LeserInnenworld

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Zuschriften bitte an: briefe@jungle-world.com oder per Post an die Redaktion.

Jungle World 28/04: Der Krieg der Köpfe

Mehrheitlich westlich-dekadent

Shoppingtouren an der Côte d’Azur im Rolls Royce dürften nicht dem vom Wahabismus gepredigten Purismus entsprechen. Zwar mag es einige al-Qaida-Sympathisanten im saudischen Königshaus geben, aber die Mehrzahl der 7 000 saudischen Prinzen liebt ihr westlich-dekadentes Leben. Es handelt sich in Saudi-Arabien eher um einen Waffenstillstand zwischen Herrscherhaus und religiösen Radikalen: Petrodollars für Islamisten im Ausland und islamistische Unterdrückung (von Frauen, Homosexuellen, Schiiten) im Innern gegen die Nichtkritik an der Herrschaft der Saudis und ihrer Lebensweise. In dem Artikel »Der Kampf der Generäle« wird nicht ersichtlich, ob die Miliz des Gouverneurs von Nord-Kivu und die vom ihm geleitete RCD dieselbe ist. In Ruanda wird übrigens Kinyarwanda gesprochen, was besser klingt als ruandischsprachig. Eine kurze Erwähnung der Verwicklung der Bayertochter H.C. Starck in den Coltanhandel wäre auch nicht schlecht gewesen.

titus lenk

Jungle World 28/04: Karadzic lässt grüßen

Mantel des Schweigens

Man kann Karadzic und Mladic sicherlich nicht der menschlichen Emanzipationsbewegung zurechnen, jedoch sollten in der Berichterstattung über die Dramen des jugoslawischen Bürgerkrieges nicht einfach antiserbische Gräuelmärchen aufgetischt werden. Immerhin sind’s mittlerweile keine 20 000 Toten mehr, die der serbischen Soldateska zugeschrieben werden, sondern »mindestens 7 000 Männer und Jugendliche«. Es dürften aber in der Realität etwa ›nur‹ 1 000 Kämpfer der muslimischen Milizen gewesen sein, die, nachdem sie sich ergeben hatten, bei Srebrenica umgebracht worden sind. Das ist schlimm genug. Zu einer kritischen Aufarbeitung des jugoslawischen Bürgerkrieges gehört es, sich zu fragen, warum die Kriegsverbrechen der Serben skandalisiert werden und die Kriegsverbrechen muslimischer Milizen in Bosnien und kroatischer Truppen in der Krajina bis heute mit einem Mantel des Schweigens bedeckt werden.

jonas dörge

Jungle World 28/04: Lieber faul als prekär

Übersehene Verelendungsbedingtheit

Dass nicht die Arbeit prekär ist und auch nicht sein kann, sondern die Bedingungen, unter denen sie stattfindet, bzw. dass das Einkommen, das unter diesen prekären Bedingungen von Lohn abhängig Arbeitende beziehen, für diese kein Auskommen ermöglicht, lässt sich mit gutem Willen aus dem Artikel herauslesen. Aber ärgerlich ist mal wieder das philosophische Brimborium um die »Arbeit an sich«. Das führt zu nichts. Vor lauter Prekarisierung wird da die kapitalistische Bedingtheit von Verelendung nicht mehr gesehen. Es gab und gibt immer noch diese zwar furchtbar orthodox marxistischen, aber sehr nützlichen Kampfbegriffe wie »Lohnarbeit«. Warum auf sie und die dahinter stehende Analyse dieser Gesellschaft verzichtet wird, ist mir schlicht ein Rätsel.

steffen