Stairway to Heavy

Probot und Transformer Di Roboter beweisen, dass Heavy Metal auch heute noch bestens funktionieren kann. von jens thomas

Kurt Cobain ist tot. Seinem ehemaligen Umfeld dagegen geht es ziemlich gut. Dave Grohl zum Beispiel, Nirvanas Ex-Drummer und heutiger Sänger der Foo Fighters, wirkt fröhlich, grinst ständig und freut sich wie ein junger Bub. Der wahrscheinliche Grund dafür: Er hat gerade eine Metal-Platte mit seinem neuen Band-Projekt veröffentlicht. Probot heißt das rockende Geschöpf und ist eine Hommage an die Metal-Kultur an sich. Auf der Platte hat Grohl alle Stücke selbst eingespielt und nicht wenige Koryphäen des richtig harten bis brutalen Metal brüllen dazu. Mit dabei sind: Lemmy (Motörhead), Max Cavalera (Sepultura, Soulfly), King Diamond (Mercyful Fate) und viele andere.

Dave Grohl meint es wirklich ernst mit seinem Projekt. Er zelebriert auf seiner Scheibe eine Vorliebe für Heavy Metal, ohne dass ihm daran irgendetwas peinlich ist. »Als Drummer habe ich von den Platten dieser Typen gelernt. Das ist ein großer Teil meines musikalischen Lebens«, klärt der 34jährige in der Spex auf.

Das klingt seltsam. Als würde Andy Borg plötzlich zugeben, schon immer ein Liebhaber von Hamburgs Vorzeige-Punkband Slime gewesen zu sein. Schließlich stammt Grohl aus dem Genre Hardcore, spielte in den achtziger Jahren bei Scream, einer melodiösen Schrabbelband aus Washington DC, gab sich dann dem Grunge hin und trommelte schließlich bei Nirvana. Er kommt also aus jenen Szene-Zusammenhängen, die Heavy Metal aufgrund seiner Plakativität eher belächelten. Hardcore, möchtegernpolitischkorrekt, wütete gegen die böse Welt, schnitt diskursive Themen wie Drogenfreiheit und Tierschutz an. Grunge, von MTV inszeniert, ließ rockende Jammerlappen in zerfetzter Jeansmontur verzweifelnd ins Schlagzeug fallen. Heavy Metal dagegen gab sich unverwundbar, pumpte ordentlich Luft in den Brustkorb, kannte nur kalten Schweiß und keinen Schmerz.

Auch die Probot-Platte ist im Grunde nichts anderes als Heavy Metal pur. Elf Tracks mit Titeln wie »Shake Your Blood« fegen nur so daher, reichen vom Rock’n’Roll à la Motörhead bis zum brutalsten Sepultura-Gedresche. Die Platte ist abwechslungsreich, ein Sammelsurium diverser Metal-Stile, rockt ordentlich und ist gut produziert. Grohl zu unterstellen, er würde seine Sache hier nicht gut machen, wäre sicher etwas unfair. Dennoch, und das verhindert ein dickes, respektzollendes Schulterklopfen, macht Grohl auch nicht viel mehr, als auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Metal erlebt schließlich schon seit einiger Zeit eine Renaissance.

Nicht zu übersehen: Tourneen von Def Leppard und Iron Maiden wurden heißer denn je angekündigt, Metallica brachten mit »St. Anger« im letzten Jahr eines der härtesten Alben in ihrer Karriere raus. Nichts könnte in Zeiten pauschaler Unzufriedenheit besser kommen als stumpfes, plakatives Dagegensein. Metal stellt nichts infrage, entspricht keineswegs dem Zeitgeist rasender Veränderungen mit einhergehendem Anpassungsdruck. Vielmehr steht er seit seiner Entstehung still, liefert immer die gleichen Themen mit gleicher Inszenierung. Die Metal-Kultur, so schreibt Jugendkulturforscher Werner Helsper, stehe für das »Verlässliche und Echte«.

Das ist es aber auch, was Metal so interessant macht. »Es ist echte Musik von echten Leuten«, sagt auch Grohl. Der Musikmarkt hat sich seit den achtziger Jahren in unendlich viele Subgenres ausdifferenziert. Elektronische Acts wie Autechre oder Squarepusher sind stellenweise nicht mal mehr hör-, geschweige denn tanzbar. Sie stehen für eine stetige Weiterentwicklung, die in Zeiten des wilden Reformierens jedoch leicht überfordern kann. Metal dagegen poltert einfach daher, bietet Waschechtes von Waschechten.

