Hoffnung an den Rändern

Ost-Erweiterung von kerstin eschrich

Polen ist dabei, die Ukraine nicht. Mit dem polnischen EU-Beitritt am 1. Mai verschiebt sich die Grenze der EU weiter in den Osten. Seit mehreren Monaten werden dort die Grenzen nach Westen dicht gemacht. Früher waren wenigstens Kleinhandel und Besuche in Polen und Ungarn problemlos möglich. Die Schwierigkeiten begannen erst an der österreichischen oder deutschen Grenze. Nun sind den Ukrainern die direkten Verbindungen abgeschnitten.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung dafür plädiert, der EU beizutreten. Der Wunsch der Menschen nach einem sorgenfreieren Leben, wie es anscheinend innerhalb der Europäischen Union möglich ist, ist verständlich. Auch wenn die Union vor allem an wirtschaftlichen Interessen orientiert ist und einflussreiche Staaten wie Deutschland oder Frankreich die Ausrichtung bestimmen, ist die Vorstellung, dass sich die Lebensverhältnisse in den neuen Mitgliedsstaaten in den nächsten Jahren zumindest langsam annähern werden, nicht aus der Luft gegriffen. Die Entwicklung in Irland, Spanien und Portugal nähren diese Hoffnung.

Spätestens in drei Jahren will die ukrainische Regierung daher eine EU-Assoziierung mit entsprechender Förderung der Beziehungen erreichen. Für 2011 schwebt ihr eine Vollmitgliedschaft vor. Auch eine Mehrheit in der Bevölkerung sähe das Land mit 52 Millionen Einwohnern gerne als Mitglied der Europäischen Union. Doch die lehnt bisher dankend ab, auch aus Rücksicht auf die Interessen Russlands, das sich nicht zu Unrecht von der EU etwas bedrängt fühlt, wenn deren abgeschottete Grenzen und wirtschaftliche Sphären immer näher rücken.

Im schlimmsten Fall wird sich auch Russland irgendwann einmal genötigt sehen, um die Aufnahme in die EU zu betteln. Vereinigte Staaten von Europa – vom Mittelmeer bis zum Ural unter deutscher Federführung. Was für eine Vorstellung.

Bereits jetzt existiert für die Länder an den östlichen und südlichen Grenzen der Union keine wirkliche Alternative zu einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. So betrug der Anteil der EU und der Beitrittskandidaten am gesamten ukrainischen Außenhandel im ersten Halbjahr 2003 bereits 37 Prozent. Die deutsche Wirtschaft ist nach Russland der zweitgrößte Handelspartner der Ukraine. Für Polen ist Deutschland sogar der wichtigste Handelspartner. Und schon vor dem Beitritt gehen etwa 75 Prozent der polnischen Exporte in die EU.

Trotz des wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses hat sich das Land allerdings bei den Verhandlungen um die EU-Verfassung bewundernswert standhaft gezeigt. Und während des Irakkrieges stellte sich Polen trotz der Proteste aus der EU selbstbewusst auf die Seite der USA. Die guten Beziehungen nach Übersee, die Teile des »Neuen Europa« auch nach dem EU-Beitritt nicht aufgeben wollen, könnten sich für sie in den nächsten Jahren als ein Trumpf in der Hinterhand erweisen.

Deshalb besteht die Möglichkeit, dass das »Neue Europa« Deutschland und Frankreich bei den Überlegungen zu einem so genannten Kerneuropa und der Frontstellung gegen die USA einen dicken Strich durch die Rechnung machen wird.