Trauern in Reih und Glied

Am kommenden Samstag wollen freie Kameradschaften und die NPD in Magdeburg aufmarschieren. Anlass ist der 60. Jahrestag der Bombardierung der Stadt. von peter sonntag

Es wird ein Jahr der Trauer und des Gedenkens für die Neonaziszene. Der Aufmarsch stellt den Auftakt einer Reihe von Demonstrationen dar, die freie Kameradschaften und die NPD für das Jahr 2005 planen. In diesem Jahr stehen viele Jahrestage an, die mit dem Zweiten Weltkrieg und der Niederschlagung des Nationalsozialismus zu tun haben. Am 13. Februar wird in Dresden getrauert, und am 8. Mai ist unter dem Motto »Gegen 60 Jahre Befreiungslüge – Schluss mit dem Schuldkult« ein Aufmarsch am Brandenburger Tor in Berlin geplant.

Mit der Rede vom »Bombenholocaust« versuchen die Neonazis, die Diskussion um die deutschen Bombenopfer zu beeinflussen. Die Verbrechen des Nationalsozialismus sollen relativiert werden, indem sie mit alliierten Bombardierungen gleichgesetzt werden. Im Aufruf der so genannten Magdeburger Kameradschaft Festungsstadt heißt es: »Beteiligt euch zahlreich an unserem Gedenkmarsch und lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen gegen Mord und Terror der Kriegstreiber des internationalen Großkapitals. Wir dürfen nie in Vergessenheit geraten lassen, was dem deutschen Volk an Leid und Elend zugefügt wurde.«

Die Erinnerung »an die Tausenden unschuldigen Opfer der alliierten Kriegsverbrecher« müsse wach gehalten werden. Gerade in diesem Jahr versuchen Neonazis, im Rahmen von Gedenkveranstaltungen und Trauermärschen öffentlich wahrnehmbar zu sein. Die bundesweite Mobilisierung der Neonazis läuft seit gut einem halben Jahr. Sowohl die »Aktionsbüros« als auch der »Freundeskreis Halbe«, der Jahr für Jahr rund 1 000 Kameraden ins Brandenburgische ruft, unterstützen den Aufruf der Magdeburger Kameradschaft.

In Magdeburg ist es den Neonazis in den vergangenen Jahren gelungen, das Gedenken an die Opfer der Bombenangriffe mehr und mehr zu dominieren. Nahmen im Jahr 1998 gerade mal 15 Kameraden an der städtischen Gedenkveranstaltung teil, so waren es in den Jahren 2001 bis 2004 jeweils rund 200 Neonazis, die auf eigenen Veranstaltungen trauernd aus der Wäsche guckten. Bereits vor einem Jahr sei von der Magdeburger Kameradschaft eine Großdemonstration angekündigt worden, sagt Michael Jahnert, Sprecher des Antifaschistischen Aktionsbündnis Magdeburg. Ihm zufolge handelt es sich bei den geplanten Trauermärschen um einen »geschichtsrevisionistischen Wanderzirkus«.

Der Teil der Kameradschaftsszene, der diesen Aufmarsch organisiert, kommt nicht aus dem Umfeld des Hamburger Neonazis Christian Worch, der seit Jahren im Clinch mit der NPD liegt. Worch hat in den vergangenen Jahren an beinahe jedem Wochenende irgendwo eine Demonstration angemeldet, zu denen jedoch im Schnitt nur 60 bis 80 Personen erschienen. Er wurde weder als Redner noch zur Vorbereitung des »Trauermarsches« am kommenden Samstag eingeladen.

Vielmehr wurde die Veranstaltung vom der NPD nahe stehenden Kameradschaftsspektrum initiiert. Mit Thorsten Heise und Ralph Tegethoff stehen zwei frischgebackene NPD-Mitglieder auf der Rednerliste, die seit Jahren führende Kader in der Kameradschaftsszene sind. Heise wurde auf dem Parteitag im thüringischen Leinsfelden im Oktober 2004 in den Vorstand der Partei gewählt.

Jahnert glaubt, dass die sachsen-anhaltinische Kameradschaftsszene sich auch im Hinblick auf den beginnenden Landtagswahlkampf zu positionieren versucht: »Die NPD ist in Sachsen-Anhalt sehr schwach und kann es ohne die Kameradschaften nicht schaffen, und die Kameradschaften wissen das auch.«

Die AnmelderInnen der Antifa-Demonstration beklagen, dass die Stadt Magdeburg nach wie vor die organisierte Neonaziszene und den Aufmarsch am Samstag am liebsten ignorieren würde. Cornelia Poenicke, Pressesprecherin des Magdeburger Oberbürgermeisters Lutz Trümper (SPD), meint: »Ein Oberbürgermeister vertritt die ganze Stadt und damit alle Bürger.« Es sei »erst einmal so, dass ein Oberbürgermeister zur Neutralität verpflichtet ist«, sagte sie der Jungle World. Deshalb habe er die Bevölkerung nicht zur Teilnahme an den Gegenaktivitäten aufgerufen. Die Stadt wolle aber am Rande der Marschroute »Banner mit Texten« zeigen, um ihre Ablehnung der Neonazis zu demonstrieren.

Zudem habe Trümper sofort nach Bekanntwerden der Anmeldung die Polizeipräsidentin brieflich gebeten, ein Verbot des Aufmarsches zu prüfen. Versuche, solche Aufmärsche zu verbieten, seien jedoch in der Vergangenheit gescheitert, weil sich alle Bürger auf die Versammlungsfreiheit berufen könnten.

Hingegen sagt Jahnert, dass die Gespräche mit VertreterInnen der Stadtverwaltung den Eindruck hinterlassen hätten, das Problem gehe aus Sicht der Stadt eher von der Antifa aus und nicht von den Neonazis. In Vorgesprächen wurde die ursprünglich angemeldete Route der Antifa-Demonstration von der Polizei verboten, da sie Überschneidungen mit der Route der Neonazis aufwies. Der zweite Vorschlag der AnmelderInnen wurde angenommen. Jedoch sei ein Flyer von der Polizei als »Aufruf zur Gewalt« gewertet worden. Sie habe daraufhin »massive Vorkontrollen« angekündigt, erzählt Jahnert. Dagegen sagt die Pressesprecherin der Polizei, Grundler, dass keine Kontrollstellen eingerichtet würden. Jedoch könnten Personen, »die auffallen«, kontrolliert werden. Es werde ein »größerer Polizeieinsatz«, zehn Einsatzhundertschaften seien angefordert. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung solle jedoch gewahrt werden.

Anmeldungen zu Gegenveranstaltungen lägen vom Antifaschistischen Aktionsbündnis, den Falken, der PDS und dem DGB Region Magdeburg vor. Den rechten Aufmarsch habe die »Initiative gegen das Vergessen« angemeldet, die bereits in den vergangenen Jahren den Trauermarsch angemeldet hatte.

Die »nationalen Revolutionäre« haben sich in vorauseilendem Gehorsam selbst strenge Auflagen erteilt. Auf der Homepage der Kameradschaft Festungsstadt heißt es neben dem üblichen Verbot von Alkohol, Zigaretten, Springerstiefeln und Bomberjacken: »Vor allem während der offiziellen Veranstaltungsteile (Reden, Marsch) sind die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen.«

Beginn der Antifa-Demonstration: 10 Uhr, am Hauptbahnhof