Aus der Not eine Tugend

Die Krise hat Sie erwischt? Sie sind pleite? Sie wollen dennoch den Rausch? Warum machen Sie Ihre Drogen nicht einfach selber? Wie das geht, erklärt werner graf

Alle Drogenkonsumenten mit Geldproblemen haben spätestens beim Besuch ihres Dealers einmal mit dem Gedanken gespielt, mit Drogen Geld zu machen. Unendlich scheinende Gewinnspannen und die Aussicht auf eine gesicherte Dauerversorgung lässt manch einen User die Vorstellung, Drogen selbst zu produzieren, als wahre Goldgrube erscheinen. Gerade wegen der Hartz-Gesetze werden wohl auch in Deutschland noch mehr Menschen ihr Glück mit selbst gemachten Drogen versuchen (müssen).

Doch nicht nur die Hoffnung auf schnelles Geld mithilfe von Drogen ist ein Grund für die immer häufiger auftretende »Do it your self«-Mentalität, sondern auch die oft schlechte Qualität der in Deutschland illegal verkauften Substanzen. So konnte die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht feststellen, dass im Bereich der Amphetamine Deutschland mit einem Reinheitsgrad von gerade mal durchschnittlich zehn Prozent das »dreckigste« Speed in Europa hat. Norwegen führt hier mit einer durchschnittlichen Reinheit von 52 Prozent.

Ein Blick auf die Zahlen der Kriminalstatistik macht den Anstieg der Selbstproduktion deutlich: Wurden 2002 noch 2 199 Menschen wegen des Anbaus von Cannabis angezeigt, waren es 2003 schon 22,1 Prozent mehr, nämlich 2 684. Bei der chemischen Herstellung von Drogen ist der Anstieg der Strafanzeigen mit 45,4 Prozent noch deutlicher zu sehen. Von 339 im Jahr 2002 kletterte die Zahl auf 493 im Folgejahr. Diese Zahlen mögen zwar gering erscheinen, doch chemische Drogen werden in der Regel in großen Mengen hergestellt.

Bislang wird der überwiegende Teil der Designer-Drogen im Bereich der Amphetamine (Speed, MDMA, Jabba) in Holland, den USA und Großbritannien hergestellt. Dabei wird vor allem in kleinen privaten Labors von semiprofessionellen Chemikern produziert. »Ich hatte mit Chemie bis dahin noch nie etwas zu tun. Aber nachdem ich mich ein bisschen einlas und begriff, was mit ›rückflussiert‹ bzw. ›auskristallisiert‹ gemeint ist, war das alles technisch nicht mehr wirklich ein Problem«, erklärt ein Produzent, der vor einiger Zeit in Deutschland verschiedene Labs betrieb und im Folgenden Heinz genannt wird. Nicht nur Heinz vertritt die These der leicht möglichen Produktion, obwohl für Laien die »Kochanleitung« für die Herstellung von Ecstasy sicher verwirrend ist: »Eine Lösung von 6.55g (36,5mmol) 3,4 Methylendioxyamphetamin als freie Base und 2.8mL Ameisensäure in 150mL Benzen werden solange rückflussiert, bis kein Wasser mehr abgeschieden wird (ca.20h, 1.4mL). Das Reaktionsgemisch wird eingeengt, es bleiben 8.8 g gelbes Öl zurück, welches danach auskristalisiert. Das entstandene N-Formyl-3,4-methylendioxyamphetamin ist für die Weiterreaktion genügend rein.« (aus »Psychedelische Chemie«, von Daniel Trachsel und Nicolas Richard, Nachtschattenverlag)

»Natürlich war der Gewinn der größte Anreiz für mich, solch ein Labor aufzumachen. Den ganzen Psychodruck wegen polizeilicher Verfolgung und aufkommender Paranoia nimmt man nicht auf sich, nur weil man unbedingt Pillen mit – sagen wir einmal – Snoopy-Figuren auf den Markt bringen will«, erläutert Heinz seine Motivation. Doch ist anfangs bei der chemischen Herstellung von Drogen eine Menge an Investitionen nötig. Von den meist nur schwer zu erhaltenden Chemikalien über sterile Bedingungen bis zu exakten Waagen im Mikro- und Nanogrammbereich benötigt solch ein Drogenlabor eine aufwändige Ausstattung. Denn je potenter, giftiger und ätzender die Zusatz- und Mischstoffe werden, desto exakter muss gearbeitet werden.

