Schablonengraffiti

Stencil Art – eine neue Kunstform erhebt sich aus dem Untergrund. von adrian pohr

Ein neues Phänomen geht in der Hauptstadt um. Das Straßenbild Berlins hat sich seit dem letzten Jahr in vielen Stadtvierteln stark verändert. Nicht Werbetafeln dominieren die Umgebung, auch kleine Kunstwerke an Häuserwänden gesellen sich zu ihnen, genannt Street Art.

Street Art bedeutet, dass Künstler ihre Werke direkt auf der Straße exponieren, sie in den Ausstellungsort direkt integrieren. Man findet diese Arbeiten insbesondere an Mauern in den Trendbezirken Kreuzberg-Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Auf ihnen werden beispielsweise gesellschaftskritische Töne laut, George W. Bush wird als Micky Maus karikiert, Stars wie Isaac Hayes oder Muhammad Ali werden zu Ikonen erhoben, oder einfache Alltagsgeschichten erzählt.

Eine Subform der Street Art ist die Stencil Art. Die Informatikstudentin und Abolin etwa, die seit einem Jahr Stencil-Kunst anfertigt, zerlegt ein gewähltes Motiv am Computer in einzelne Farbschichten. Anschließend schneidet sie die ausgedruckten Vorlagen exakt aus, um später mit Hilfe der so entstandenen Schablonen das Gesamtbild zu malen oder zu sprühen.

Die Stencil Art-Szene, deren Ursprung auf die frühen achtziger Jahre in Paris und New York datiert wird, begann vor ein bis zwei Jahren weltweit im Untergrund zu brodeln. Hierzulande konnten Stencil Artists wie Abolin bislang nur illegal nachts die Straßen mit ihrer Kunst verschönern bzw. verschandeln, je nach Blickwinkel. Die Behörden werten die ästhetische Diversifizierung des Straßenbildes natürlich als Sachbeschädigung. Daher mieden die Künstler bislang öffentliche Auftritte wie Vampire das Tageslicht.

Aus der nächtlichen Verborgenheit tauchen die Schablonenkünstler nun erstmals in Deutschland mit einer eigenen Ausstellung im Parkhaus Zentrum Kreuzberg am Kottbusser Tor in Berlin auf. Seit letzter Woche präsentieren etwa 20 junge Kreative aus allen Ecken der Welt zehn Tage lang ihre Werke. Viele der Künstler begegnen sich dabei zum ersten Mal, obwohl die meisten an der jetzt erschienenen Erstausgabe von Overspray, dem ersten Stencil-Magazin der Welt, beteiligt waren. Kennengelernt haben sie sich über das Forum www.stencilrevolution.com im Internet.

Zur gleichen Zeit arbeiten auch einige andere Street Art-Künstler ausnahmsweise außerhalb des Untergrunds. Ebenfalls in Berlin, am Helmholtzplatz, organisierten der Berliner Nomad und die Isländerin Miss Riel das Projekt »GATA – the gathering«. Dabei wurde von Straßenkünstlern aus ganz Europa das Platzhaus e.V., ein gemeinnütziges Vereinshaus, komplett mit Figuren bemalt bzw. besprüht.

Wie auch bei den Overspray-Ausstellern war Nomads Intention beim Helmholtz-Platz-Projekt, Möglichkeiten zu schaffen, verschiedene, ansonsten verstreut arbeitende Künstler und deren Stile kennen zu lernen. Dabei haben alle »Street Artists« in Nomads Augen zumindest die gleiche Motivation gemein: »In dieser überinformierten Welt versucht jeder von uns einfach, seine eigenen Informationsspuren zu hinterlassen.«

»Overspray«. Im Parkhaus des Zentrums Kreuzberg, Berlin. Bis zum 7. September