Glück, wo bist du?

Über den Abgang des Subjekts. Vor 100 Jahren erschien Joseph Conrads Roman »Nostromo«. Von Udo Wolter

Der vor 80 Jahren verstorbene Schriftsteller Joseph Conrad ist vor allem durch seinen Roman »Herz der Finsternis« bekannt. Er gilt als entschiedener zeitgenössischer Kritiker des europäischen Imperialismus, steht aber auch für den rassistischen Blick auf die vom Kolonialismus unterworfenen »Anderen«. Diese ambivalente Wahrnehmung durchzieht die Rezeption von Conrads gesamtem Werk. Edward Said, der kürzlich verstorbene Literaturwissenschaftler und Vordenker des Postkolonialismus, hat Conrad als einen »Vorläufer westlicher Wahrnehmungen der Dritten Welt« und als einen von jenen »Theoretikern des Imperialismus wie Hannah Arendt« bezeichnet, die »sowohl imperialistisch als auch antiimperialistisch« gewesen seien. (1)

Said bezog sich mit dieser Bemerkung auf den Roman »Nostromo«. Gerade an diesem vor 100 Jahren vollendeten Werk lässt sich nicht nur Conrads Wahrnehmung des Imperialismus nachspüren, sondern auch seiner literarischen Reflektion des Verhältnisses von Kapitalismus und Subjekt. Rassistische oder andere reaktionäre Aspekte sind bei Conrad vorhanden, und sie lassen sich sicher nicht damit abtun, er sei ein Kind seiner Zeit gewesen. Doch aus der Binnenperspektive des kolonialen Imperialismus treibt er gleichzeitig die Dialektik zwischen westlichen Idealen und den Realitäten kolonialer Plünderung und vernichtender Gewalt über seinen eigenen Horizont hinaus.

Es entspricht einer von tiefer Skepsis und Ironie geprägten Grundhaltung, dass Conrad seine Figuren oft durch moralische Ambivalenz gekennzeichnet hat. Die Reisen in seinen Romanen und Novellen führen immer auch in die Abgründe des modernen Subjekts, so auch in »Nostromo«. Entscheidend an Conrads Symbolik scheint mir jedoch zu sein, dass sie auf die mit Rationalisierung und Abstraktion einhergehende Verdinglichung der modernen kapitalistischen Welt, also auf Gesellschaftliches verweist. Gerade aus seinen Naturbeschreibungen spricht eine radikale Desillusionierung des Subjekts der modernen Metaphysik, der er in »negativ romantischen Konfrontationen mit einer kahlen Unendlichkeit« Ausdruck gibt. (2)

Conrad hat keine »engagierte Literatur« in dem Sinne geschrieben, wie sie von Adorno zugunsten von Schriftstellern wie Marcel Proust verworfen wurde. Frederic Jameson etwa lokalisiert den literarischen Ort Conrads »irgendwo zwischen Proust und Robert Louis Stevenson«. Doch in einer Reihe von Romanen hat er sich explizit mit den politischen Verhältnissen, Umwälzungen und revolutionären Bestrebungen seiner Zeit befasst. Die pejorative Darstellung revolutionärer Gruppen und ihres Personals v.a. in den Romanen »Der Geheimagent« und »Under Western Eyes« hat allerdings dazu beigetragen, dass Conrad von Linken oft als Konterrevolutionär wahrgenommen wurde und wird. Conrads Skepsis gegenüber emanzipatorischer Gesellschaftsveränderung durch revolutionäres Handeln steht in enger Beziehung zu seiner Wertschätzung für individuelles Verantwortungsbewusstsein, an dem er seine Figuren aber angesichts der realen Einrichtung der Welt immer wieder scheitern lässt. Über den revolutionären Geist schreibt Conrad, er mache es sich »bequem darin, dass er uns, was Ideen anbelangt, von allen Skrupeln befreit. Sein harter, absoluter Optimismus ist für mein Denken abstoßend durch die Drohung von Intoleranz und Fanatismus, die er enthält«. (3) Trotz seines Nihilismus ist in Conrads Geschichten immer auch ein tiefer Humanismus zu spüren.

»Nostromo«

»Nostromo« gilt als Conrads komplexestes und politischstes Werk. Am fiktiven Gegenstand der Republik Costaguana wird ein Historienpanorama entfaltet, in dessen Mittelpunkt die am Golfo Placido gelegene Westprovinz Sulaco steht. Conrad bricht aber den im realistischen bürgerlichen Roman des 19. Jahrhunderts vorherrschenden »geordneten Zeitstrom« auf und erzählt die verwickelte Geschichte von »Nostromo« achronologisch aus wechselnden Perspektiven. Mit dieser innovatorischen Erzählweise zeigt er seine Beunruhigung über die Entwicklungen seiner Zeit und kritisiert die bürgerliche Vorstellung einer linearen Fortschrittsgeschichte, deren Subjekt durch die materiellen Interessen autorisiert wird.

