Voll in Ordnung

Energisch setzt das Dresdner Ordnungsamt sich dafür ein, dass Neonazis an den dortigen Montagsdemonstrationen teilnehmen dürfen. von alexa anders und tina sommer

Während anderswo nach dem Ergebnis der sächsischen Landtagswahl zumindest der bürgerliche Protest gegen Neonazis wieder zunimmt, ticken die Uhren in Dresden anders. Hier ist es die Stadt selbst, die alles daran setzt, Neonazis an den Demonstrationen gegen Hartz IV teilnehmen zu lassen.

Bereits am 17. September hatte das Dresdner Ordnungsamt bekannt gegeben, die beiden früheren Versammlungsleiter nicht mehr als solche akzeptieren zu wollen. Denn diese hatten sich bis dahin konsequent gegen die Teilnahme von Neonazis an der Demonstration ausgesprochen. Dagegen legten die Anmelder, darunter Daniel Weigelt, Widerspruch ein. Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden entschied in der Sache für das Ordnungsamt. Das Bündnis gegen Sozialkahlschlag Dresden, das zu den Demonstrationen aufruft, musste neue Anmelder benennen.

In der Begründung schrieb das Gericht: »Durch das Verhalten der Versammlungsleiter wurde die Gruppierung im Ergebnis an der Demonstrationsteilnahme gehindert. Gleichzeitig stellte das Verhalten eine Ermutigung bzw. Bestätigung für die übrigen, dem Veranstalter ›erwünschten‹ Versammlungsteilnehmer dar, die räumliche Abgrenzung von der ›rechten‹ Gruppierung zu suchen bzw. diese Personen faktisch auszugrenzen und an der Teilnahme zu hindern.« Hierdurch hätten die Anmelder gegen ihre Rechtspflicht verstoßen, »als Versammlungsleiter (…) für einen ordnungsgemäßen Verlauf der Demonstration zu sorgen. Hierzu gehört als zentrale Aufgabe, allen Personen, die an der Veranstaltung teilnehmen wollen, diese Teilnahme zu ermöglichen, solange sie sich friedlich verhalten und keine Störungen von ihnen ausgehen.«

Gerade der energische Ausschluss von Neonazis stellte zuvor eine Besonderheit der Dresdner Montagsdemonstrationen dar. Die Teilnehmer traten mit einer klaren Haltung den Neonazis aus dem Umfeld des Nationalen Bündnisses Dresden entgegen. Von Anfang an wurden die Rechtsextremen jeden Montag von Daniel Weigelt und von anderen Rednern dazu aufgefordert, die Kundgebung zu verlassen. Da die Neonazis dem nicht Folge leisteten, wurden sie jedes Mal von Ordnern und Antifas abgedrängt und am Mitlaufen gehindert. Das gelang meist relativ reibungslos und wurde fast schon zur Routine, vielleicht auch deshalb, weil die Polizei sich darauf beschränkte, die Vorgänge zu beobachten.

Ohne das Engagement des Dresdner Ordnungsamtes und der in der Sache zuständigen Sachbearbeiterin, Margitta Popp, wäre den Neonazis wohl nichts anderes übriggeblieben, als dem Demonstrationszug auch weiterhin zuzusehen und zuzurufen: »Wir sind hier – gegen Hartz IV!« In den folgenden Kooperationsgesprächen aber hätten die Vertreter des Ordnungsamtes immer schärferen Druck auf die Anmelder ausgeübt und mit Geldstrafen gedroht, sollten die Neonazis weiterhin ausgeschlossen werden, behauptet Weigelt.

Am Montag, dem 20. September, einen Tag nach der sächsischen Landtagswahl, erschienen die Neonazis nicht nur zahlreicher, sondern vor allem gestärkt durch die Wahlergebnisse. Neben Mitgliedern und Sympathisanten des Nationalen Bündnisses Dresden und der NPD war nach Angaben von Antifas auch eine Reihe von bekannten Gewalttätern anwesend.

Wie in den Wochen zuvor stellte sich ihnen eine Gruppe von Antifas entgegen. Für gewöhnlich meldete zu diesem Zeitpunkt ein Vertreter des Nationalen Bündnisses stets eine Spontandemonstration an, die sich dann entfernte. An diesem Montag versuchten die Neonazis jedoch gewaltsam, ihre Teilnahme an der Montagsdemonstration zu erzwingen. Sie durchbrachen die Kette von Ordnern und Antifas, und es kam zu heftigen Rangeleien. Der Dresdner Neonazi Sven Hagendorf soll dabei einem Antifa nach Augenzeugenberichten mit einer Holzlatte ins Gesicht geschlagen haben. Daraufhin wurde er kurzzeitig festgenommen.

Andere Neonazis boxten auf die vor ihnen stehenden Linken ein. »Mich traf ein Faustschlag aufs Auge, während die Polizei die Personalien von denen nahm, die sich gegen die Neonazis zur Wehr setzen wollten«, berichtet einer der Demonstrationsteilnehmer der Jungle World, der inzwischen Anzeige erstattet hat.

In den folgenden Wochen verstärkte das Ordnungsamt seine Bemühungen, die Teilnahme der Neonazis zu ermöglichen. Im Auflagenbescheid für die Demonstration am Montag voriger Woche hieß es: »Vielmehr gilt das Grundrecht der Versammlungsfreiheit auch für diejenigen, die den Zielen einer Versammlung bzw. den dort vertretenen Meinungen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung zum Ausdruck bringen wollen; etwas anderes gilt lediglich für Personen, die nicht die Absicht haben, an einer Versammlung teilzunehmen, sondern diese verhindern wollen. Dies ist insbesondere deutlich zu machen, da in den vergangenen Montagsversammlungen (…) eine friedliche Teilnahme von ca. zehn bis 20 Personen des rechten Spektrums am Aufzug nicht ermöglicht wurde.«

Nachdem sich die Demonstration trotz dieses Bescheides wie sonst auch in Bewegung gesetzt und die üblichen Engagierten die Neonazis am Mitlaufen gehindert hatten, erhielt die Polizei vom Ordnungsamt die Weisung, die Demonstration aufzuhalten, bis die Nazis aufgeschlossen hätten. Als der neue Anmelder sich weigerte, kam es zu Handgreiflichkeiten der Polizei gegen ihn.

Die Entwicklung fand ihren Höhepunkt, als die Polizei die Demonstrationsteilnehmer vor die Wahl stellte, entweder die Neonazis mitlaufen zu lassen oder die Demonstration aufzulösen. Die Demonstrierenden stimmten ab und entschieden sich dafür, die Demonstration durchzuführen. Das jedoch bedeutete gleichzeitig, die Neonazis zu tolerieren.

So verabschiedete sich die Dresdner Montagsdemonstration von ihrem bisherigen Motto »Gegen Sozialabbau und Nationalismus«. Antifas, die sich nicht mit der Anwesenheit der Neonazis abfinden wollten, wurden von der Polizei eingekesselt, ihre Personalien wurden festgestellt. Und die Neonazis brauchen in Zukunft keine Spontandemonstration mehr anzumelden.