Erfolgreich abgewickelt

Die Kampagne gegen Neonaziläden zeitigt erste Erfolge. Ein Laden in Chemnitz schließt im kommenden Jahr. Das nächste Ziel ist Pirna. von mirko klatt

Die Rechten tauschen an unserer Schule gerade wie die Verrückten Musikdateien aus«, berichtet ein Gymnasiast aus Hainichen bei Chemnitz. An sächsischen Schulen läuft die rechtsextreme »Aktion Schulhof« an, aber nicht, wie vor Monaten angekündigt, als eine groß angelegte Verteilung von kostenlosen CDs vor Schulen, sondern über eine Website im Internet. Dort finden sich Links auf herunterladbare Lieder. In der Liste der Unterstützer der Aktion finden sich der Vertrieb Backstreetnoise und auch das Label PC-Records aus Chemnitz.

Ende September hatten in Chemnitz 400 Antifas zur Eröffnung der Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« gegen das gemeinsame Ladengeschäft von Backstreetnoise und PC-Records demonstriert und vom Vermieter, dem Bundesvermögensamt, die fristlose Kündigung der Mietverträge gefordert. Vor dem Laden wurde die Demonstration von Personen aus einer Ansammlung von 200 Rechten angegriffen. Unter den aus ganz Sachsen angereisten Rechten waren Tino Karsch, ein ehemaliges Mitglied der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), und Martin Kohlmann, Landesvorsitzender der Republikaner und Chemnitzer Stadtverordneter.

Der Auflauf der Neonazis gegen die Demonstration stellte auch nach Einschätzung der Polizei eine neue Qualität dar. Die Neonazis stellten sich der Demonstration in den Weg, prügelten in sie hinein, warfen Steine, Flaschen und Zaunlatten. Ein Rechtsextremer griff die Spitze der Demonstration an, riss das Fronttransparent herunter und trat einer Frau in den Bauch. Auch vor den Polizeikameras zeigten Neonazis den Hitlergruß, skandierten »Juden raus!« und »Hier marschiert der nationale Widerstand!«

Die Polizei war nicht in der Lage, für den Schutz der Demonstration zu sorgen und gleichzeitig Straftaten zu verfolgen. Mehr Beamte seien an diesem Nachmittag nicht verfügbar gewesen, hieß es. »Das ist unverständlich«, sagt ein Mitglied der Chemnitzer Antifa. »Beim Kooperationsgespräch mit der Polizei vor der Demonstration kam aus Staatsschutzkreisen bereits die Information, dass mit etwa 200 militanten Neonazis zu rechnen sei.«

Die Polizei ermittelt mittlerweile wegen Landfriedensbruchs und will ein Fahndungsblatt herausgeben. Dem Anmelder der Chemnitzer Demonstration, dem Rechtsanwalt Klaus Bartl, einem Landtagsabgeordneten der PDS, wurde mittlerweile mehrfach das Auto zerkratzt, und in Zschopau kam es einige Tage nach der Demonstration zu einem rechtsextremen Übergriff auf einen Demonstranten, offenbar weil er auf der Demonstration gesehen worden war. Bartl plant für die Prozesse gegen die Angreifer der Demonstration besondere Maßnahmen für den Zeugenschutz.

Mittlerweile sind die Mietverträge der Läden gekündigt worden, sagt der Leiter der Chemnitzer Abteilung des Bundesvermögensamtes, Herbert Hartmann, der Jungle World. Der Vertrag mit PC-Records endet am 31. Januar 2005, der Vertrag mit Backstreetnoise am 30. April. »Die ungestörte Fortsetzung des Mietverhältnisses war nicht mehr gewährleistet. Es wäre dort immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Der Bund lässt sich in solche Auseinandersetzungen nicht hineinziehen«, betont Hartmann. Eine Erklärungsnot, wie es überhaupt zu einem vierjährigen Mietverhältnis zwischen dem Bundesvermögensamt und dem Neonaziladen kommen konnte, sieht Hartmann nicht: »Es ist nicht Aufgabe des Bundesvermögensamtes, bei Mietern eine Gesinnungsprüfung durchzuführen, aber wenn wir etwas erfahren, reagieren wir.«

Die Schließung der Läden wird von der Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« als ein erster Erfolg verbucht. Aber Backstreetnoise wird weiter aktiv bleiben. Am 31. Oktober etwa fand in einer Chemnitzer Discothek ein Konzert von rechten Bands mit 500 Besuchern statt, das auf der Website des Vertriebes angekündigt worden war. Erstmals ist damit offen für ein rechtes Konzert in Chemnitz geworben worden. Für die Betreiber ist die Schließung ihrer Läden dennoch ein Rückschlag. Das Backstreetnoise war mit seinem Angebot, das von klassischer Skinheadmode bis zu CDs mit rechtsextremer Musik reichte, ein wichtiger Ort für die Jugendkultur und die organisierte Neonaziszene. Diese Funktion wird sich nur mit einem neuen Ladenlokal aufrechterhalten lassen.

Nach Chemnitz soll die nächste Demonstration der Kampagne »Schöner leben ohne Naziläden« am 27. November in Pirna stattfinden. Es soll gegen den Laden »Eagle«, die Nazivertriebe »Berkana« und »Hugin«, die Fanzines Rufe ins Reich und Stahlhelm und für ein alternatives Jugendzentrum demonstriert werden. Im »Eagle« gibt es nach Informationen der Pirnaer Antifagruppe afa13 »alles, was das Naziherz entzückt. Aufnäher, T-Shirts, Fahnen, CDs und jede Menge weiterer Müll, gespickt mit Sprüchen, Bildern und Texten von und für Nazis.«

Der Betreiber des »Hugin«-Versandes soll nach Informationen der Antifas das ehemalige Mitglied der SSS, Andre Malheur, sein. Er war demnach auch Mitherausgeber der Zeitschrift Froindschaft. Diese Publikation war nach der Aussage des als Rädelsführer verurteilten Sprechers der SSS, Thomas Sattelberg, ein »nicht vorzeigbares Wurstblatt« und, wie er behauptete, nur für den SSS-internen Gebrauch gedacht. In den acht Ausgaben, die in einer Auflage von 50 bis 100 Stück erschienen, jagte ein Loblied auf den Gründer der rechtsextremen Organisation Blood&Honour, Ian Stewart Donald, das andere. Inzwischen bietet der »Hugin«-Versand Landschaftsbilder der sächsischen Schweiz und Angebote für die ganze Familie an. Neben T-Shirts der Marke »H8wear« gibt es auch Spielzeugschwerter und -morgensterne sowie Bismarck-Büsten.

Inzwischen drohen die Rechtsextremen mit ähnlichen Übergriffen auf die geplante Demonstration in Pirna wie am 25. September in Chemnitz. Auf der Internetseite Heimatschutz.org wird zu einer Gegenkundgebung vor einem Treffpunkt der Pirnaer Antifa aufgerufen. Auch wolle man den »Narrenumzug« der »antideutschen Kriminellen« begleiten.