Innerhalb des Romans verkörpert Kapitän Mitchell die Rolle eines von borniertem Glauben an linearen Fortschritt durchdrungenen »formalhistorischen Zeugen« (Jameson). Conrad ironisiert diese durch biedere Borniertheit gekennzeichnete Figur bis zur Lächerlichkeit, indem er ihn in »pompösem« Duktus Teile der Handlung berichten und dabei ständig vom »Beginn einer Epoche« schwadronieren oder emphatische Ausrufe wie »Es war Geschichte – Geschichte, Sir!« zum Besten geben lässt.

Costaguana entspricht mit seiner Geschichte ständig wechselnder Diktaturen und Bürgerkriege zunächst einem klischeehaften Bild von Südamerika, von dem Decoud im Roman mit einem Simón Bolivar zugeschriebenen Zitat sagt, es sei »nicht zu regieren. Wer für seine Befreiung tätig war, hat das Meer gepflügt.« Mestizen und Indios stellen als großteils bäuerliche Unterklasse sowohl die grausam ausgebeutete Minenarbeitskraft als auch das zwangsrekrutierte Fußvolk der sich bekriegenden Armeen. Die alteingesessene Oberschicht besteht aus spanischstämmigen und landaristokratischen »Blancos«. Wegen der Entwicklung des Hafens und des Eisenbahnbaus ist eine wachsende Gruppe von Briten und Italienern ins Land gekommen, die als Ausländer betrachtet werden.

Vor allem durch die Italiener kommt auch ein Element der Diaspora und des Exils ins Spiel, das nach dem Scheitern der europäischen Volksrevolutionen in der Tradition von 1848 in die Küstenprovinz Sulaco gespült wurde. Repräsentiert wird es vor allem durch die Familie des alten Giorgio Viola, eines Weggefährten Garibaldis, dessen Bild wie eine Ikone über dem Gastraum von Violas Herberge wacht. Conrad offenbart mit dieser als »Idealisten der alten humanistischen Revolutionen« charakterisierten Figur eine in seinem Werk einmalige Sympathie für diesen Revolutionstypus.

Die Titelfigur Nostromo ist ebenfalls ein in Sulaco gestrandeter Italiener. Der Vormann der Schauerleute am Hafen, der »Capataz de Carcadores«, wie er genannt wird, ist ein stolzer Prachtkerl und Gewaltmensch; ein »Mann des Volkes«, der im Dienst seiner Herren, der adligen Blancos und reichen Europäer in Sulaco, über seine Schauerleute herrscht. Sein Boss, Mitchell, setzt ihn auch als »eine Art Universalfaktotum« ein, das er gerne an andere Mächtige Sulacos »ausleiht«. Die Herr-Knecht-Dialektik dieser Figur wird durch Conrads ironisches Wortspiel mit ihrem Namen unterstrichen. Nostromo verweist in der Bedeutung »Schiffsmaat« auf den früheren Beruf des Italieners und ist zugleich als auf seinen Chef zurückzuführende Verballhornung des italienischen »Nostro Uomo« (»Unser Mann«) eine Anspielung auf seine Nützlichkeit für die Mächtigen.

Es geht in »Nostromo« um einen von revolutionären Unruhen und politischem Umsturz begleiteten Modernisierungsschub in einem peripheren Land Südamerikas, das bislang von einem aus der Kolonialzeit ererbten Agrarkapitalismus mit halbfeudalen Herrschaftsverhältnissen gekennzeichnet war. Durch seine ertragreiche Silbermine wird Sulaco zum Objekt in- und ausländischer Begehrlichkeiten und schließlich in einer separatistischen Revolution vom Rest des Landes getrennt. Damit bricht die sezessionistische Bewegung, unterstützt durch anglo-amerikanisches Kapital, die dank der Silbermine reichste Provinz aus dem Land. Ihr Erfolg wird durch das Auftauchen eines amerikanischen Kriegsschiffes im Hafen Sulacos besiegelt.

Der englischstämmige Minenbesitzer Charles Gould hat die Mine mit Hilfe von amerikanischem Kapital zu einem prosperierenden Unternehmen entwickelt. Dieses Kapital stammt vom amerikanischen Millionär Holroyd, der über sein Engagement für die Mine von San Tomé in Sulaco sagt: »Wir können dasitzen und abwarten. Natürlich werden wir eines Tages eingreifen. Zwangsläufig. Aber das eilt nicht. (…) Wir werden über alles entscheiden: über die Industrie, den Handel, die Rechtsprechung, den Journalismus, die Kunst, die Politik, die Religion, von Kap Hoorn bis ganz hinauf zum Smith Sound und noch darüber hinaus, wenn am Nordpol irgendetwas zum Vorschein kommt, was zu holen es sich lohnt. (…) Wir werden die Geschäfte der Welt bestimmen, ob es ihr nun gefällt oder nicht. Die Welt kann es nicht ändern – und wir wohl auch nicht, denke ich.«

