Rapid Response

Angesichts der Entwicklung im Irak üben Politiker der Union im Europawahlkampf stärkere Kritik an den USA. von jesko bender

Kennen Sie den Begriff rapid response? Mit der »schnellen Antwort« versucht die CDU im Wahlkampf, die Aussagen von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die er auf seinen Veranstaltungen macht, über das Internet fast gleichzeitig zu widerlegen. Ob sich irgendjemand ernsthaft vor den Computer setzt, um sich darüber zu informieren, was Schröder sagt und die CDU daran falsch findet, sei dahingestellt. Amüsant ist das Projekt allemal, auch weil eine gewisse Verzweiflung aus dieser Idee zu sprechen scheint.

Denn die Union hat in einer wichtigen politischen Auseinandersetzung Probleme mit ihrem Profil: bei der Frage nach dem Verhältnis zu den USA und zum Irakkrieg. In dem Diskurs, den die SPD dominiert, ist eine klare, eigenständige Meinung der CDU nicht zu erkennen. Die Union hoffte wohl im vergangenen Jahr, ihre Haltung zum Irakkrieg würde sich mit dem Erfolg der USA als richtig erweisen. Seit dem Aufstand im Irak und den Enthüllungen über Folterungen irakischer Häftlinge durch US-amerikanische und britische Soldaten gewinnt der Standpunkt der Bundesregierung allerdings noch mehr Zustimmung, der der Union erweist sich als schwierig.

Im nun beginnenden Europawahlkampf dürfte das Verhältnis Europas zu den USA eine bedeutende Rolle spielen. Wer dazu den knalligsten Spruch hat, besitzt die besten Chancen. Die linken Parteien sind in ihrem traditionellen populistischen Antiamerikanismus bereits geübt. Auf den Plakaten der SPD prangt, selbstbewusst die Gegnerschaft zu den USA formulierend, in dicken Lettern vor einem schwarz-rot-goldenen Hintergrund das Wort »Friedensmacht«, darunter kann man lesen: »Politik mit Entschlossenheit«.

Die PDS meint das Gleiche, formuliert es aber mit einem antiimperialistischen Unterton: »Europa an der Seite der Uno – nicht im Schatten der USA«. Das antiamerikanische Ressentiment will gerade im Europawahlkampf glaubwürdig vertreten sein. Nur die CDU kann nicht mit einem handfesten Antiamerikanismus aufwarten. Sie bemüht sich um eine deutliche Haltung.

Mehrere prominente CDU-Politiker stellten in den vergangenen Tagen ihr Verhältnis zur Politik der USA klar. Die Vorsitzende der CDU, Angela Merkel, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Friedbert Pflüger (CDU), und der Präsidentschaftskandidat der CDU und der FDP, Horst Köhler, übten heftige Kritik an der US-Regierung. Ob es sich dabei um ein rein strategisches Manöver handelt, das helfen soll, ein besseres Wahlergebnis zu erzielen, oder um einen tatsächlichen Richtungswechsel in der Union, lässt sich noch nicht beurteilen. Dafür sind die kritischen Töne noch zu frisch. Festzustellen ist auf jeden Fall, dass in der Union die Stimmen lauter werden, die die Haltung der Konservativen zum Irakkrieg neu bestimmen wollen.

Die teilweise populistischen Äußerungen werden in dem Wissen gemacht, dass in Deutschland jede Kritik an den USA in den herrschenden Antiamerikanismus integrierbar ist. Dabei sind die meisten Bemerkungen von Politikern der Union nicht im direkten Sinne antiamerikanisch. Im Gegensatz zu denen aus den Reihen der SPD.

Merkel bedauerte in einem Interview mit der Zeit, »dass Europa nicht alles versucht hat, was es hätte versuchen können«, um den Krieg zu verhindern. Wäre es nach ihr gegangen, »hätten wir es den USA sehr viel schwerer gemacht, an den Vereinten Nationen vorbeizukommen«. Sie habe immer gesagt, »eine Supermacht darf nie glauben, sie könne auf der Welt alles allein schaffen«. Merkel ist überzeugt, eine europäische Identität und mit ihr die deutschen Interessen müssten auch gegen Amerika durchgesetzt werden.

