qualität der Frontpage am Montag noch nicht endgültig beurteilen lässt. Erst am Mittwoch, wenn die neue Woche beginnt und die druckfrische Zeitung auf dem Konferenztisch liegt, ist die Freude groß – oder der Katzenjammer.

In der vorigen Woche war es die Verwunderung. Denn der Rest der Welt verstand die Ironie nicht, den »versteckten feinen Spott«, wie der Duden das nennt. Droht ein neues 68 oder eine neue Ernsthaftigkeit?