Die Figur des von protestantisch-christlichem Missionseifer besessenen Holroyd lässt Edward Said die »hellseherische Kraft« von »Nostromo« in der Vorhersage der US-Hegemonie sehen. »Ein Großteil der Rhetorik der ›Neuen Weltordnung‹ (…) könnte von Conrads Holroyd erfunden worden sein«, schreibt er und lobt bei Conrad die Einsicht, »dass der Imperialismus ein System ist«, wirft ihm aber zugleich »residuale imperialistische Neigungen« vor, die sich mit dem Blickwinkel seiner Romanfigur Holroyd deckten. (4)

Dagegen wäre zu klären, was Conrad unter imperialistischer Expansion verstand. Conrad fokussiert schon auf den ersten Blick die imperialistische Hegemonie keineswegs so auf den Aufstieg der USA, wie Said es gerne hätte. Holroyds amerikanisches Finanzkapital ist nur ein Faktor für den durch die Mine vermittelten Kapitalisierungsschub Sulacos, ebenso bedeutend ist die mit englischem Kapital betriebene Eisenbahnlinie. Und sie wird auch weit weniger personalisiert, als es der linke Antiimperialismus meist zu tun pflegt. Charles Gould bemerkt zu seiner Frau im Hinblick auf einen möglichen Absprung Holroyds bei politischen Schwierigkeiten: »Er muss vielleicht nachgeben (…), aber die großen Eisen- und Silberinteressen werden bleiben, und sie werden eines Tages Costaguana ebenso unter ihren Einfluss bekommen wie die ganze übrige Welt.«

Die »großen Eisen- und Silberinteressen« gehen über kapitalistische Ausbeutung durch imperialistische Fremdherrschaft hinaus. Sie werden synonym gebraucht für die »materiellen Interessen«, die sich als Schlüsselbegriff durch das gesamte Textsystem des Romans ziehen. Von den verschiedenen Bedeutungsschichten, die Conrad in diesen Begriff legt, wird zunächst ihre materielle Seite sichtbar gemacht: Das Silber steht als Geldware ebenso wie Gold für das allgemeine Wertäquivalent und die Zirkulationssphäre. Das Eisen lässt sich leicht als die Ende des 19. Jahrhunderts tragende Säule der Produktionsseite industriekapitalistischer Akkumulation identifizieren.

Die »Eisen- und Silberinteressen« stehen mithin auch für den sich im Verlauf des Romans vollziehenden Modernisierungsschub in Sulaco, das früher vom »einheimischen Handel mit Rindshäuten und Indigo« gelebt hat. Dass die »Eisen- und Silberinteressen« immer als Zwillingspaar durch den Text wandern, zeigt, dass Conrad die Kapitalsphären von Produktion und Zirkulation als untrennbaren Zusammenhang sieht und tendenziell antisemitischen Fixierungen auf die Zirkulation als Ort kapitalistischer Ausbeutung durch »Zinswucher« etc. eher fern steht. Darüber hinaus wird die kapitalistische Macht von ihren Akteuren getrennt – Holroyd »muss vielleicht nachgeben«, die »großen Eisen- und Silberinteressen werden bleiben« – und bleibt so als unpersönlicher, abstrakt vermittelter Weltmarktzusammenhang dechiffrierbar.

Fetischismus

Das symbolische Zentrum von »Nostromo« ist das »Silber der Mine«. Um das Silberbergwerk und sein Produkt drehen sich alle Interessenkonflikte der Personen und politischen Gruppen. Das Silber ist »das Symbol der überragenden Wichtigkeit der materiellen Interessen«. Es entwendet den Akteuren ihre eigene Geschichte und lässt sie wie verdinglichte Marionetten erscheinen. »Conrad betont immer wieder seine natürliche Unkorrumpierbarkeit«, schreibt Günter Walch in seinem Nachwort zum Roman über die Bedeutung des Silbers, um auf die moralische Indifferenz der durch die Mine verkörperten materiellen Interessen hinzuweisen. Protagonisten wie Charles Gould geraten gerade durch ihre hohen, aber abstrakten gesellschaftlichen und moralischen Ideale unter den Bann des Silbers.

Conrad charakterisiert die dem Silber beigemessene Bedeutung als Fetischismus. Die indianischen Arbeiter der Mine verehren sie, »als wäre sie ein Fetisch, den sie mit eigenen Händen hergestellt hatten, denn sie waren unwissend und unterschieden sich in anderer Hinsicht nicht sonderlich von der übrigen Menschheit, die unendliches Vertrauen in ihre eigenen Schöpfungen setzt«. Man könnte hier wegen der »unwissenden« Indianer Rassismus argwöhnen. Aber Conrad betont, dass sie sich in ihrem fetischistischen Verhältnis zu ihren »eigenen Schöpfungen« gerade nicht vom Rest der Menschheit unterscheiden.

Charles Gould ist die idealistische Ideologie des liberalen Glücksversprechens in Person. Während seiner Ausbildungsjahre in Europa wurde er von Ferne Zeuge, wie unter dem Fluch der Mine sein Vater zugrunde ging. Diesem war sie in verfallenem Zustand von einer der diktatorischen Regierungen Costaguanas als »Konzession auf alle Ewigkeit« mit dem einzigen Ziel aufgenötigt worden, ihn durch horrende Steuern auf zu erwartende Gewinne regelrecht ausquetschen zu können. Der Vater weigerte sich, die Mine wieder in Betrieb zu nehmen, und beschwor seinen Sohn in zahllosen Briefen, nie nach Costaguana zurückzukehren und die Konzession anzutreten.