Das scheinen die Leute im Zeitalter neuer Unübersichtlichkeit zu brauchen. Auch im Trendbewusstsein hat somit die Rezession eingeschlagen. Nach Piercing kam Branding, dann Cutting (das Abtrennen diverser Körperteile), und wer heute noch bestürzte Gesichter mit offenen Mündern hervorbringen will, muss sich schon den Kopf ganz abhacken. Darum folgt man der Umkehrlogik: Nicht das, was der Selbstaufwertung durch permanente Neuerfindung diente, ist hip, sondern das Stillstehende, Stumpfdreschende, was einst eher als Peinlichkeit abgehakt wurde.

So ist inzwischen eine wahre Metal-Euphorie ausgebrochen. Berlin-Mitte-Hipster tragen Motörhead-Shirts, Models posieren mit AC/DC-Kappen und jeder Dritte tut so, als wäre er schon immer Judas-Priest-Fan gewesen. Trash ist »in«. Und das nicht nur optisch, auch musikalisch. Gerne gibt man sich schnittige Metal-Quatschnamen wie Hans Martin Slayer, Metal-Fake-Bands wie Tenacious D. oder Rex Leopard warten an jeder Straßenecke. Das Berliner Elektro-Trash-Duo Transformer Di Roboter hat gerade eine Metal-Maxi unter dem Titel »Metal Kings« veröffentlicht – eine Parodie auf »Kings of Metal« von Manowar. Fünf Stücke diverser Metal-Bands werden hier gecovert, u.a. Metallica, Slayer und Sepultura. Weder echte Drums noch wirkliche Gitarren sind zu hören, nur reale Gesangseinlagen, die sich über Elektronisches legen und teilweise gar besser als die Originale klingen. Live wird das Ironische an diesem Konzept besonders deutlich, wenn neben einem Michael-Jackson-Song, der elektronisch verfremdet wird, plötzlich ein programmiertes Slayer-Inferno hereinbricht.

Ironie im Metal ist dagegen nun wirklich nicht Grohls Ding. »Dieser ironische Umgang mit Rock kommt mir falsch vor«, macht der Foo Fighter deutlich. Selbst wenn es Metal-Bands gebe, die auch er albern fände, wie Manowar zum Beispiel. Letztendlich aber sei auch das für ihn »just fucking heavy music«. Metal-Musiker hätten früher Platten auf Mini-Labels herausgebraucht und seien in Vans getourt. »Wie echte Menschen«, so Grohl. Und im Grunde wird aus all seinen Erzählungen deutlich, dass es ihm ums ungeschminkte Musikerdasein geht, das im Zuge zunehmender Kommerzialisierung und einer oligopolen Zentrierung auf fünf große Musikkonzerne immer schwieriger zu verwirklichen ist.

So verwundert es kaum, dass der ehemalige Nirvana-Drummer sein Projekt auf einem Indie-Label wie Southern Lord und nicht auf einem Riesen wie BMG veröffentlicht – bei Probot läuft einfach alles superkorrekt ab. Grohl schwärmt dann auch noch von den alten unverbrauchten Tagen des Rock, von vergangenen Aggressionen und Energien. Beinahe muss man mitweinen, wenn er von den alten Combos spricht und einer Zeit, als die Welt noch in Ordnung zu sein schien.

Ob Grohl die neue Transformer-Di-Roboter-Platte mit ihrem Novelty-Charme trotzdem gut finden würde? Jedenfalls mag er erstaunlicherweise Tenacious D. Das sei eine Band, meint er, hinter deren Ironie er stehen könne, da deren Mitglieder ja mit Metal groß wurden. Ob man als Hörer nun etwas mit Probot anfangen kann, ist schon wieder eine ganz andere Frage. Man wird in jedem Fall nur den Kopf schütteln können: Entweder vor Begeisterung und im Stile eines waschechten Headbangers oder vor schierer Fassungslosigkeit.

Probot: Probot (Southern Lord); Transformer Di Roboter: Metal Kings (Deco/Paris)