Wo geht’s lang, Kamerad?

Seit dem 11. September 2001 bekunden Neonazis immer wieder ihre Sympathien mit Islamisten. Nun wollen sie in Berlin-Kreuzberg gegen »islamische Zentren« demonstrieren. von jessica konrad

Herrscht Verwirrung bei den Neonazis? Mal demonstrieren sie gegen die USA und solidarisieren sich mit islamistischen Gruppen, dann protestieren sie auf einmal, als wäre nichts gewesen, gegen »islamische Zentren und Moscheen«.

Unter dem Motto »Weg damit! Berlin bleibt deutsch!« wollen Rechtsextreme am 25. September in Berlin-Kreuzberg aufmarschieren. Der Landesverband der NPD will mit dem Aufmarsch gegen den Bau eines »islamischen Zentrums« protestieren und rechnet mit etwa 1 000 TeilnehmerInnen. Im Aufruf zur Demonstration heißt es, Kreuzberg sei ein Stadtteil, in dem »ungehindert (…) türkische und islamische Zentren und Moscheen errichtet« würden. Sie beklagen, dass Kreuzberg zu »einer Deutsch-Freien-Zone« werde und wähnen eine »geplante Umvolkung«. Das habe schon jetzt zur Folge, dass für Rechtsextreme in Kreuzberg keine politische Arbeit mehr möglich sei, »weil eben keine deutsche Zielgruppe mehr vorhanden ist«.

Die Stadt Berlin und die Polizei wollen eine Demonstration von Neonazis in Kreuzberg jedoch nicht zulassen. »Sonst hätten wir dort Krieg«, sagte ein Polizeisprecher der Berliner Zeitung. Ein Schutz der Demonstration sei dort »nicht machbar«. Deshalb werde der Aufmarsch »auf gar keinen Fall in Kreuzberg, sondern im Norden Berlins stattfinden«, teilte die Pressestelle der Senatsverwaltung für Inneres der Jungle World mit. Allerdings könne man zum genauen Ort des Aufmarsches noch nichts sagen. Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (Apabiz) hält den geplanten Aufmarsch »nicht für eine x-beliebige Nazidemo«. Allerdings überschätzten sich die Rechtsextremen mit dem Vorhaben, in Kreuzberg marschieren zu wollen, da sie auf heftigen Widerstand stoßen würden.

Es ist schon eine kleine Überraschung, dass Neonazis in Kreuzberg gegen »islamische Zentren« demonstrieren wollen. Denn eigentlich kennt man sie seit einiger Zeit eher mit Palästinensertuch und -fahne ausgerüstet und »Intifada, Intifada!« rufend von ihren Demonstrationen. Auf diese Art versuchten sie zum Teil erfolgreich, sich an den Protesten gegen den Irakkrieg zu beteiligen. Der Rechtsextremist Horst Mahler betonte im Jahr 2001 in einem Interview mit der ARD, schon früher seien »wir zusammen mit Joschka Fischer und Otto Schily, vielleicht auch mit Gerhard Schröder durch die Straßen gezogen und haben gerufen: ›USA – Internationale Völkermordzentrale‹. Und das hat sich nicht geändert.« Antiislamische und antiarabische Töne waren in der jüngsten Zeit von rechtsextremer Seite nicht mehr so oft zu hören. Und mit Themen wie dem Irakkrieg und dem Nahostkonflikt ließ sich eher an Diskurse der gesellschaftlichen Mitte anknüpfen als mit dem alljährlichen miefigen Gedenken an Rudolf Heß in Wunsiedel.

Ursprünglich sollte der Aufmarsch in Berlin am 11. September stattfinden, er wurde dann aber um zwei Wochen verlegt. Die Rechtsextremen erklärten das »mit den vielen anderen Veranstaltungen«. An diesem Tag fand unter anderem der so genannte Jesus-Tag in Berlin statt. Die Wahl des Datums ist dennoch interessant. Hätte Jesus den Neonazis nicht die Show gestohlen, hätte es am 11. September einen inhaltlichen Rundumschlag der Neonazis gegeben.

Denn zum Jahrestag der Anschläge in Washington und New York demonstrierten im baden-württembergischen Schwäbisch Hall Neonazis unter dem Motto: »Die USA sind unser Unglück!« Slogans wie »Yankeegeist & Börsenwelt: Schmutzige Kriege für blutiges Geld« ließen keinen Zweifel an der Solidarisierung mit den antisemitischen Anschlägen vom 11. September aufkommen. »Als erster Redner trat Christian Worch, Hamburg, ans Mikrofon. Er sprach über den Ungeist des Amerikanismus und den Versuch der US-Kriegspolitik, alle Völker der Welt unter die Knute des Dollars zu unterwerfen«, heißt es in einem Demonstrationsbericht auf einer rechtsextremen Internetseite.

In Berlin hätten die Rechtsextremen gleichzeitig gegen »islamische Zentren« demonstriert und so eine inhaltliche Ergänzung zur Demonstration in Schwäbisch Hall geliefert. Mahler versuchte bereits kurz nach dem 11. September 2001, das Verhältnis von Neonazis zu in Deutschland lebenden Moslems neu zu bestimmen: »Die Moslems sind nicht unsere Feinde. Im Gegenteil, sie kämpfen. Und daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Aber sie haben hier in Deutschland nichts zu suchen, sie sollen in ihre Heimat gehen. Und wir kämpfen für Verhältnisse, dass sie in der Heimat auch leben können, also keinen Zwang verspüren, hier nach Deutschland, nach Europa zu kommen.«

Nicht zuletzt wegen solcher Äußerungen befürchteten der Verfassungsschutz und Antifas eine Allianz von IslamistInnen und Rechtsextremen. Mahler und der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, stützten diese Vermutungen, als sie im Oktober 2002 gemeinsam auf einer Veranstaltung der islamistischen Gruppe Hizb ut Tahrir zum damals bevorstehenden Irakkrieg in Berlin auftauchten. »Zu meiner Überraschung waren unsere Ansichten fast deckungsgleich, was die Einschätzung dieser Thematik angeht«, zitierte die NPD ihren Vorsitzenden in einer Stellungnahme.

Das Internetportal hagalil bezweifelt eine weitreichende inhaltliche Überschneidung oder gar die Möglichkeit politischer Bündnisse von Neonazis und IslamistInnen: »Denn wie gewinnt man einen religiösen Fanatiker für ein Bündnis mit Ungläubigen? Oder wie überzeuge ich einen rechten Aktivisten, sich vom verhassten Bild des Orientalen zu lösen, um von nun an brav Seite an Seite mit ihm gemeinsame Sache zu machen?«

Auch wenn von einer ernsthaften Annäherung bislang nicht auszugehen ist, zeigen Rechtsextreme immer wieder ihre Sympathien für IslamistInnen. Wegen der inhaltlichen Ausrichtung des geplanten Aufmarsches in Kreuzberg gab es deshalb in rechtsextremen Internetforen auch Stimmen, die befürchteten, »dass man deutsche Nationalisten plötzlich als Bush-Anhänger tituliert«.