Nach dem Tod seines gramgebeugten Vaters will Charles diese Schmach durch eine erfolgreiche Wiederinbetriebnahme der Mine vergelten. Durch diese Rebellion wider das Gebot des Vaters gerät er selber unter den »Zauber der San-Tomé-Mine«. Er entwickelt »eine andere Art von Besessenheit, (…) in deren magischer Formel Hoffnung, Kraft und Selbstvertrauen zum Ausdruck kamen statt müder Verzweiflung und Empörung«. In seinem Idealismus glaubt Charles Gould daran, dass ein Erfolg der Silbermine zugleich die korrupten, gewalttätigen und sozial ungerechten Verhältnisse verbessern müsse: »Was hier fehlt, ist Gesetzlichkeit, Redlichkeit, Ordnung, Sicherheit. Jeder kann darüber schöne Reden halten, aber ich setze mein Vertrauen in materielle Interessen. Lass die materiellen Interessen erst einmal festen Fuß fassen, dann setzen sie auch zwangsläufig die Bedingungen durch, unter denen allein sie weiter bestehen können. So ist das Geldverdienen angesichts der Gesetzlosigkeit und der Unordnung hier gerechtfertigt. Es ist deshalb gerechtfertigt, weil die Sicherheit, die es erfordert, mit einem unterdrückten Volk geteilt werden muss. Eine bessere Gerechtigkeit wird folgen.«

Der Erfolg des Minenunternehmers scheint dieses liberalistische Credo zu bestätigen. Dass er seinen Aufstieg zum reichen Minenbesitzer und heimlichen »Rey de Sulaco« mit Bestechungen in der Hauptstadt Costaguanas befördern muss, beeinträchtigt sein Weltbild kaum. Er setzt sogar mit Hilfe einer diskreten Finanzspritze Holroyds die Machtergreifung des reformwilligen »Präsident-Diktators« Ribeira von der Blanco-Partei durch. Dass Ribeira eine Marionette des internationalen Kapitals ist, unterstreicht Conrad durch den ebenso deutlichen wie aktuell anmutenden Hinweis, dass ihm die Machtübernahme nur gestattet wurde, weil er bereit ist, die Auslandsschulden Costaguanas zu bedienen.

Marx und Conrad

Und so treten Ribeiras Kriegsminister Montero und dessen Bruder als Führer eines putschistischen Aufstands auf den Plan. Mit populistisch-nationalistischen Parolen wird die Straße mobilisiert. Jameson macht hier einen subtilen Rassismus bei Conrad aus, der sich in einer Gegenüberstellung des sympathisierend gezeichneten Bildes des europäischen sozialrevolutionären Populismus, repräsentiert durch Viola und sein Ideal Garibaldi, und der negativen Charakterisierung des einheimischen Populismus der Monteros ausdrücke. (5) Dabei überliest er einen entscheidenden Punkt von Conrads Charakterisierung dieses Populismus, nämlich die Selbstdefinition der Montero-Politik als »Cäsarismus: die kaiserliche Herrschaft, die auf der unmittelbaren Volksabstimmung« fußt.

Jameson ignoriert das europäische Vorbild, welches die Montero-Brüder begeistert nachzuahmen trachten, und damit wohl auch die eigentliche Zielscheibe von Conrads Kritik: der Staatsstreich Napoleons III., den Marx in seinem »18. Brumaire des Louis Bonaparte« untersucht hat. Vor allem der mit seinem Heer in Sulaco eingefallene kleinere Montero-Bruder eifert dem Vorbild des Duc de Morny nach, dem durch die Ausnutzung der Staatsmacht zur exzessiven Bereicherung berüchtigt gewordenen Halbbruder des Louis Bonaparte. Die monteristischen Agitatoren ergehen sich derweil in primitiven antiimperialistischen Parolen, die rasch in den Ruf zum Pogrom gegen alle Ausländer in Sulaco übergehen.

Als die dank Ribeiro gewonnene Stabilität und Prosperität in Sulaco durch die populistische »Revolution« der Montero-Brüder bedroht wird, zeigt sich, wie sehr seine Silbermine für Charles Gould zur fixen Idee geworden ist. Nicht nur, dass er zur Rettung seines Besitzes einen separatistischen Bürgerkrieg anzettelt. Er will sie sogar notfalls als »letzte Trumpfkarte« ohne Rücksicht auf Verluste zerstören und phantasiert davon, »halb Sulaco in die Luft zu sprengen, wenn ich es wollte«. Spätestens hier erweist sich auch Charles Gould mit seinem Idealismus, der aber die Mittel über die Zwecke stellt, als eine abgemilderte Variante der zerstörerischen Ambivalenz des größenwahnsinnigen Mr. Kurtz aus »Herz der Finsternis«. Hinter dieser Verkehrung steht kein Charaktermangel Goulds, sondern seine unerbittliche Disziplinierung durch die Logik des Wertes: »Das kapitalistische Ziel der Produktion aber ist absolut vorgegeben und es ist paradoxerweise nur ein Mittel: wenn auch eines, das außer sich selbst keinen Zweck hat.« (6)

