Wellness beim Führer

Auf dem Obersalzberg in Bayern befand sich das Urlaubsdomizil Adolf Hitlers. Die Hotelkette Interconti wird dort im Frühjahr ein Vier-Sterne-Hotel eröffnen. Kein schöner Land IV. von jan süselbeck

Wie kommt Interconti dazu, auf dem bayerischen Obersalzberg ein Luxushotel zu errichten? Timesonline schätzt den Reiz der Gegend so ein: »Berchtesgaden war in den dreißiger Jahren eine extreme Nazihochburg und kann nicht verbergen, dass Adolf Hitler immer noch eine ihrer großen touristischen Attraktionen ist.«

Hitler fand bereits im Jahr 1923 sein festes Feriendomizil auf dem Obersalzberg, seit 1933 verbrachte er dort ein gutes Drittel seiner Zeit. Dort plante er, in alpiner Ferienstimmmung, seinen Vernichtungskrieg im Osten. Bald folgten ihm auch seine engen Vertrauten Martin Bormann, Hermann Göring und Albert Speer und bauten pompöse Villen auf dem Berg. Von 1937 bis 1945 war der Obersalzberg »Führersperrgebiet«.

Die Souvenirläden der Gegend bieten bis heute braune Devotionalien und Hochglanzbroschüren an. In dem Antiquitätengeschäft »Carinhall«, benannt nach Hermann Görings Landsitz bei Berlin, habe man noch im Jahr 2003 Essbesteck von Martin Bormann kaufen können, berichtet die Welt. Örtliche Taxifahrer erklärten der Zeitung zufolge dem Besucher gerne auch einmal ungefragt, es sei ja »nicht alles schlecht gewesen, was der Hitler gemacht hat«.

Im März will die britische Hotelkette Interconti auf dem Obersalzberg ein Vier-Sterne-Hotel mit 138 Zimmern und einem 1 400 Quadratmeter umfassenden Wellnessbereich eröffnen. Trägerin ist die Gewerbegrund GmbH, eine Tochtergesellschaft der Bayerischen Landesbank. Keine Frage: Dort, wo der Wellnesswahn, die bayerische Alpennatur und die Aura einer ehemaligen Machtzentrale des Nationalsozialismus aufeinander treffen, liegt auch das Geld für Dienstleister, die derartige Synergieeffekte zu nutzen wissen, auf der Straße.

Möglichen Bedenken gegen das Geschäft mit dem Tourismus im Dunstkreis von Hitler-Wallfahrten trat der Direktor des Hotels, Jörg Böckeler, in Timesonline mit dem Hinweis entgegen, man wolle »eine Wohlfühlerfahrung ermöglichen«. Wo Hitler einst mit Panoramablick bis hinüber nach Salzburg darüber grübelte, wie die Welt an der Kampfesnatur der »Arierrasse« genesen könne, will Interconti mit Heilungsmethoden der Aborigines, mit Feng Shui und anderem esoterischen Zinnober den High-Class-Tourismus beglücken. »The Intercontinental Resort Berchtesgaden, eine Oase des Wohlfühlens«, verspricht der Konzern auf seiner Website.

Dass der braune Ruf der Gegend, dem selbst die bis 1996 andauernde US-amerikanische Militärverwaltung nicht entgegenwirken konnte, dieser »Wohlfühlerfahrung« im Wege stehen könnte, ist unwahrscheinlich. Er dürfte der Wellnessindustrie eher nützen. »Wir haben doch nur deswegen die guten Buchungen, weil der Name ›Obersalzberg‹ international immer noch herumspukt«, sagte Johann Gföller, der Direktor des Berchtesgadener »Alpenhotels Kronprinz«, dem Rheinischen Merkur.

Auf dem Obersalzberg macht bereits die Pension »Zum Türken« gutes Geld. Dort logierte einst Hitlers persönliche Leibgarde. Das Haus wurde nach der Eroberung durch die US-Armee enteignet und nach dem Krieg den Erben des früheren Eigentümers zurückgegeben. Heute bietet die Pension unseriöse Führungen durch die Ruinen des ehemaligen Berghofs Hitlers an und wirbt so der offiziellen Obersalzberg-Ausstellung des Münchner Institutes für Zeitgeschichte Besucher ab. Das Institut versucht seit 1999, über die Geschichte des Ortes aufzuklären.

Interconti ist darauf bedacht, sich ohne Fehltritte durch das »historisch hochgradig kontaminierte Gebiet« (Die Welt) zu bewegen. Die Uniformen der Angestellten des Hotels wurden nach Angaben der Berliner Morgenpost so gestaltet, dass trotz der Hauptfarbe Beige keine Ähnlichkeit mit »Braunhemden« drohe. Der Hoteldirektor Böckeler wurde der Welt zufolge allerdings davor gewarnt, dass »die an der Decke befestigten Schwallduschen in den Badezimmern an die falschen Duschköpfe in den Gaskammern von Auschwitz erinnern könnten«.

Dass das Hotel unweit von Hitlers ehemaligem Teehaus, das am 30. April 1952 nach einem Übereinkommen zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der US-amerikanischen Besatzungsmacht zusammen mit den Ruinen des Berghofs und den Häusern Görings, Bormanns und Speers gesprengt wurde, ausgerechnet eine luxuriöse »Tea Lounge« anbieten will, findet man unverfänglich.

Tatsächlich sind die Wellnessküche und die Joggingpfade, mit denen Interconti seine Gäste zum Verweilen einladen will, nicht völlig unvereinbar mit der Hitler-Nostalgie, die bislang bereits an diesem Ort gepflegt wurde. Auch der Vegetarier Hitler soll den Tag in jenem Teehaus am Berghof begonnen haben, wo er seine Gefolgschaft mit endlosen Monologen zum Thema Ernährung traktierte. Hitler ließ sich aus seinen eigens dafür angelegten Gewächshäusern nur mit Kartoffeln, frischem Gemüse und Kräutern versorgen. Unverbesserliche Bouillontrinker bezeichnete er als Konsumenten von »Leichentee«. Dies berichtete zumindest Albert Speer in seinen »Erinnerungen«.

Beim Essen dozierte Hitler gerne darüber, warum das Fleisch den Menschen »kraftlos« mache. Hitlers ehemalige Sekretärin Christa Schroeder erzählte: »Als Beispiele führte er das Pferd, den Stier und den Elefanten an, alle drei Pflanzenfresser, die mit großer Kraft und Ausdauer ausgestattet sind. ›Hingegen die Hunde‹, so sagte Hitler, ›als ausgesprochene Fleischfresser, lassen schon nach geringer Anstrengung die Zunge hängen.‹«

Auch den zukünftigen Besuchern des »in Deutschland bislang einzigartigen Mountain Resorts« (Allgemeine Hotel- und Gaststättenzeitung) auf dem Obersalzberg soll das gesunde alpine Ferienprogramm ganz neue, ungeahnte Kräfte verleihen. Die rechtsextreme Website »heimatschutz.net« hingegen wittert bereits »demokratische Wildschweine im Führerhauptquartier« und berichtet über die »Probleme der Gutmenschen mit dem historischen Erbe«.