Rolli und Barbourjacke

Die dritte Ausgabe des Magazins Monopol liegt am Kiosk. Es geht um »Kunst und Leben«, um was denn auch sonst? von nadja geer

Wenn man sich »Generation Golf«, den Bestseller des Journalisten Florian Illies, noch einmal zur Hand nimmt, wird einem flau im Magen. Waren das die achtziger Jahre? Waren wir da wirklich so? Haben wir uns das »Aids-Schleifchen« nur an die Barbourjacke geheftet, weil es gut aussah?

Nein. Oder, wie man heute sagt: Nicht wirklich. Wir wussten noch nicht einmal, was eine Barbourjacke ist. Und auch Illies, jede Wette, hat die Signifikanz der gewachsten Sportjacke erst in Christian Krachts »Faserland« nachgelesen, bevor er – oder sein Lektor – eben diese Kombination: Aids-Schleife an Barbourjacke, zum scheinheiligsten Symbol unter vielen Scheinsymbolen hochstilisierte.

Und jetzt? Sechs Jahre später? Gibt Illies eine Zeitschrift heraus. Monopol heißt sie und ist ein »Magazin für Kunst und Leben«. Trägt man jetzt vielleicht, als junger Bürger, die Kunst ebenso am Revers wie zehn Jahre zuvor die Aids-Schleife? Weil sie gut aussieht?

Einiges spricht dafür. Zum Beispiel der hübsche Satz der Mitherausgeberin – und Illies-Gattin – Amélie von Heydebreck: »Es gehört heute wenig Mut dazu, Schrilles und Hässliches zu zeigen. Schönheit und Sinnlichkeit sind vielleicht die neue Avantgarde.« Wow! Der Rollback als die schickste Form der Rebellion – fast so schick wie ein Rolli. Und was ist mit der Kunst? Dem letzten gesellschaftlich sanktionierten Raum für Autodestruktion, Trash, Dada, Tod? Hinweggefegt vom Markt. Ach nein, der heißt ja heutzutage »Leben«.

Was können wir noch lernen, wenn wir Monopol lesen, dessen dritte Ausgabe gerade erschienen ist? Dass Kaufen glücklich macht. Selten wurde das so frei von der Leber weg formuliert wie vom Herausgeber persönlich. Wir zitieren: »... kaufen schließlich. Und sind glücklich.«

Schön. Was nur die Stimmungslage einiger sehr betuchter Kunstsammler charakterisieren soll, könnte als Slogan der ins Alter gekommenen Generation Golf herhalten. Kaufen schließlich. Und sind glücklich. Wie das rollt. Ganz rund und zufrieden hört sich das an – Satzbau und Aussage bilden gewissermaßen eine Liegefläche. Ein teures Kanapee der Firma Lignet Roset.

Dort ruht die Generation Golf in Frieden – legt sich mental ein wenig ab. Richtet sich stylish ein – in den Denkgebäuden ihrer Großeltern.

Wer draußen bleiben muss? Natürlich und zuerst einmal die 68er. Die Gesamtschullehrer und die arbeitslosen Ossis. Die Alten, die Hässlichen und die Kranken. Die Christen, die Sozialdemokraten und die linke Politik: Wir müssen leider draußen bleiben. Rein darf dafür: der alte Adel, globale Highsociety, Pop, Models, Kapital – und der Kumpel.

In einem Interview mit der Welt gibt Illies an, Mittdreißiger unterstützen zu wollen, die »auf der Suche nach Sinn stiftenden Werten plötzlich nach der Kunst greifen«. Wenn Kunst zur Sinnstiftung gebraucht werden soll, liegt es nahe, dass Illies »Wert« doppelt codiert. Der »Sinn stiftende« Wert kann sich schnell im materiellen Wert des Kunstwerks materialisieren. Der millionenschwere Baselitz wird dann zum Symbol des eigenen symbolischen Kapitals.

Wir haben jetzt also die oben erwähnten Interessensgebiete, dazu Besitz und Sinn – jetzt fehlt es nur noch an Bildung, damit das junge Bürgertum für die Zukunft gesichert und durch die Tradition geerdet ist. Das Prinzip »Bildung« hat die Generation Golf erneuert – vielleicht das einzige, was sie erneuert hat: Netzwerkbildung, das ist es, was der junge ehrgeizige Mensch von heute kennen muss. Er muss wissen, wo seine Lobby sitzt und wer seine Ansichten teilt. Er muss erkennen, wen er wo unterstützen muss, um im Gegenzug von ihm unterstützt zu werden. Er muss lernen, wen er bashen kann, weil der ihm sowieso nie mehr schadet. Das Curriculum des Lebens im 21. Jahrhundert hat ein paar Fächer dazu erhalten. Wer darauf das Monopol hat? Dreimal darf geraten werden.