Dieser Prozess wird im Roman vor allem durch die Figur von Charles Goulds Frau Emilia immer wieder verdeutlicht, welche die mit der ökonomischen Expansion der Mine einhergehende »Versteinerung« ihres Gatten als Entfremdung und Verlust ihres Liebes- und Eheglücks erleidet. Der Einfluss der materiellen Interessen auf die handelnden Subjekte und ihre gesellschaftlichen Beziehungen wird dabei immer wieder als fetischistischer Prozess der Verdinglichung thematisiert: »Voller böser Ahnungen hatte sie zugesehen, wie sie (die Mine) sich in einen Fetisch verwandelte, und jetzt war der Fetisch zu einer ungeheuren, erdrückenden Last geworden. Es war, als sei die Begeisterung ihrer jungen Jahre aus ihrem Herzen gewichen und habe sich in eine Mauer aus Silberbarren verwandelt, die böse Geister in stummer Arbeit zwischen ihr und ihrem Mann errichtet hatten.« Am Ende beklagt sie, er sei »unverbesserlich in seinem harten, entschlossenen Dienst an den materiellen Interessen, die für ihn mit seinem Glauben an den Sieg von Ordnung und Gerechtigkeit verknüpft waren«.

Der »harte, entschlossene Dienst an den materiellen Interessen« ist es, was vom liberalen Glücksversprechen übrig bleibt und das bürgerliche Subjekt in Gestalt des Charles Gould aus sich selbst und aus dem Ort möglicher Glückserfahrung vertreibt. Gewiss lässt sich der von Conrad verwendete Fetischbegriff nicht einfach mit dem von Marx im Warenfetischkapitel des »Kapital« entwickelten gleichsetzen. Doch wachsen bei Conrad auf ähnliche Weise dem Silber vermittels des Wertes okkulte Qualitäten zu, die eine verrückte Herrschaft der Dinge über die Menschen zu bewirken scheinen.

Auch eine Figur wie Martin Decoud, die mit ihrem Skeptizismus und Zynismus einen Kontrapunkt zu Goulds Interessenidealismus darstellt, verweist auf einen semantischen Zusammenhang von Melancholie, Leere, metaphorischem Exil und den materiellen Interessen. In seiner Pariser Diaspora hatte Decoud die politischen Vorgänge in seiner Heimat als »komische Oper« und »une farce macabre« verspottet. Es wirkt also von vornherein eigenartig, dass der Spötter Decoud sich auf ein politisches Abenteuer in Sulaco einlässt und zum Chefpropagandisten der um die Mine gruppierten politischen Kräfte gegen die Montero-Putschisten wird. Am Ende ist ausgerechnet er es, der den Plan der Separation Sulacos von Costaguana entwickelt.

Als Sulaco von der Einnahme durch monteristische Truppen bedroht ist, unternimmt er zusammen mit Nostromo die im Roman zentrale »heroische Expedition« (Jameson) auf die im »Golfo Placido« gelegenen Isabellen-Inseln, wo eine zuvor im Hafen gelagerte große Silberladung versteckt wird. Nachdem der Leichter beim Zusammenstoß mit einem Dampfer voller monteristischer Truppen beinahe versenkt wurde, bleibt Decoud allein mit dem knapp geretteten Silber auf der großen Isabel-Insel inmitten des stillen Golfes zurück.

Schließlich wird der intellektuelle Skeptiker von einem existenziellen Horror vacui befallen. »Eine Einsamkeit, die sich aus rein äußerlichen Lebensumständen ergibt, wird rasch zu einem Seelenzustand, in dem gespielte Ironie und Skeptizismus keinen Platz mehr haben. Sie bemächtigt sich des Gemüts und vertreibt das Denken in das Exil völligen Unglaubens. Nachdem er drei Tage auf den Anblick irgendeines menschlichen Gesichts gewartet hatte, ertappte sich Decoud beim Zweifel an seiner eigenen Individualität. Sie war mit dieser Welt aus Wolken und Wasser, aus Naturkräften und -formen zusammengeflossen. Allein nur unsere Tätigkeit gibt uns die Illusion, die uns aufrechterhält, daß wir im Gesamtplan der Dinge, in dem wir ein hilfloser Teil sind, ein unabhängiges Dasein führen.«

Es ist wiederum die Konfrontation mit einer unendlichen und sinnentleerten Natur, welche die Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines persönlichen und politischen Handelns ins Unermessliche steigen lässt und Decoud aus sich selbst in das »Exil völligen Unglaubens« vertreibt. In diesem seelischen Zustand »senkte sich eine unendliche Melancholie fast greifbar auf ihn herab. (…) Er betrachtete das Universum als eine Folge unverständlicher Bilder.«

