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Die SPD nach Schröders Rücktritt von ralf schröder

Nie zuvor hat in der Bundesrepublik ein Kanzler regiert, der in grundsätzlichen Dingen so viel Quatsch reden musste wie Gerhard Schröder. Das begann schon mit der siegreichen Wahl von 1998: Das Konstrukt der »Neuen Mitte« brachte sowohl die sozialen Verlierer der Kohl-Ära auf die Seite von Rot-Grün als auch große Teile des Bürgertums, die das Vertrauen in die neoliberale Schlagkraft der Konservativen verloren hatten. Der groteske Antagonismus der in ihr versammelten Interessen machte die Neue Mitte zu einem flüchtigen und längst vergessenen Erzeugnis. In England war das anders. Hier konnte sich Tony Blair mit seiner Sozialdemokratie neuen Typs als jemand darstellen, der einer zuvor von Margret Thatcher furchtbar gequälten Klientel ihre Menschenwürde zurückgibt.

Als die SPD Ende der neunziger Jahre die Erfolg versprechende Versöhnungsrhetorik von New Labour übernahm, antwortete sie auf Fragen, die hierzulande noch gar nicht richtig gestellt worden waren. Folgerichtig wurde Schröder bald nach seinem Amtsantritt recht unsanft mit den Widersprüchen seiner bodenlosen Programmatik konfrontiert. Das hieraus resultierende strategische Dilemma löste die Sozialdemokratie durchweg brachial: 1999 verkündete man ein Sparprogramm zur Sanierung des Staatshaushaltes, das Kürzungen von 95 Milliarden Euro vorrangig im Sozialbereich vorsah.

Die 2000 begonnene und noch andauernde Steuerreform wurde vom Finanzfachblatt Capital zu Recht als »Eichels Milliardengeschenk« für Unternehmer und Besserverdienende bejubelt. Danach begann Schröders Truppe mit der Zerschlagung der bis dahin halbwegs paritätisch finanzierten Renten- und Gesundheitssysteme. Dass mittlerweile vielen öffentlichen und sozialen Infrastrukturen der endgültige Ruin droht, führen die Regierung und ihre vertrottelten neokeynesianischen Kritiker auf die aktuelle Wirtschaftsflaute zurück. In Wirklichkeit sind die öffentlichen Kassen leer, weil Rot-Grün die Großunternehmen und die Eliten der Republik von der Pflicht befreit hat, genügend einzuzahlen.

Um ihre Täterschaft bei der Verschärfung des Klassenkampfes von oben zu vertuschen, erfand die SPD-Spitze zwei Ausreden. Erstens würde es unter der CDU für die kleinen Leute noch schlimmer kommen; zweitens werde man zum Ausgleich für materielle Verschlechterungen die Chancen auf Bildung und soziale Teilhabe ausbauen. Doch auch dieses Versprechen, von Schröder 2000 in seinem Manifest »Die zivile Bürgergesellschaft« mit viel Pomp bekräftigt, hat sich längst vor den realen Entwicklungen blamiert.

Mit Studiengebühren, Elite-Universitäten und ihrer gesamten Schul- und Sozialpolitik restauriert die SPD zentrale Elemente jener starren ständischen Ordnung, für die die hiesige Bourgeoisie mit ihren traditionell vormodernen Orientierungen schon immer eine Vorliebe hatte. Was auf den ersten Blick wie ein Verstoß gegen die kapitalistische Vernunft aussieht, könnte auch eine vorausschauende Reaktion auf die langfristige Verknappung guter und prestigeträchtiger Jobs sein.

Nach Schröders Rücktritt vom Vorsitz der Partei haben deren Mitglieder nun eines nicht mehr zu befürchten: dass sie vom Chef des eigenen Vereins malträtiert werden. Das, so ist zu befürchten, dürfte dem Durchschnittssozi schon genügen.