Odysseus’ Frau

ich-ag der woche

Ihre Rolle als First Lady scheint Veronica Lario Berlusconi, die Ehefrau des italienischen Ministerpräsidenten, nicht »professionell« wie Hillary Clinton oder Cherie Blair auszufüllen. Im Gegensatz zur ihrem omnipräsenten Mann hat Frau Berlusconi das Licht der Medien gemieden und dabei das Image der perfekten Ehefrau und der liebevollen Mutter von drei Kindern gepflegt.

Umso sensationeller wirkte die Veröffentlichung von Tendenza Veronica, einem 200seitigen biographischen Interview, in dem Frau Berlusconi aus ihrem Leben an der Seite des heutigen italienischen Ministerpräsidenten plaudert. Neben dem Versuch, den italienischen Premier als stinknormalen Ehemann darzustellen, der im Schlaf spricht, ständig am Handy redet und Rosen an unbekannte Frauen verschickt, »enthüllt« das Buch ein paar Geheimnisse, die keine sind. Dass die 48jährige ehemalige Schauspielerin ihren Kindern das Fernsehen verbietet, dass sie gegen den Irakkrieg war und nie Berlusconis Partei Forza Italia gewählt hat, wusste man in Italien schon vorher. Und dass das Leben an der Seite ihres Mannes wenig idyllisch ist, hätte man sich auch ohne die 200 Seiten vorstellen können. Wozu das alles?

Der Juni war für Berlusconi kein besonders guter Monat: Seine Partei verlor bei der Europawahl ein Sechstel ihrer Wählerschaft und bei den Kommunalwahlen auch ihre Hochburg Mailand. Auch die EM endete für die »Azzurri« nicht gerade glänzend. Eine groß angelegte PR-Operation schien Berlusconi dringend zu brauchen, um ein »menschliches« Bild von sich selbst zu vermitteln, wie italienische Zeitungen kommentierten. Ob der First Lady dies mit solchen Sätzen gelungen ist? »Er ist wie Odysseus, sein Leben hat etwas Episches.«

federica matteoni