Die letzte Konsequenz aus dieser unentrinnbaren Melancholie ist schließlich der in Decoud übermächtig werdende Gedanke an Selbstmord. Conrad lässt ihn in einem von den Registern der Sinneswahrnehmung abgeleiteten Bild, aus der »Stille, die vor ihm lag, straff gespannt wie ein dunkles, dünnes Seil, an dem er hing«, gleichsam selbsttätig aufsteigen. Und so lässt Conrad seinen tragischen Zweifler Decoud sich die Taschen mit Silberbarren vollstopfen, mit dem von Nostromo für ihn zurückgelassenen Beiboot des Leichters ein Stück auf den Golf hinausrudern und sich erschießen: So »verschwand der glänzende Don Martin Decoud, ohne eine Spur zu hinterlassen, beschwert durch die Silberbarren von San Tomé, von der ungeheuren Gleichgültigkeit der Dinge verschlungen«.

Der von Decoud als spurloses Verschwinden inszenierte Selbstmord wird zu einer düsteren und flackernden Allegorie, in der Conrad seine Desillusionierung über die Naturverfallenheit des Menschen angesichts eines leeren, unbeseelten Universums zusammenschießen lässt mit einer Kritik am Kapitalismus und dem auf ihn gegründeten Glauben an historischen Fortschritt. Indem er den fetischistischen »Zauber all des Silbers« auf dessen rein stoffliche Eigenschaft reduziert, die Decoud als Senkblei benutzt, um seinen eigenen Körper verschwinden zu lassen, entmystifiziert Conrad zugleich die reale Abstraktion des Werts als zweite Natur, die den handelnden Subjekten mit der gleichen Leere und »ungeheuren Gleichgültigkeit der Dinge« gegenübertritt wie die erste.

Señor Hirsch

Señor Hirsch ist ein jüdischer Händler von Rindshäuten, der durch eine Verkettung unglücklicher und grotesker Zufälle in die kriegerischen Ereignisse um das Silber der Mine gerät. Er gehört zu den umstrittensten Figuren Conrads, was antisemitische Tendenzen betrifft. Bereits bei seinem Eintritt in die Handlung wird Hirsch durch negative »jüdische« Stereotype charakterisiert. Der »kleine hakennasige Mann aus Esmeralda« »entstellte (…) durch einen bangen, jammernden Ton die klangvolle spanische Sprache, die er rasch daherplapperte wie einen unterwürfigen Jargon«.

Damit ist auch schon das wesentliche Charakteristikum dieser Figur angesprochen: Señor Hirsch hat Angst. Er ist um die Folgen der politischen Auseinandersetzungen für sein Geschäft besorgt und biedert sich vergeblich beim mächtigen Minenbesitzer Gould an. Vor allem aber bangt er um sein Leben. Hirsch wird als Unglücksrabe dargestellt, der durch seine Angst und Feigheit das Verderben auf sich zieht. Erst versteckt er sich vor den beim Einfall der Monteristen in Sulaco ausbrechenden Schießereien ausgerechnet in dem silberbeladenen Leichter, mit dem Nostromo und Decoud auslaufen. Dann »rettet« er sich beim Zusammenstoß des Leichters auch noch auf den Dampfer voller monteristischer Soldaten und landet direkt in den Händen des Schlächters Oberst Sotillo.

So scheint die Inszenierung Hirschs als schwächlicher und ängstlicher jüdischer Händler, der durch seine Feigheit zum idealen Opferlamm wird, auf den ersten Blick einer antisemitischen Dramaturgie zu folgen. Aber dieser Befund wird relativiert, wenn wir diese Figur auf zentrale Topoi des modernen Antisemitismus abklopfen, die auch in der Literatur immer wieder dazu führen, Juden mit Geld und der Zirkulationssphäre als abstrakter Seite des Kapitalverhältnisses zu assoziieren. (7) Hirsch ist zwar Händler, aber er repräsentiert das »alte«, noch nicht durch die Silbermine modernisierte Sulaco. Als mit Rindshäuten Handel treibender Kleinunternehmer steht er für die einfache Reproduktion des Kapitals, während Gould als selbstbewusster Industriekapitän die erweiterte Reproduktion repräsentiert; er lässt Hirsch mit seinem Hilfeersuchen entsprechend arrogant und kalt auflaufen. Schließlich führt der geradezu buchstäbliche Zusammenprall mit dem Silber als Fetisch und Symbol der entfalteten Kapitalmacht zum grausamen Tod Hirschs.

