Bau dir ein Schloss!

Ein Förderverein sucht Spender für das Berliner Stadtschloss. Aus privat finanzierten Einzelteilen soll ein demokratisches Ganzes entstehen. von britta lange

Während der zum Abriss vorgesehene Palast der Republik in Berlins Mitte noch eifrig genutzt wird, sammeln die Freunde des Berliner Stadtschlosses bereits Geld für den Wiederaufbau des repräsentativen Objekts mit dem Decknamen »Humboldtforum«. Wer unbedingt möchte, kann Pate eines Steins der Schlossfassade werden. Im Internet (www.berliner-schloss.de) ist der potenzielle Schützling schon vor der Geldüberweisung zu besichtigen, und nachher sind den virtuellen Besuchen keine Grenzen gesetzt. Diese spezielle Idee, mit der der Verein Spender anlocken will, ließ er sich sogar patentieren.

Die Frage, wie man private Geldmittel für einen öffentlichen Zweck gewinnt, stellte sich bereits im Mittelalter, wenn Bauwerke nicht nur aus Steuern finanziert werden sollten. In der deutschen Geschichte wurde auch die Kriegskasse mitunter durch Spenden aufgestockt. Mit dem Appell an das Nationalgefühl wurde etwa im Ersten Weltkrieg unter dem Motto »Gold gab ich zur Wehr – Eisen nahm ich zur Ehr« Schmuck gesammelt. Die Spender erhielten zwar ein Zertifikat über ihre Gabe, blieben jedoch für die Öffentlichkeit unsichtbar – im Gegensatz zu den Geldgebern von Kirchen, die auf Stiftertafeln oder -bildnissen genannt oder porträtiert wurden.

Um außerdem zu zeigen, wie groß die Zahl der Spender war, unterstützte die deutsche Regierung während des Ersten Weltkriegs das kollektive Benageln so genannter Kriegswahrzeichen. Berühmtestes Beispiel ist der »Eiserne Hindenburg«, eine über zwölf Meter hohe Holzstatue des Generalfeldmarschalls, die 1915 vor dem Berliner Reichstag errichtet wurde. Bürger und Bürgerinnen konnten zu verschiedenen Preisen eiserne, silberne und goldene Nägel erwerben und feierlich einschlagen. Die Figur sollte vollständig benagelt werden und einen gepanzerten Krieger abgeben – eine staatliche Einnahme zur Kriegsfinanzierung und zugleich der symbolische Ausdruck eines kollektiven, nationalen Willens zum Sieg. Ihre Beteiligung wurde den Spendern in einem Zertifikat bestätigt. Lediglich die Namen der besonders Wohltätigen, die 50 Reichsmark oder mehr gespendet hatten, wurden am Sockel eingraviert.

Das Prinzip des Baukörpers, der sich aus einzeln finanzierten Teilen zusammensetzt und durch das geflossene Geld überhaupt erst entstehen kann, wird bis heute bei Spendenaktionen verwendet. So gründete sich auch in Dresden ein Förderverein, der private Spenden für die Frauenkirche sammelt. Für den Betrag von 50 Euro kann eine »Stifterkarte« erworben werden, für höhere Beträge gibt es »Stifterbriefe« in Bronze und Silber. Mit dem »Stifterbrief« in Gold (1 500 Euro) ist die »symbolische Adoption eines Steines« zum Wiederaufbau verbunden, mit dem »Stifterbrief« in Platin (10 000 Euro) der Erwerb eines Sitzplatzes in einer Kirchenbank. Außerdem werden die Personen, die 750 Euro oder mehr gespendet haben, auf »Stiftertafeln« genannt, die im Gebäude angebracht werden. Damit verschreibt sich der Verein ganz der historischen Tradition, welche die Stifter in sakralen Bauten verewigte.

Das Berliner Stadtschloss hingegen ist ein Profanbau und muss entsprechend mit anderen Strategien beworben werden. Die Kosten von 590 Millionen Euro für den modernen Kernbau soll eine Kapital- beziehungsweise Aktiengesellschaft aufbringen, davon 230 Millionen Euro aus Mitteln der öffentlichen Hand. 360 Millionen Euro sollen private und institutionelle Anleger stellen. Aus Sicht des Fördervereins Berliner Schloss e.V. gewährleistet dieses Modell nicht nur die Finanzierung des Schlosses, sondern zugleich »die öffentliche Identifikation mit dem Vorhaben«. Wie das vom Verein im Februar herausgegebene Berliner Extrablatt schreibt, werde der »Bürger« durch den Erwerb von Aktien zum »Schlossbesitzer«.

Reine Spenden, ohne die Aussicht auf eine Dividende, sollen dagegen die historischen Schlossfassaden, den repräsentativen Teil des Gebäudes, finanzieren. Um die benötigten 80 Millionen Euro zu bekommen, hat sich der Verein mehrere Formen des Spendens ausgedacht. Da wären die kostenpflichtige Mitgliedschaft im Verein, Einzelspenden, Spenden-Abos, das Stiften von Privatvermögen oder zu besonderen Anlässen: »Freunde und Bekannte sammeln an einem Ihrer großen, privaten Feiertage oder Ihrem Jubiläum Geld für das Schloss, statt für ein Geschenk.« Auch eine Silbermünze, die Gedenkprägung »Berliner Schloss«, wurde im Sommer 2004 in einer Auflage von 100 000 Stück zur Unterstützung des Wiederaufbaus auf den Markt gebracht.

Die am deutlichsten an die Aktionen für die Frauenkirche angelehnte Maßnahme ist die entgeltliche Übernahme der Patenschaft für einen Bauteil der Fassade. Für 250 Euro oder ein Vielfaches davon erwirbt »der Bürger« genau genommen keinen konkreten Schlossstein, sondern eine steuerlich absetzbare Spendenquittung sowie einen symbolischen Gegenwert: »Ihr Name wird auf immer mit diesem verbunden sein.«

Wie aber erfährt die Öffentlichkeit, wer welches Teil gesponsert hat? Die Zertifikate sind öffentlich nicht einsehbar. Alle Steine zu beschriften, ist bei einer historischen Rekonstruktion unmöglich. Die »ewige« Verbindung von Stein und Person muss daher medial geschehen: im Internet. Mit einer virtuellen Schlossfassade ist die alphabetisch geordnete Liste der Stifter vernetzt.

Aber es geht um noch mehr: »Das Schloss wird durch das persönliche Engagement Hunderttausender von Bürgern zu einem Gebäude der Demokratie, es wird das Bürgerschloss!«, heißt es im Berliner Extrablatt. Die Beteiligung der »Bürger« über die Geldspende und die symbolische Repräsentation der Spender am Schloss, dem Symbol der Kaiserzeit, wird mit Demokratie gleichgesetzt.

Der »Eiserne Hindenburg« verlor übrigens in dem Maß an Bedeutung, in dem sich die militärische Niederlage der Deutschen abzeichnete. Nicht einmal gänzlich benagelt, verschwand er von dem öffentlichen Platz; sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Auch für das Berliner Stadtschloss ist der Krieg noch nicht gewonnen. Zwar wurde mit den Rekonstruktionsarbeiten bereits begonnen, aber endgültig sicher ist der Wiederaufbau noch nicht. Doch die Spenden sind auf keinen Fall verloren. Nach der Satzung des Fördervereins gehen sie dann an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.