Wer hier spart, riskiert Produktionsungenauigkeiten, die dazu führen, dass die Endprodukte völlig unberechenbare Wirkungspotenzen entfalten können oder hochgiftige Nebenprodukte entstehen. Und nicht nur die Beschaffung der Stoffe ist ein Problem, sondern auch die Entsorgung. »Ich will ja die Umwelt schützen, aber wenn ich meine ätzenden und giftigen Restmüllstoffe, die durch die Produktion von Pillen anfielen, beim Sondermüll entsorgt hätte, wäre ich direkt ins Gefängnis gewandert«, kommentiert Heinz dieses Problem. Um aus einem Grundstoff wie Ephedrin Methamphetamin (Crystalin) zu gewinnen, wird die rund siebenfache Menge an hochgiftigen, leicht entflammbaren und großteils stark karzinogenen Chemikalien wie Iodwasserstoffsäure, Benzol, Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW), Diethylether etc. benötigt, die alle nicht legal entsorgt werden können. Zumindest wenn kein größeres Aufsehen erregt werden soll.

Doch wenn es ums Sparen geht, sind die meisten Drogenproduzenten sehr kreativ, so auch beim Einsatz ihres Restmülls. Viele Labs produzieren Speed, PCP und Crack hintereinander, da diese drei Stoffe besonders gut in dieser Abfolge hergestellt werden können. Die Abfallstoffe des einen sind vielfach eine wichtige Grundlage des anderen Stoffes. So wurden auch in den meisten, von der Polizei aufgedeckten Labs mehrere illegale Stoffe produziert. Doch trotz dieses Spareffektes bleibt es dabei, dass gerade die Ecstasy-Produktion in Europa hauptsächlich in großindustrieller Fertigung stattfindet. Wenn in Chemiebetrieben, die 20 Tonnen Phenylaceton aufkaufen, davon eine Tonne für die Produktion illegaler Stoffe abgezweigt wird, fällt das kaum auf. Die Materialflüsse innerhalb der Betriebe sind nicht zu kontrollieren. So sind selbst ganz normale Chemiefabriken zu Produktionsstätten illegaler Ecstasypillen geworden.

Für alle von Hartz IV Betroffenen, die ihren Geldbeutel ein bisschen durch die Produktion illegaler Drogen füllen wollen, bleibt daher wohl nur der Anbau von Cannabis, psychotropen Pilzen oder Kakteen. Man kann davon ausgehen, dass innerhalb der nächsten drei Jahre in Deutschland mehr Cannabis produziert als importiert wird. In Großbritannien und den Niederlanden ist es schon heute so. Kleine Homegrower, die gerade so viel anbauen, dass sie noch ein bis zwei Freunde durchfüttern können, schaffen sich hier einen kleinen, aber feinen Nebenerwerb, der nicht weiter auffällt, sie von der Drogenszene unabhängig macht und mit wenig Arbeit verbunden ist.

Pilzzüchter sind derzeit aus rechtlicher Sicht klar im Vorteil. Da in den Niederlanden auf Grund einer Studie frische Pilze legalisiert wurden und sie dort mit Mehrwertsteuer verkauft werden, müssen sie dem EU-Binnenhandelsgesetz zufolge im ganzen EU-Gebiet legal sein. Zwar beschlagnahmt die deutsche Polizei immer noch Pilze und leitet auch Verfahren gegen Personen ein, die frische Pilze verkaufen, doch sollte es wider Erwarten nicht zum Freispruch kommen, ist wegen Verbotsirrtums mit einem sehr milden Urteil zu rechnen.

Werner Graf ist Chefredakteur des Hanf Journal