»Wir wirken langfristig«

Strategien der Zivilgesellschafter

Die Sächsische Schweiz ist eine Hochburg der NPD. Bei den Kommunalwahlen im Juni erhielt die Partei in dem Ort Reinhardtsdorf-Schöna 25,2 Prozent der abgegebenen Stimmen, in Königstein 21,1 Prozent, in Sebnitz 13,2. Auch in Pirna kam sie über fünf Prozent und erzielte 6,6 Prozent. Ein Gespräch mit Sebastian Reißig von der Aktion Zivilcourage Pirna.

Was für ein Bündnis seid ihr?

Vier Personen, darunter ich, haben das Bündnis 1998 gegründet. Es gab damals die Serie von Übergriffen der Skinheads Sächsische Schweiz, und in der Öffentlichkeit wollte niemand etwas davon hören.

Wir waren von Anfang an der Meinung, dass es ein sehr breites Bündnis werden sollte, an dem sich viele Pirnaer Bürgerinnen und Bürger beteiligen können. Also haben wir erstmal einen Runden Tisch gegen Rechtsextremismus und für Zivilcourage einberufen. Wir haben die Gewerkschaften und alle Parteien von der CDU bis zur PDS eingeladen, die NPD selbstverständlich nicht.

Seid Ihr Linke?

Wir sind antirassistisch, einige kommen aus dem Umkreis der evangelischen Kirche. Wir waren Jugendliche, die etwas gegen Rassismus und Rechtsextremismus unternehmen wollten.

Ist Eure Strategie erfolgreich?

Ich finde, sie ist erfolgreich, auch wenn sie am Anfang nicht ganz einfach war. Es gab viele, die gesagt haben: Macht das nicht so publik, wir sind eine Region mit Tourismus, da reden wir lieber gar nicht über das Thema. Ihr irrt Euch, sozusagen. Aber wir wurden immer wieder angegriffen von den Neonazis, also wussten wir, dass wir uns nicht geirrt hatten.

Es ist schon ein Erfolg, wenn wie in der vorigen Woche 30 Jugendliche einen Stand der NPD in Pirna so lange mit Trillerpfeifen belagern, bis die Neonazis einpacken müssen. Im Kommunalwahlkampf im Frühjahr haben sich Pirnaer Bürger vor den Infostand der NPD gestellt und den Neonazis den Rücken zugewandt, unter dem Motto: Pirna zeigt den Neonazis die kalte Schulter.

An solchen Aktionen beteiligt sich in Pirna mittlerweile auch die CDU. Der Bürgermeister Markus Ulbig von der CDU unterstützt uns tatkräftig. Das ist sicher eine sehr kleinteilige, langfristige Arbeit, aber sie ist sehr wichtig.

Ist die Rolle des Bürgermeister nicht auch widersprüchlich, wenn man die Asylpolitik seiner Partei betrachtet?

Er ist ein Kommunalpolitiker. Ich denke, auch die müssen wir überzeugen, dass Rassissmus ein Problem ist.

In Pirna gibt es trotz des zivilgesellschaftlichen Engagements immer wieder Aufmärsche von Neonazis. Im Sommer haben sie das Stadtfest gestört.

Wir sagen ja nicht, dass alles perfekt läuft. Aber was für einen Anspruch erhebt man an uns? Wir sind eine Initiative von 25 Jugendlichen und 20 Erwachsenen.

Linke Antifagruppen erheben den Vorwurf, dass ihr mit Aktionen wie dem »Markt der Kulturen«, den ihr nun zum zweiten Mal im Mai veranstaltet habt, es nur der Stadtverwaltung erleichtert, am Image der weltoffenen Stadt zu feilen, obwohl die Wirklichkeit ganz anders aussieht.

Wenn wir nur den »Markt der Kulturen« machen würden, würde ich ihnen Recht geben. Aber wir veranstalten auch Projektschultage zu Themen wie Rechtsextremismus und Demokratie, wir veranstalten Lesungen, wir machen viel im Jugendbereich. Unsere Arbeit kann nur langfristig wirken. Die Einstellungen in der Gesellschaft zu ändern, das gelingt nicht in drei Jahren.

interview: stefan wirner