Gut gemacht, Aznar!

Trotz massiver Proteste gegen die Regierung werden die Konservativen die spanische Parlamentswahl im März erneut gewinnen. Nachfolger von Ministerpräsident Aznar wird Mariano Rajoy. von tom kucharz, madrid

Neue Autobahnen, eine Landschaft voller Baukräne, erfolgreiche multinationale Unternehmen und sorgenlose Selbstständige deuten in Spanien auf Wohlstand und Wirtschaftswachstum hin. Bis spät am Abend strömen Kunden in die Einkaufstempel. Sogar wer Skifahren mit Shopping verbinden will, kommt in Madrid in einer Kunstschneehalle auf seine Kosten. Die Inlandsnachfrage wuchs im vergangenen Jahr um ein Prozent, obwohl die Preise um fast vier Prozent stiegen.

In Spanien »wächst die Wirtschaft doppelt so schnell wie in der restlichen Eurozone«, konstatieren Wirtschaftsblätter wie The Economist oder Business Week. Zudem wird positiv vermerkt, dass sich das Land in den vergangenen vier Jahren mit einem Haushaltsdefizit von beinahe null Prozent an die Vorgaben des Stabilitätspaktes gehalten hat. In diesem Monat meldete die Madrider Börse nach drei Jahren Flaute eine Rentabilitätsrate von 27 Prozent, und in der Rangfolge der wichtigsten EU-Nationen belegt Spanien inzwischen Platz fünf.

Kein Wunder, dass die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Jose Maria Aznar mit dem Slogan »Gut gemacht« um die Gunst der Wähler bei den Parlamentswahlen am 14. März wirbt. Der ausscheidende Aznar amtierte acht Jahre als Ministerpräsident. Obwohl in der vergangenen Legislaturperiode Hunderttausende an Demonstrationen gegen die Regierung teilnahmen, unter anderem wegen des chaotischen Krisenmanagements nach der Havarie des Öltankers Prestige im November 2002 und der Beteiligung am Irakkrieg, wird die PP aller Voraussicht nach wieder die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten.

»77 Prozent der Spanier finden es nicht legitim, dass ein Land einem anderen die Demokratie aufzwingt. Zudem glauben 62 Prozent der Wähler, dass Aznars Allianz mit der US-Regierung Spanien Ansehen gekostet hat«, erklärt Carlos Zaldivar vom konservativen Think Tank Real Instituto El Cano. Dennoch ist er sich sicher, dass die PP die Wahl gewinnen wird. Alle Kommentatoren stimmen darin überein, dass die umstrittene Beteiligung am Irakkrieg keinen Einfluss auf die Wahlen haben wird.

Das konstante Wirtschaftswachstum, die fremdenfeindliche Ausländerpolitik, die effiziente Polizeikampagne gegen die Separatistengruppe Eta sowie die Stärkung des spanischen Nationalismus, als Antwort auf die Nationalitätenkonflikte in den Regionen, sind die ausschlaggebenden Faktoren für den Erfolg der PP. »Die Regierung hat die Pflicht, mit allen Mitteln die Verfassung zu verteidigen«, erklärt Juan Pablo Fusi, Geschichtsprofessor an der Madrider Universität. Darin ist er sich mit der Mehrheit der Bevölkerung einig.

Eine weiterer Grund dafür, dass die PP die Wahlen gewinnen wird, ist die Schwäche der Opposition. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat, Jose Luis Zapatero, wirkt hilflos, wenn er im Wahlkampf immer wieder betont, dass die Regierung die großen Probleme der Gesellschaft nicht gelöst habe. Er bemängelt vor allem »die prekären Beschäftigungsverhältnisse, die verlorene Kaufkraft vieler Familien, die zu hohen Wohnungspreise, die unkontrollierte Migration und die Unsicherheit auf den Straßen«. Allerdings überzeugt Zapateros »sozialistisches Gesellschaftsprojekt«, das er zwischen »liberalem Wirtschaftskonservatismus und einem Pragmatismus verortet, der von dem ausgeht, was die Bürger wollen«, nur wenige.

Aznar weckt dagegen Ängste in der Bevölkerung. Sollten die Spanier eine andere Partei als die PP wählen, erklärte er in San Sebastian, müssten sie einen hohen Preis dafür zahlen. Sie würden ihre Arbeitsplätze verlieren und an internationalem Ansehen einbüßen. Zudem werde die sozialdemokratische Partei (PSOE) den »Nationalstaat demontieren«, das »institutionelle Gebäude in die Luft jagen« sowie die »territoriale Kohäsion zerstören«.

Besonders warnt die PP davor, den »Ibarretxe-Plan« der baskischen Regierung zu realisieren, da er vor allem dem Eta-Terrorismus nützen würde. Vorgesehen ist, dass die Bevölkerung in drei baskischen Provinzen über einen so genannten freien Anschluss an Spanien abstimmen soll. Der Wirbel um den Plan soll aber vor allem davon ablenken, dass die PP in Katalunien und im Baskenland mittlerweile politisch unbedeutend ist.

Der Spitzenkandidat der PP, Mariano Rajoy, ist eine Kopie Aznars und garantiert die Kontinuität der autoritären Politik. Das stellte er bereits in den vergangenen 17 Monaten als Innenminister unter Beweis. Im Hinblick auf die Regierungskoalition der katalanischen Sozialisten mit der linken Unabhängigkeitspartei ECR erklärte er: »Wenn die PSOE so weitermacht wie in den letzten Monaten, läuft sie Gefahr, dass am Ende die PP als einzige nationale Kraft übrig bleibt.«

Drei Menschen sind 2003 bei Anschlägen der Eta ums Leben gekommen. Dennoch malen die Medien und konservative Politiker weiterhin ein Horrorszenario mit jederzeit explodierenden Eta-Bomben an die Wand. Wenig hört man dagegen davon, dass im gleichen Zeitraum 70 Frauen von ihren Ehemännern oder Lebenspartnern umgebracht wurden. Auch für die Belange der illegalisierten Flüchtlinge interessiert sich kaum jemand.

Auf die Forderungen der Migranten nach gleichen Rechten und Legalisierung antwortete die Regierung bislang nur mit verschärften Ausländergesetzen, Polizeirazzien und Abschiebungen. Jeden Tag bezahlen Menschen den Versuch, ohne Papiere ins Land zu kommen, mit ihrem Leben. Seit Anfang des Jahres wurden bereits etwa 40 Todesopfer gezählt. Nach Angaben der andalusischen Menschenrechtsorganisation Pro-DDHH »starben im vergangenen Jahr 400 Personen bei dem Versuch, illegal die Grenzen zu überqueren«. Aber das ist im Wahlkampf natürlich kein Thema.

Die Opposition macht sich auch nicht die Mühe, darauf hinzuweisen, dass das Wirtschaftswachstum auf wackligen Füßen steht. So werden mittelfristig die EU-Hilfen in Höhe von 5 Milliarden Euro wegfallen. Zudem ist die Wirtschaft zu einem großen Teil vom Immobilienmarkt abhängig. Etwa 40 Prozent des Basiskapitals stecken in Immobilien. Plötzliche Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank, eine Tourismusflaute oder nachlassende Kaufkraft könnten dem Wirtschaftwunder schnell ein Ende setzen. The Economist stellt zu Recht fest, dass sich »der schlaue Aznar einen guten Moment aussuchte, um zu gehen«.