Dabei tritt sein Peiniger Oberst Sotillo als klassischer Antisemit auf. Er weiß vom Silberschatz und will dem Bericht des ahnungslosen und nach seiner »Rettung« verängstigten Hirsch nicht glauben, dass sein Dampfer den Leichter samt Silber versenkt habe. Er steigert sich in die Wahnidee, das Silber müsse immer noch irgendwo in Sulaco versteckt sein, und phantasiert sich eine Komplizenschaft Hirschs zusammen: »Der Jude (…) wusste, wo das Silber verborgen lag, und hatte in seiner jüdischen Schlauheit diese Geschichte erfunden.« Sotillo, dessen »Mangel an sittlichem Gefühl« sarkastisch als »vollständig und unschuldig« beschrieben wird, foltert Hirsch und brüllt schließlich, mit einer Peitsche auf ihn einschlagend: »Sprich, du jüdischer Teufelssohn! Das Silber! (…) Wo habt ihr ausländischen Gauner es versteckt?«

Hirschs Ende ist eine rehabilitierende Geste Conrads gegenüber der zuvor aufgebauten Feigheit dieses Charakters: Hirsch bäumt sich mit letzter Kraft auf, »und während Sotillo (…) darauf wartete, dass er sprach, grinste er plötzlich blitzhaft, zwang die verrenkten Schultern zusammen und spie dem Oberst heftig ins Gesicht«. Woraufhin Sotillo ihn im Affekt erschießt und demoralisiert seine Truppen abzieht.

Sotillo trägt alle Züge eines Prototyps des modernen Antisemiten und faschistischen Folterers, des »als Subjekt losgelassenen« Nicht-Subjekts. (8) Die zunächst als Charakterschwäche aufgebaute Angst des jüdischen Händlers beim Kontakt mit den durch die Silbermine verursachten gesellschaftlichen Krisen erweist sich dagegen als nur allzu berechtigt. In einer solchen Lesart kann es tatsächlich der »politisch prophetischen Qualität« von Conrads Text zugerechnet werden, etwas von dem drohenden Vernichtungspotenzial des Antisemitismus in den Krisen kapitalistischer Modernisierung geahnt zu haben. (9)

Doch es bleibt ein zwiespältiger Eindruck von Conrads Zeichnung dieser Figur. Er konnte wohl bei aller Humanität nicht der Versuchung widerstehen, sein Publikum ästhetisch dadurch auf Distanz zum »Opferlamm« Hirsch zu bringen, dass er auf eine Stereotypisierung gemäß den bei seinen Zeitgenossen zu erwartenden antisemitischen Ressentiments zurückgriff.

Ein Titelheld am Rande

Auch beim Titelhelden Nostromo bricht Conrad mit der Tradition des bürgerlichen Entwicklungsromans, indem er ihn nicht ins Zentrum der Handlung stellt. Nostromo ist ein Mittler der abstrakten Fetischmacht des Silbers, über das er mit all seinen Silberknöpfen und -ringen ebenso seine Identität gewinnt wie durch sein Image der Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit als »Mann des Volkes« im Dienst der Mächtigen.

Nostromo bezieht seine Identität rein äußerlich aus seinem guten Ruf und dem Prestige körperlicher Stärke. Unter dieser Schale aber ist der Kern hohl, genauso abstrakt und hohl wie die materiellen Interessen, denen er dient. Nostromo erkennt am Ende seine Instrumentalisierung durch die Mächtigen: »Sie halten uns und treiben uns wie die Hunde, die geboren werden, um für sie zu kämpfen und zu jagen.« Als er beschließt, sich gegen sie zu wenden und den Silberschatz zu stehlen, dessen Versteck nach Decouds Tod nur er noch kennt, nimmt die Herr-Knecht-Dialektik dieser Figur eine fatale Wendung. Nostromo gerät selbst unmittelbar unter den fetischistischen Bann des Schatzes und wird zu seinem »treuen lebenslänglichen Sklaven«.

Er weiß, dass er »nur sehr langsam reich werden« darf , wenn er den Diebstahl nicht verraten will. Und so baut er sich, statt durch seine Beute ein Leben in Luxus zu genießen, langsam eine bürgerliche Scheinexistenz als Handelskapitän an der Küste auf und holt nach und nach einzelne Silberbarren zum heimlichen Verkauf. Äußerlich ist er erfolgreich und wird bewundert. Aber sein Identitätsverlust vertieft sich, und er verwandelt sich durch seine Fixierung auf den Schatz in ein Double von Gould. »Die Echtheit aller seiner Eigenschaften war dahin. Er spürte es selbst und verfluchte häufig das Silber (…) – alles war wie zuvor, nur war alles eine Vorspiegelung. Der Schatz aber war wirklich. Er klammerte sich im Geist immer hartnäckiger daran.«

Die bittere Ironie, dass seine erste selbständige Handlung, der Treuebruch gegenüber seinen Herren, Nostromo erst recht an die »materiellen Interessen« gekettet hat, wird von Conrad noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass er jetzt wieder seinen richtigen Namen trägt; er ist nun Kapitän Fidanza, das italienische Wort für »Vertrauen, Treue«. Es entbehrt auch nicht der Doppeldeutigkeit, dass Nostromo als Kapitän Fidanza an die politischen Ideale seines Ziehvaters Viola anknüpft und die im modernisierten Sulaco aufkommenden sozialrevolutionären Bewegungen unterstützt. Doch »der wohlhabende Genosse Fidanza, der allgemeines Vertrauen genießt und der das Wissen um seinen moralischen Verfall in seiner Brust verschließt«, kann dort keine Führungsrolle übernehmen.

