Antifa heißt Ausschlafen

Nicht der Wahlerfolg der NPD ist das Problem, sondern die rechte Gesinnung des Großteils der Gesellschaft. von mark schneider

Als das Bündnis gegen Rechts (BGR) aus Leipzig im November 2001 erstmals nicht gegen einen Naziaufmarsch in der eigenen Stadt mobilisierte, sondern die Parole »Ausschlafen gegen Rechts!« ausgab, war das Unverständnis groß. Nach drei Jahren Schlaf hat sich, trotz der NPD- und DVU-Wahlerfolge, beim BGR nicht viel geändert.

Das Geschrei wegen des Einzugs der NPD in den sächsischen Landtag ist groß. Antifa-Gruppen wittern wieder Morgenluft, die Zivilgesellschaft ist entsetzt, die Wirtschaft besorgt. Die Jusos bangen um die Arbeitsplätze im Osten, die Medien erteilen Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie und deutscher Geschichte, und die Parteien weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Doch die inszenierte Empörung wird so schnell abebben, wie sie begonnen hat. Nur die unerschrockenen Antifas wollen am Ball bleiben.

Der Leitartikel der aktuellen Antifaschistischen Nachrichten gibt die Linie vor: »Hartz IV hat die armen Leute regelrecht in die Fänge der rechten Demagogie getrieben. Der rechte Sumpf kann aber nur trocken gelegt werden, wenn alle demokratischen Kräfte daran arbeiten. Das wollen die bürgerlichen Kräfte aber nicht, wenn sie die rechten Parteien und die PDS auf eine Stufe stellen. Darüber muss die Diskussion und Auseinandersetzung mit den bürgerlichen Kräften gesucht werden. Ohne linke, sozialistische Kritik entwickelt sich keine Front gegen Rechts.« An dieser Analyse ist so gut wie alles falsch. Die Demokraten treiben die »armen Leute« in »die Fänge« der Rechten, und die gleichen Demokraten sollen sie da, angetrieben von den sozialistischen Volksfrontkräften, vereint mit der PDS, wieder herausholen?

Dagegen bleibt festzuhalten: Nicht der Wahlerfolg der NPD ist das Problem, sondern die rechte Gesinnung, die der gemeine PDS-Wähler mit der CDU-Sympathisantin teilt. Nicht Hartz IV treibt die armen Menschen zur NPD, sondern die fehlende Überzeugungskraft der rechten Parolen der als nicht rechts geltenden Parteien. Und der »rechte Sumpf« lässt sich nicht trocken legen, indem man die völkischen Kräfte auf dem morastigen Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen die bodenlosen völkischen Kräfte verteidigt.

Die Frage wäre also: Was soll eine Antifa, die ihrem Namen gerecht werden will, mit der PDS anfangen, die in Sachsen Wahlkampf betrieb mit der Losung: »Jeder Zweite schläft auch werktags aus. Ungerecht!« Was soll das pathetische Aufladen des Antifaschismus mit revolutionären Hoffnungen, wenn es im Grunde genommen nur um den reibungslosen Ablauf des kapitalistischen Normalbetriebs geht, der durch ein Zuviel an Rechtsradikalismus gestört werden könnte?

Antifaschismus besitzt trotz all dieser Einwände eine konkrete Berechtigung – nur nicht im Sinne der meisten Antifa-Gruppen. Auch nach dem von der Bundesregierung proklamierten Antifa-Sommer 2001. Die Berechtigung besteht einerseits darin, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, und andererseits die bürgerliche Gesellschaft (und nicht etwa den Staat oder das Kapital) als den Nährboden für faschistische Ressentiments zu bekämpfen. Darüber hinaus hätten sich AntifaschistInnen in Deutschland mit der NS-Zeit und den postnazistischen Kontinuitäten zu beschäftigen.

Dass dies in großen Teilen der Linken nicht einmal ansatzweise geschieht, offenbaren die folgenden Sätze, die in der Leipziger Anarcho-Zeitschrift Feierabend zu lesen sind und in fast jeder anderen linken Zeitschrift stehen könnten: »In einigen Städten rufen eher rechte Gruppierungen zu den Demos auf (…) Alles in Allem sind es einfach nur Leute, die auf die Straße gehen. (…) Die etablierten Parteien können hier aber sicherlich nicht punkten. Wenn von der Bühne gegen das Parteiensystem oder den Kapitalismus gewettert wird, ist der Applaus groß. Offensichtlich braucht mensch keine drei linken Szenezeitschriften abonniert haben, um irgendwann festzustellen, dass der Fehler im System liegt.« Was die einen als den Vorabend der Revolution ansehen, ist für alle, die die Geschichte nicht verdrängt haben, ein Symptom für die Volksgemeinschaft in nationalsozialistischer Tradition.

Es gilt also weiterhin: Ausschlafen gegen Rechts und wachsam sein gegenüber dem Rest der Gesellschaft!

Der Autor ist Mitglied des BGR www.nadir.org/bgr