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Über den Transhumanismus und die Transhumanisten. Von Ferdinand Muggenthaler

Was halten Sie denn für die gefährlichste Idee unserer Zeit? Vom Magazin Foreign Policy danach gefragt, sagt Francis Fukuyama, die gefährlichste Idee sei der Transhumanismus. Dass der Professor für politische Ökonomie kein Freund des Transhumanismus ist, leuchtet ein. Schließlich propagieren die Anhänger dieser Bewegung das Gegenteil vom »Ende der Geschichte«, das Fukuyama berühmt gemacht hat. Sie glauben an die Revolutionierung nicht nur der Gesellschaft, sondern vor allem der menschlichen Biologie durch Technik. Ein gefährliches Vorhaben, so Fukuyama, weil es die gemeinsame Natur der Menschen zerstört und damit die Basis für die Gleichbehandlung aller Bürger in der liberalen Demokratie.

Aber wer sind eigentlich die Transhumanisten und was bringt Fukuyama dazu, diese kleine Gruppe von Technoutopisten, die mit Vorliebe von ewiger Jugend und der Besiedelung des Weltraums träumen und sich – wenn sie es sich leisten können – nach dem Tod tiefkühlen lassen, so ernst zu nehmen? In der aktuellen Ausgabe von Foreign Policy begründet er seine Wahl so: »Eine Art Transhumanismus ist enthalten in einem großen Teil der Forschungsagenda der aktuellen Biomedizin. Die neuen Verfahren und Techniken, die in den Labors und Krankenhäusern entstehen – seien es stimmungsverändernde Medikamente, Substanzen zur Steigerung der Muskelmasse oder zum Löschen eines Teils der Erinnerung, vorgeburtliche Gendiagnose oder Gentherapie – können genauso gut verwendet werden, um unsere Spezies zu ›verbessern‹, wie um Krankheiten zu heilen.«

Tatsächlich sind es wissenschaftlich-technische Entwicklungen, aus denen sich die Träume der Transhumanisten speisen. Sich der radikalen Veränderung des Menschen durch Technik anzunehmen, bis zu dem Punkt, an dem man von dem Schritt zu einer neuen Spezies sprechen kann, war bis vor kurzem das Monopol von Science-Fiction-Autoren. Die Transhumanisten machen es zum politischen Programm.

Als Vordenker des Transhumanismus gilt der Philosoph Max More. Als Direktor des Extropy Institute predigt er seit Anfang der neunziger Jahre einer wachsenden Gemeinde eine Art anarchokapitalistische Zukunftsvision. Danach soll es jedem offen stehen, sich mit allen technischen Möglichkeiten zu verändern. Kein traditioneller Glaube an die Unantastbarkeit der von Gott bzw. der Natur geschaffenen menschlichen Biologie soll das Individuum an der Transformation seines Selbst hindern. Analog zum Streben nach Glück in der US-Verfassung erklärt er das Streben nach Verbesserung (»pursuit of betterment«) zum Grundrecht.

Entsprechend gilt es, die technische Entwicklung voranzutreiben, um dieses Grundrecht auch verwirklichen zu können. Besondere Hoffnungen wecken da die Biowissenschaften, die Nanotechnologie, die Robotik und die Hirnforschung. Es bedarf keiner besonders ausufernden Fantasie, um sich – anknüpfend an den jeweils aktuellen Forschungsstand – alle möglichen und unmöglichen Verbesserungen auszudenken. Zu den meist zitierten Utopien gehört das Uploading. Demnach soll es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein, den eigenen Gehirninhalt auf ein Computersystem zu übertragen.

Entwickelt hat sich der Transhumanismus im Milieu der kalifornischen Technoelite. Programmierer, Ingenieure und Biowissenschaftler gehörten zu seinen ersten Anhängern. Darunter anerkannte Größen wie Marvin Minsky, Forscher im Bereich der künstlichen Intelligenz, Bart Kosko, der Erfinder der Fuzzy Logik, oder Ray Kurzweil, der u.a. die erste Texterkennungssoftware programmierte.

Inzwischen hat sich die Szene ausdifferenziert. Zum Extropy Institute gesellten sich diverse Vereine, wie das Immortality Institute und die World Transhumanist Association. Neben dem extremen Individualismus Mores (»Wir lehnen es ab, andere für die Resultate unserer freien Entscheidungen verantwortlich zu machen!«), sind eher sozialdemokratische Töne zu hören, die das Recht der Weltgesellschaft auf gerechte Verteilung der technischen Möglichkeiten und die Abschaffung der Arbeit durch Technik betonen.

Es ist leicht, sich über manche Vision bekennender Transhumanisten lustig zu machen. Vor allem viele der optimistischen Prognosen über die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung lassen sich rasch als Wunschdenken entlarven. Rodney Brooks, Direktor des Labors für künstliche Intelligenz am Massachusetts Institute of Technology, vertritt selbst die Ansicht, dass wir immer mehr mit Maschinen verschmelzen werden. Für die Unsterblichkeitsutopien seiner Kollegen Hans Moravec und Ray Kurzweil hat er aber nur sanften Spott übrig. Zu Kurzweils Voraussage, um 2020 werde das Uploading des menschlichen Bewusstseins auf Computer möglich sein, merkt er an: »Natürlich wird er ausgerechnet um 2020 selbst 70, und er ist entschlossen, so lange zu leben.« Brooks zitiert eine Untersuchung, die verschiedene Voraussagen, wann Uploading möglich sein wird, mit dem Lebensalter der Propheten vergleicht. Und – so ein Zufall – die Voraussagen variieren, aber alle glaubten, Uploading werde um den eigenen 70. Geburtstag möglich sein.

Trotzdem hat Fukuyama in einem Recht: Die Transhumanisten sind nur der extreme Ausdruck einer starken gesellschaftlichen Tendenz. Letztes Jahr etwa veröffentlichte die US-amerikanische National Science Foundation einen Report mit dem Titel: »Converging Technologies for Improving Human Performance«. Über weite Strecken wird darin ein transhumanistisches Forschungsprogramm ausgearbeitet.

Ein anderes Beispiel lieferte der Economist in seinem Leitartikel zu den Olympischen Spielen. Das britische Wirtschaftsblatt polemisiert darin gegen die »zunehmend intolerante Haltung gegenüber Doping«. Diese sei unzeitgemäß in einer Gesellschaft, die immer mehr Leistung steigernde Drogen wie Prozac und Viagra nutze. Gegen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Doping sei nichts einzuwenden, zumal »Gen-Doping« – die gentechnische Verbesserung von Sportlern – höhere Leistungen ganz ohne Nebenwirkungen verspreche.