Aufbruch aus Ruinen

BDI im Palast der Republik

Immer wenn im Palast der Republik getagt wird, bleibt das Volk draußen. So verhielt es sich in der DDR, so ist es im Jahr 2004. Nur geladenen Gästen wurde im Juni Eintritt gewährt zur Jahrestagung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) unter dem Motto »Für ein attraktives Deutschland im neuen Europa«.

Der BDI im Palast, das sollte das Signal sein für den wirtschaftlichen Aufbruch aus Ruinen. So war es 1945 und 1989, so sollte es 2004 sein. Neben Parteifunktionären lud man den polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski, um dem Motto Genüge zu tun. Bei dem eintägigen Treffen ging es denn auch um Standorte und Bürokratie, um zu viel und zu wenig Staat, um Grenzen und Ost-Erweiterung. Michael Rogowski, der Präsident des BDI, herstammend von den Masuren, wie er bekannte, gab sein Ehrenwort: »Ich war nie wieder in den Masuren. Das wird nächstes Jahr korrigiert.«

Die Schlacht ist schon halb gewonnen, gerade in Berlin. Deshalb wählte der BDI die stählerne Kulisse des besiegten Riesen. Frau Merkel konnte nicht unerwähnt lassen, dass sie im Palast einstmals die Prestigetraube Saale-Unstrut getrunken habe. Nun müsse es aber weg, das Gespenst vergangener Tage, eine grüne Wiese statt Palast sei gut, und darauf müsse ein Denkmal für die Freiheit stehen. Der Kanzler brachte alle zum Lachen, als er die Europawahlschlappe mit den Worten kommentierte, eine Minderheit sei eigentlich eine Mehrheit. Vielleicht war er übermütig, weil Rogowski ihm die Unterstützung der Wirtschaft zugesichert hatte.

Um den Aufbruch anzukündigen, hatte der BDI keine Kosten gescheut im Palast. Auf zwei Ebenen war Estrich gegossen und mit blauer Auslegware bedeckt worden. Es gab eine Internetpresselounge, schalldichte Foren, eine Espresso- und eine Cocktailbar, einen Bankschalter und vieles mehr. Zwischen Stahlträgern mit den Zeichen der Asbestsanierer gab es bunte Stände: Da war Herr von Boddien von der Initiative Stadtschloss Berlin, schräg gegenüber lächelten Damen von der südlichen Weinstraße, bei Dannemann wurden Zigarren gedreht. Von der zweiten Ebene konnte man bei Wellnessmusik einen Blick auf das Terrakotta-Disneyland werfen. Elf der renommiertesten Köche der Stadt waren herbeigeeilt, um die Deutsche Industrie zu bekochen, und der ehemalige Plenarsaal der Volkskammer verwandelte sich abends von einem Hotelfoyer in eine Sportlounge. Speere, Volleybälle und Kanus bedeckten den trockenen Palastgrund, Segel schwebten in der Luft, die sagenhafte Gerüstdecke im Großen Saal wurde noch sagenhafter blau angestrahlt. Auf einer Videoleinwand wurde ein Fußballspiel der deutschen Mannschaft übertragen, während ein unglaublicher Sonnenuntergang das architektonische Gerippe theatralisch erhöhte.

Das nachfolgende Rockvarieté sollte die Stimmung heben, erinnerte aber an elende Abende mit einem »Kessel Buntes«, seinerzeit. Der Entertainer Michael Rogowski war nun in Höchstform: »Feiern Sie, denken Sie daran, Sie werden dieses Gebäude nie wieder von innen sehen!« So zog sich die lustige Show in die Nacht hinein, während sich draußen nach Hause eilende Altostberliner wunderten, was denn nun schon wieder in den armen alten Palast gefahren sei.

kel rosetau