Eine Hymne auf die Stadt

Eine Stadt ohne Stadtstrand kann man nicht lieben. von federica matteoni und ivo bozic

Summer in the City. Es gibt nicht viele Städte, die dieses Ereignis so zu zelebrieren wissen wie Berlin. Ungeduldig wartet man auf die jährlich stattfindenden Sommerpartys, und man gewöhnt sich so schnell dran, dass sie für das eigene Überleben absolut notwendig werden. Das sommerliche Wetter reicht nicht mehr aus, die Inszenierung gehört zum Sommer dazu. Sie ist für das Feeling da.

Wie kann man den Sommer in der Großstadt überhaupt aushalten, wenn es nicht diese Kulisse gäbe? Das entdeckt man, wenn man plötzlich die Frühlings- und Sommermonate statt im hedonistischen Berlin in einer anderen europäischen Großstadt verbringen muss. Sagen wir mal, in Rom. Da spaziert man an heißen, faulen Nachmittagen am abgefuckten Tiberufer entlang auf der Suche nach einem bisschen »dolce vita« – wie man es aus Berlin kennt, und wonach man das ganze Leben lang süchtig bleibt –, und man fragt sich verzweifelt: Warum ist hier keiner auf die Idee gekommen, eine gemütliche, coole Strandbar aufzumachen? Gibt es in dieser Stadt wirklich kein Bedürfnis, sich Orte für hedonistische Zwecke »anzueignen«? Warum scheint niemand daran interessiert zu sein, aus der eigenen Stadt einen schönen Ort zu machen, statt sie jedes Jahr pünktlich zu hassen, wenn die Temperaturen über 25 Grad steigen? Lieber so schnell wie möglich aus der Stadt abhauen, sich einen Quadratmeter Platz an einem überfüllten Strand an der Küste aussuchen, stundenlang im Auto sitzen und die Welt genauso hassen, als wäre man zuhause geblieben.

Nein, in einer Stadt ohne Strandbars kann man nicht schön leben, eine Stadt ohne Strandbars kann man nur hassen. Die Strandbar ist viel mehr als ein Streifen am Fluss, der nur ein bisschen Sand von der Ostsee, Liegestühle und teuere Cocktails anzubieten hat. Die geographische Hybridisierung, die durch das Konzept des urbanen Strands realisiert wird, hat nichts mit »Urlaubssimulation« zu tun. Sie schafft vielmehr einen Raum mitten in der Stadt, in dem die Stadt im Mittelpunkt steht. Die Strandbar will sie nicht ausblenden, sondern sie feiern als einen Ort, der ein Lebensgefühl vermitteln kann.

Und nicht jeder urban geprägte Mensch ist ein Yuppie. Es gibt Stadtstrände mit Ballermannpublikum, solche mit Bankpersonal, aber auch welche für Freaks, Proleten und prekär Beschäftigte oder Unbeschäftigte. Seitdem die Freibäder vier Euro pro Besuch verlangen, ist der Stadtstrand, der in der Regel keinen Eintritt kostet, eine wichtige Alternative – gerade im Zeitalter der Krise, und speziell für Leute wie uns, die genau überlegen müssen, wofür sie ihr weniges Geld ausgeben. Zwar wird erwartet, dass man ausgiebig die überteuerten Drinks an der Bar kauft, weshalb mitgebrachte Getränke verboten sind, doch so genau kann das keiner kontrollieren. Und während man in einer Kneipe oder Bar irgendwann blöde angemacht wird, weil man sich seit zwei Stunden an einem Flens festhält und einen wertvollen Sitzplatz und damit weiteren Umsatz blockiert, so kontrolliert am Stadtstrand kein Mensch das Konsumverhalten der Gäste. Man kann einfach herumsitzen und in die Sterne gucken.

Wenn die Sonne scheint oder der Mond, sollte man immer am Wasser sitzen, einen Cocktail oder ein Bierchen trinken und eine Tüte rauchen. Eigentlich reicht allein diese Feststellung, um Stadtstrände unbedingt gutzuheißen. Wenn dieser Luxus dann noch mitten in einer lebendigen und doch lässigen Metropole genossen werden kann, dann ist das geradezu paradiesisch. Da die Deutschen an ihren Küsten jedoch nur so langweilige Ortschaften wie Greifswald, Kiel und Eckernförde gebaut haben und die echten Städte alle abseits des Meeres liegen, ist die Idee mit dem aufgeschütteten Sand eine geradezu notwendige.

Sowieso haben die Deutschen ein Problem mit Stränden. In Spanien reservieren sie mit Handtüchern ihre Reviere und an der Ostsee verschanzen sie sich in großen Sandburgen, auf denen sie mit Muscheln ihre Namen schreiben. Meins! Sie machen aus jedem Strand El Arenal, eben weil sie keine Gewohnheit im Umgang mit Stränden und überhaupt mit einer lässigen Lebensweise habe. Offenbar müssen die Deutschen das Strandleben üben. Und zwar mitten in ihrer Stadt, wo sie sich halbwegs zu benehmen wissen. Und es scheint zu funktionieren. An den Stadtstränden herrscht wesentlich mehr Kultur als in Mallorca oder Rimini. Weiter so! Wir glauben an euch!