Friedbert Pflüger sprach in der Frankfurter Rundschau gar von einer Annäherung an die SPD, in der Irakfrage liege man »gar nicht mehr so weit« auseinander. Kein Vertreter der Union habe den Krieg unterstützt. Ob der Krieg richtig gewesen sei, sollten andere bewerten. »Das werden letztlich die Historiker beurteilen«, meinte Pflüger.

Selbst der von Sozialdemokraten und Globalisierungskritikern als neoliberal gescholtene Präsidentschaftskandidat Horst Köhler versucht, den sachten Kurswechsel zu fördern. Sich in moralischen und mahnenden Tönen übend, soll er unlängst auf einer Sitzung der Landtagsfraktion der CDU in Düsseldorf gesagt haben, den Amerikanern sei »die Macht zu Kopf gestiegen«. Die Regierung Bush habe sich »arrogant« verhalten und »schwer wiegende Fehler« begangen.

Interessant ist der Vergleich kritischer Äußerungen aus der Union mit denen aus der SPD. Hertha Däubler-Gmelins Vergleich George W. Bushs mit Adolf Hitler beendete ihre Karriere als Justizministerin; der kurzzeitige Fraktionsvorsitzende der SPD, Ludwig Stiegler, verglich Bush mit Cäsar; der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse spricht von der »Allmacht des amerikanischen Kulturimperialismus«.

Dagegen wirken die Äußerungen aus der Union wie mit Bedacht gewählt. In der CDU scheint die Zusammenarbeit mit den USA immer noch einen relativ hohen Stellenwert zu besitzen. Ein offener Antiamerikanismus ist in der Partei bisher nicht anzutreffen, was sicherlich am starken Einfluss der so genannten Atlantiker liegt .Dennoch häufen sich, gerade im Zusammenhang mit den Folterungen irakischer Gefangener durch US-amerikanische und britische Soldaten, in den Reihen der Union Äußerungen, die auf eine stärkere Abgrenzung von den USA zielen. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verbindet die Kritik an den Vorfällen mit der Forderung nach einer »wesentlich stärkeren Rolle der Vereinten Nationen«. Der Leiter der bayrischen Staatskanzlei, Erwin Huber (CSU), meint, eine »klare Verurteilung von Folter war immer eine Konstante in der Politik der Union«.

Beim Thema Folter war sich die Union allerdings nicht immer so einig. Als zu Beginn des vergangenen Jahres der stellvertretende Leiter der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, einräumte, einem mutmaßlichen Mörder während eines Verhörs Folter angedroht zu haben, und eine gesetzliche Grundlage für sein Vorgehen forderte, stimmten ihm zahlreiche Politiker der Union zu. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte damals, man müsse auch über Folter nachdenken, wenn eine Gefahr für viele Menschen bestehe. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) fand Daschners Folterdrohung »menschlich sehr verständlich«.

Die nun stärker werdende Kritik an der US-Regierung entspricht der Stimmungslage in Deutschland und könnte zu einem neuen Profil der Union in dieser Frage führen. Zwar sieht sich die Bundesregierung in ihrer Einschätzung des Irakkriegs bestätigt und erklärt, die Union habe inzwischen die Richtigkeit der rot-grünen Politik erkannt. Die Angst der Sozialdemokraten, in ihrem Antiamerikanismus Konkurrenz von der Union zu bekommen, ist dennoch spürbar. Gerhard Schröders rapid response auf die neuen Töne aus der Union lautete: »Jetzt bin ich in einer Situation, wo ich Frau Merkel und Herrn Stoiber sagen muss: Übertreibt es nicht mit eurem Antiamerikanismus.«