Das Ende Nostromos ist auf groteske und symbolische Weise mit dem Schatz verbunden. Der alte Viola ist mit seinen Töchtern auf Vorschlag Nostromos als Wächter eines von Mitchells Schiffsgesellschaft erbauten Leuchtturms auf die Isabel gezogen – dieser Schachzug erlaubt Nostromo häufige Besuche auf der Insel bei den Violas, die er nutzt, um heimlich weitere Silberbarren abzuholen. Der eifersüchtig auf die »Familienehre« fixierte Viola hat eine seiner Töchter als Ehefrau für Nostromo ausersehen. Als dieser nachts wieder Silber aus dem Versteck auf der Insel holen will, verwechselt ihn der sehschwache Viola mit einem anderen Freier, dem er die Insel zu betreten verbot, und erschießt ihn. Violas Familienehre erweist sich als ebenso tyrannisch und seelenlos wie die Abstraktion der materiellen Interessen, er wird gewissermaßen zur Nemesis des vormodernen Ehrbegriffes an dem armen Nostromo, der sich den materiellen Interessen ausgeliefert hat.

Conrad gab individuellen humanistischen Werten wie Treue, Mitgefühl und Freundschaft, »Gedanken von einer Einfachheit, dass sie so alt sein müssen wie die Berge«, als Potenzial zur Humanisierung der Welt den Vorzug vor der kollektiven sozialen Aktion. Doch wenn in Conrads Geschichtsbild keine Möglichkeit sozialer Revolution zu bestehen scheint, bedeutet das auch, dass ihm bei aller Kritik des auf die zivilisatorische Kraft der »materiellen Interessen« gegründeten Fortschrittsoptimismus doch die kapitalistische als die beste aller möglichen Welten erschien? Für viele Linke scheint dies ausgemacht.

»Nostromo« zeigt zwar trotz der am Ende auftauchenden, gegenüber dem Montero-Populismus durchaus positiv konnotierten Klassenkämpfe eine zumindest ambivalente, wenn nicht pessimistische Haltung Conrads gegenüber der Möglichkeit emanzipatorischer Gesellschaftsveränderung. Doch gerade durch seinen viel gescholtenen »Eurozentrismus« vermag er darzustellen, wie Europa seine Geschichte den außereuropäischen Gesellschaften als Katastrophengeschichte aufgeherrscht hat und dass die Dialektik dieser Geschichte durch die abstrakte Macht der »materiellen Interessen« vermittelt ist.

Am eindrucksvollsten aber ist Conrads literarische Dramatisierung eines Prozesses der Verdinglichung und Fetischisierung, der die Subjekte aus sich selbst und ihrer eigenen Geschichte vertreibt. Gerade auf dieser Ebene zeigt er sich als Kapitalismuskritiker seinen linken und antiimperialistischen Kritikern oft überlegen. Seine pessimistische Absage an positive Geschichtsphilosophie kündigt an, was Adorno über den gut 50 Jahre später schreibenden Beckett sagt: »Philosophischen Apologeten mag sein œuvre als anthropologischer Entwurf behagen. Aber es gilt höchst konkreten geschichtlichen Sachverhalten: der Abdankung des Subjekts.« (10) In diesem Sinne konnte Conrad zu Recht beanspruchen, schriftstellerische Fiktion sei »näher an der Wahrheit« menschlicher Geschichte als die positive Geschichtswissenschaft. (11)

Der Dossiertext ist die gekürzte und überarbeitete Fassung eines Aufsatzes, der vollständig im Oktober erscheint. In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Fluchtlinien des Exils, Unrast Verlag, Münster.

Anmerkungen

Alle Zitate Conrads nach: Joseph Conrad: Nostromo. Berlin 1983.

(1) Edward W. Said: Kultur und Imperialismus. Frankfurt 1994, S. 21f.

(2) Brigitte Kronauer: Zweideutigkeit – Essays und Skizzen. Stuttgart 2002. S. 96f.

(3) Joseph Conrad: A personal Record. Quelle: http://www.pinkmonkey.com/dl/library1/digi493.pdf, S.7.

(4) Said, a.a.O., S. 22f.

(5) Frederic Jameson: Das politische Unbewusste. Hamburg 1988, S. 262, 265f.

(6) Moishe Postone: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft. Freiburg 2003, S. 282.

(7) Vgl. Gerhard Scheit: Verborgener Staat, lebendiges Geld. Freiburg 1999; Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus. In: Michael Werz (Hg.): Antisemitismus und Gesellschaft. Frankfurt 1995, S. 29-44.

(8) Vgl. Max Horkheimer/ Theodor W Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt 1988., S. 180.

(9) Vgl Cedric Watts: Joseph Conrad: Nostromo. London/New York 1990, S. 87.

(10) Theodor W. Adorno: Zur Dialektik des Engagements. Frankfurt 1973, S. 24.

(11) Joseph Conrad: Notes on Life and Letters. Pennsylvania State University, Electronic Classics Series, 2001, Quelle: http://www.hn.psu.edu/faculty/jmanis/josephconrad.htm.