Unter schwarzer Sonne

Die Wewelsburg wurde von der SS als Kult- und Schulungsstätte benutzt. Neonazis und Esoteriker sind heute noch von ihr begeistert. Kein schöner Land III. von axel klingenberg

Die Männer auf der Bühne tragen schwarze Stiefel, schwarze Hosen, schwarze Hemden und Sonnenbrillen, dazu Spaten und eine Fahne mit einem seltsamen Symbol. Bei näherem Hinsehen ist zu erkennen, dass es sich um zwölf in einem Kreis angeordnete Sig-Runen, das Symbol der Hitlerjugend und der SS, handelt. Dies lässt vermuten, dass die Spaten eine Anspielung auf den Reichsarbeitsdienst sind.

»Von Thronstahl« heißt die Band, und sie ist nicht die einzige Musikgruppe aus der Grauzone zwischen Rechtsrock und Gothic, welche die so genannte »Schwarze Sonne« benutzt. Das Vorbild hierfür findet sich auf der Wewelsburg in der Nähe von Paderborn, die während der Nazizeit der SS als Kult- und Schulungsstätte diente.

»Ich bewundere die Welt der indischen Religionsstifter, die von ihren Königen und höchsten Würdenträgern verlangten, dass sie sich jedes Jahr für zwei bis drei Monate zur Meditation in ein Kloster zurückzogen. Solche Einrichtungen werden wir auch schaffen«, schrieb Heinrich Himmler 1933 in einem Brief an seinen Arzt Felix Kersten. Er entschied sich dafür, die Wewelsburg bei Paderborn zu diesem Zwecke auszubauen.

Die Burg liegt nicht nur in der Gegend, in der der Cheruskerfürst Arminius im Jahre 9 n.Chr. mehrere römische Legionen vernichtend schlug, woran noch heute das 1875 gebaute »Hermannsdenkmal« erinnert, sondern auch in der Nähe der Externsteine, die esoterischen, neuheidnischen und faschistischen Gruppen als Kultobjekt für vermeintliche religiöse Traditionen aus wahlweise keltischer, germanischer oder »naturreligiöser« Zeit gelten.

Am 22. September 1934 wurde die Wewelsburg feierlich der SS übergeben. Ihre Bibliothek enthielt 16 000 Bände mit den Schwerpunkten Frühgeschichte, Volkskunde, Kunst, Literatur und Mythologie, davon allein 400 Bücher über die Hermannsschlacht. Die Studierzimmer trugen Namen wie »Widukind« nach dem von Karl dem Großen besiegten sächsischen Herzog und »Heinrich der Löwe«, der als »Kolonisator des slawischen Ostens« angesehen wurde, sowie »König Arthur« und »Gral«. Auch diese Namen verwundern nicht, bezog sich doch bereits der Komponist Richard Wagner in seinem Werk »Parsifal« auf den Gralsmythos, was die völkische Szene nachhaltig beeindruckte. Hitler verkündete: »Aus dem ›Parsifal‹ baue ich mir meine Religion.«

Bis 1938 wurden die vorbereitenden Arbeiten auf der Wewelsburg vom Reichsarbeitsdienst geleistet, ab 1939 wurden KZ-Häftlinge eingesetzt. Unter ihnen waren relativ viele Zeugen Jehovas. Von den 3 300 dort untergebrachten Häftlingen starben 1 300 bei den Arbeiten. Der Transport der Leichen in die Krematorien nach Bielefeld-Brackwede und Dortmund erregte Aufsehen in der Bevölkerung, sodass 1942 auf dem Gelände der Wewelsburg ein eigenes Krematorium errichtet wurde. Schon während der Reichsprogromnacht 1938 wurden 20 Juden aus der Umgebung im »Hexenkeller« interniert und anschließend ins KZ Buchenwald gebracht.

Der größte Teil der Erweiterungsarbeiten wurde am Nordturm vorgenommen, der von den Architekten als »Mittelpunkt der Welt« bezeichnet wurde, was vermutlich eine Anspielung auf die germanische Mythologie mit ihrem Glauben an die Weltesche Yggdrasil war. Das Projekt sollte offenbar den Angehörigen der SS dazu dienen, sich als neuer Adel zu fühlen, der an mittelalterliche Traditionen anknüpfen und durch eine Art »nationalsozialistische Religion« zusammengehalten werden sollte.

In den Keller des Turmes wurde für bestimmte Zeremonien ein Gewölbe geschlagen. Die Reste einer Gasleitung lassen vermuten, dass hier eine dem Totenkult dienende »ewige Flamme« brennen sollte. Über dieser im Volksmund »Walhalla« genannten Gruft befand sich der »Obergruppenführersaal«, der von zwölf Säulen eingefasst war. Auf den Marmorboden wurde die eingangs erwähnte »Schwarze Sonne« gelegt. Es ist nicht genau bekannt, wozu dieser Raum benutzt wurde, verbürgt ist jedoch eine Tagung hoher SS-Führer im Juni 1941, die wohl der Vorbereitung des Vernichtungskrieges gegen die slawische Bevölkerung Osteuropas diente.

Zusätzlich war als drittes Geschoss noch eine Kuppelhalle geplant, die nur von einem Oberlicht in der Decke erhellt werden sollte. Das Projekt unterlag strikter Geheimhaltung, sodass sein Zweck nicht genau bekannt ist. Allerdings weisen Fotos von Modellen darauf hin, dass die gesamte Anlage ein Vielfaches der eigentlichen Burg umfassen sollte. Um Platz für diese Bauten sowie für eine Trinkwassertalsperre zu schaffen, sollten die umliegenden Dörfer »landsmannschaftlich geschlossen« in den Osten umgesiedelt werden.

Die Wewelsburg wurde vorerst noch in das Dorfleben integriert, indem die SS mit lokalen Institutionen Feste feierte, mit denen an vermeintlich germanisches Brauchtum angeknüpft wurde, etwa Mai- und Sonnenwendfeiern sowie Erntedank- und Julfeste. Auch »Eheweihen« von SS-Familien fanden auf der Wewelsburg statt.

Die militärische Niederlage des Deutschen Reiches verhinderte zwar die Fertigstellung der Anlage, und auch ihre Sprengung durch ein SS-Kommando am Ende des Krieges schlug fehl. Dennoch besitzt sie für Neonazis, Neuheiden und Okkultisten eine gewisse Attraktivität. Nachweislich drangen nachts Menschen in das Burgmuseum ein, um in der Gruft und im Obergruppenführersaal okkulte Rituale zu begehen.

Bedeutender ist jedoch der Gebrauch der »Schwarzen Sonne«, die von verschiedenen rechtsextremen Organisationen, Bands und Firmen benutzt wird, von der Neuen Rechten bis zu den Kreisen der Freien Kameradschaften, von der Black-Metal-Szene bis zum Thule-Seminar. Die »Schwarze Sonne« findet sich auf CD-Covern, Anstecknadeln, Armbanduhren, auf Verlagsbroschüren sowie auf Roman- und Zeitschriftentiteln. In einem die SS-Ideologie rezipierenden Song von »Forthcoming Fire« heißt es: »Schwarze Sonne greife in mein Herz ! / Zerreiße mein Dunkel, tilge den Schmerz ! / Wie habe ich mich nach dir verzehrt. / Hast deine Gnade mir gewährt / Als Sonnenritter kehren wir heim / Wir werden der neue Adel sein.«