Keine Mauer hält ewig

Zu Weihnachten wurden zwei Etagen der Yorck 59 in Berlin-Kreuzberg zugemauert. Der Konflikt um das Hausprojekt geht in die nächste Runde. von christoph villinger

Eine Weihnachtsüberraschung der besonderen Art erlebten die BewohnerInnen des alternativen Wohnprojekts Yorck 59 in Berlin-Kreuzberg am Heiligabend. In den Morgenstunden brachen Unbekannte durch einen Seiteneingang in die zweite und dritte Etage des Hinterhauses ein und mauerten die offiziellen Eingänge zu. In der zweiten Etage befinden sich neben vielen anderen Projekten auch die Büroräume der Antirassistischen Initiative. An deren Tür hinterließen die Maurer sogar ein Bekennerschreiben: »Malermeister Lampert«. Doch die Mauer stand nur wenige Tage, jetzt liegen die Steine sauber gestapelt im Flur.

Für Katja Krüger, eine der 60 BewohnerInnen der Yorck 59, handelt es sich um eine weitere Aktion des neuen Hausverwalters Boris Marweld, »um uns aus dem Haus zu schmeißen«. Die Bank des Vorbesitzers hat das Haus nach dessen Pleite im Herbst 2003 an den Hamburger Immobilienverwerter Marc Walter verkauft (Jungle World, 35/04). Ein Kaufangebot der BewohnerInnen wurde übergangen.

Seitdem versuchen der neue Hausbesitzer Walter und sein Verwalter Marweld, die bewohnten Fabriketagen im Hinterhaus leer zu bekommen. Zum einen kündigten sie dem Hausverein »Färbung« zum September 2004. Als Kompromiss boten sie einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag mit einer Mietsteigerung von über 50 Prozent an. Zum anderen häuften sich seitdem Vorfälle wie »durchgeschnittene Telefonleitungen, aufgebrochene Briefkästen und aufgeschlitzte Fahrradreifen«, wie Katja Krüger berichtet.

Auch für die Immobilienverwerter sind die ruhigen Zeiten längst vorbei. Im Mai fand eine Kundgebung vor dem Sitz der Hausverwaltung in Charlottenburg statt, Anfang September besuchten die BewohnerInnen den Hausbesitzer vor einem seiner Wohnhäuser in Hamburg, Mitte November trafen sich UnterstützerInnen der Yorck 59 vor dem Berliner Wohnsitz Walters. Der zeigte sich bei einem Gespräch mit der Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) und dem Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) sichtlich genervt, erntete aber wenig Verständnis. Da in der Gegend genügend teure Lofts für »Bessserverdienende« leer stehen, ist sogar den PolitikerInnen unklar, was Walter eigentlich will. Er solle froh sein, dass seine Räume überhaupt vermietet seien, hieß es. Ihm gehe es »nicht ums Geld, sondern ums Prinzip«, habe der Hamburger gekontert.

So läuft parallel zu den politischen Auseinandersetzungen vor dem Landgericht Berlin die Räumungsklage Walters gegen die BewohnerInnen. In einer ersten Runde gab das Landgericht Berlin am 23. Dezember wie erwartet dem Immobilienverwerter Recht und forderte den Hausverein auf, das Gebäude zu räumen. Doch der ist bereits ausgezogen. Dagegen pochen die BewohnerInnen auf ihre Rechte als Wohnungsmieter. Zwar handle es sich bei dem Vertrag mit ihrem Hausverein oberflächlich betrachtet um einen Gewerbemietvertrag, aber von Anfang an sei klar gewesen, dass es ums Wohnen geht.

Die Auseinandersetzung um diese letztlich entscheidende juristische Frage hat aber noch gar nicht begonnen. Noch fehlen nämlich dem Besitzer die Namen der einzelnen MieterInnen, und bis er sie beisammen hat, werden wohl noch mehrere Monate ins Land gehen.

Inzwischen zeigte sich sogar die Polizei von der Argumentation der BewohnerInnen so beeindruckt, dass sie von ihrer anfänglichen Unterstützung des Hausverwalters und seines »Malermeisters Lampert« abrückte und den Ausgang des Zivilprozesses abwarten will. Doch die BewohnerInnen wollen nicht mehr so lange warten. Sie fordern den Besitzer auf, ihnen in Kooperation mit dem Mietshäuser-Syndikat das Hinterhaus für ungefähr 750 000 Euro zu verkaufen.