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Ein Grundrecht weniger

Versammlungsrecht. Lange hat es gedauert, bis die deutsche Politik erkannte, dass Demonstrationen von Neonazis eine eklige Sache sind. Marschierten die Rechtsextremen durch unwirtliche Orte wie Hoyerswerda oder Rostock, führte das in den frühen neunziger Jahren bekanntlich nicht zu dem Vorschlag, solche Demonstrationen zu verbieten, sondern zur Änderung des Asylrechts. Als die Kameraden im Jahr 2000 jedoch mit ihren Reichskriegsflaggen vor das Brandenburger Tor in Berlin zogen, war die Empörung groß, vor allem weil das deutsche Ansehen im Ausland gefährdet war, oder besser gesagt: weil Deutschland zur Kenntlichkeit entblößt war.

Dem soll nun Abhilfe geschaffen werden. Das Bundesinnenministerium arbeitete auf eine Initiative der Bundesländer hin einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Versammlungsrechtes aus, der in der vorigen Woche in Auszügen von Spiegel online veröffentlicht wurde. Demnach soll eine Demonstration zukünftig verboten oder eingeschränkt werden können, wenn sie »an einem Ort stattfindet, der in eindeutiger Weise an die Opfer einer organisierten menschen-unwürdigen Behandlung erinnert und der als nationales Symbol für diese Behandlung anzusehen ist, und die Versammlung geeignet ist, diese menschenunwürdige Behandlung der Opfer zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen«.

Vor allem vor dem Holocaustmahnmal in Berlin will man keine Neonazis demonstrieren lassen. Aber der Gesetzestext ließe in der vorliegenden Form selbstverständlich auch andere Demonstrationsverbote zu. Wie wäre es etwa mit einer Antifademo, die sich gegen den deutschen Opferwahn ausspricht, vor der neu errichteten Dresdner Frauenkirche?

Unkonventionelle Polizei

Folter. Jetzt sind die Bundesländer gefragt. Sie sollen, so wünschen es rote und grüne Politiker, dem Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen zustimmen, damit UN-Inspektoren auch hierzulande unangemeldet Gefängnisse und Polizeireviere besuchen können. Vertrauen ist schließlich gut, aber Kontrolle besser.

Auch in Deutschland, wo sich ein stellvertretender Polizeipräsident schon mal für ein bisschen mehr Härte bei der Befragung Verdächtiger ausspricht. Im Jahr 2002 drohte der ehemalige stellvertretende Polizeipräsident von Frankfurtt, Wolfgang Daschner, dem Entführer des 11jährigen Jakob von Metzler mit Folter, um den Aufenthaltsort des Kindes herauszufinden. Die Staatsanwaltschaft erhob Klage gegen Daschner, das Landgericht Frankfurt am Main gab in der vorigen Woche die Eröffnung des Hauptverfahrens bekannt. Angeklagt werden Daschner und zwei weitere Polizeibeamte wegen Nötigung. Die Hauptverhandlung beginnt frühestens im November.

Und weil auf die Klassenjustiz kein Verlass ist, haben die linken Frankfurter Gruppen Autonome Antifa (f) und Libertad gleichzeitig zum Prozess eine Kampagne »gegen jede Infragestellung des Folterverbots« angekündigt.

Nicht erneuerbar

Atomkraft. Der »Atomausstieg«, den die Regierung vor vier Jahren mit der Atomindustrie aushandelte, ist bekanntlich keiner, sonst wäre er ja nicht zustande gekommen. So schnell wird sich am Bestand deutscher Atomkraftwerke wohl nicht allzu viel verändern. Es kann sogar noch schlimmer kommen. Sie könnten sich ja auch wieder vermehren, die deutschen Atomkraftwerke. Dafür sprachen sich kürzlich der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und sein baden-württembergischer Kollege, Erwin Teufel (CDU), aus. »Wer wirklich Emissionen reduzieren will, muss auf Kernenergie setzen«, sagte Teufel bereits im Mai.

Nun bekam er eine Antwort. »Wer Ärger vermeiden will, muss auf Kernenergie verzichten«, erklärte in der vergangenen Woche die Gruppe Arriba 41. Sie bekennt sich in einem bei Indymedia veröffentlichten Schreiben dazu, in der Nacht zum 21. Juni das Werksgleis zum Atomkraftwerk Philippsburg unbefahrbar gemacht zu haben. Auf einer Länge von 40 Metern seien die Gleisschwellen losgeschraubt worden. Arriba 41 fordert: »AKWs abschalten. Keine Atomtransporte von Rossendorf nach Ahaus. Urananreicherungsanlage Gronau still legen.«

Wachstum ohne Nutzen

Wirtschaft. Dass man uns vor Jahren den Buß- und Bettag genommen hat, war nicht schön. Wer lässt sich schon gern einen freien Tag klauen, und sei es auch einer, dessen christlicher Anlass wohl den meisten Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern gänzlich unbekannt ist. Geschenkt. Fort ist fort!

Nun aber will uns die Regierung der Konjunktur zuliebe vielleicht auch noch den heiligsten aller Feiertage der Deutschen rauben. Wie der Spiegel berichtete, erwäge die Bundesregierung die Abschaffung des Tags der Deutschen Einheit, dessen Bedeutung wohl jedem im Gedächtnis ist. (Sie erinnern sich doch: Mauerfall, Begrüßungsgeld, national befreite Zonen?) Die Überlegung sei Teil eines Programms, welches das Finanz- und das Wirtschaftsministerium gemeinsam ausarbeiten. Auch Urlaubstage stünden zur Disposition. Sein ehrlicher Titel lautet »Wachstum ohne Kosten«. Denn umsonst ist schließlich, was die Unternehmen nicht bezahlen müssen.

Die Bundesregierung ließ die Nachricht umgehend dementieren. Vielleicht ist die Zeit einfach noch nicht reif.

Ganz schön krank

Horst Köhler. Es ist soweit. Am Donnerstag dieser Woche wird Horst Köhler in das Amt des Bundespräsidenten eingeführt. Einer Umfrage zufolge setzen die Deutschen große Hoffnungen auf den ehemaligen IWF-Direktor. Wie das Allensbach-Institut für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung herausfand, erwarten 62 Prozent der 1 585 befragten Personen, dass sich Köhler für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einsetzen werde. 70 Prozent glauben sogar, er werde besonders für soziale Gerechtigkeit eintreten. Ihnen allen wünschen wir gute Besserung!