Beglücken Sie Afrika!

Gleichzeitig mit der Sicherheitskonferenz findet in München eine Konferenz der deutschen Wirtschaft und der Banken statt. von ariane brenssell

Die Militärstrategen der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik tagen in diesem Jahr nicht allein. Erstmals findet in Kooperation mit der so genannten Sicherheitskonferenz auch eine Konferenz der deutschen Wirtschaft und der Banken statt. Die erste »Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost« wird vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Bundesverband deutscher Banken (BDB) ausgerichtet. Internationale Kooperationspartner sind die Weltbank-Gruppe und die Europäische Investitionsbank.

Eine Verbindung zwischen den beiden Konferenzen schafft die Rede von Bundespräsident Horst Köhler zum Thema »Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung«. Köhler wird sich nicht zum ersten Mal zur Sicherheitspolitik äußern. Als Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF) sprach er sich für einen »kurzen« Irakkrieg aus, und als Bundespräsident erwähnte er im vorigen Dezember die »Legitimität humanitären Eingreifens« in Afrika.

Doch was sind die konkreten Interessen von BDI und BDB? Claus Peter Rees vom Organisationsbüro der Konferenz und Peter Kreutzberger von der Nordafrika-Mittelost-Initiative des BDI äußern sich auf Nachfragen nur vage. Zu ihrer Konferenz im Hotel Dorint, unweit vom Tagungsort der Sicherheitskonferenz, würden am 11. Februar 250 Vertreter von Unternehmen, von Banken und der Politik erwartet, die »Zielgröße« sei erreicht, sagt Rees. Themen seien etwa »die Förderung bilateraler Investitionen« und »Investitionschancen und Finanzierungsstrategien in der Region«. Um konkrete Fachthemen gehe es nicht, behauptet Rees. »Die Konferenz hat einen breit ausgelegten Nexus mit fachlicher Tiefe.« Die Redner seien allesamt »hochkarätige Herrschaften, die zugleich öffentliche Positionen innehaben, operative Leute, ein Zuschnitt allererster Garde«, schwärmt er. So werden der Generalsekretär der OECD, Donald Johnston, und der Präsident der Europäischen Investitionsbank, Philippe Maystadt, erwartet. »Im Moment sind wir noch im Gespräch mit dem Generalsekretär der arabischen Liga. Es sind echte ›High Shots‹ dabei«, sagt Kreutzberger.

Welche gemeinsamen Interessen mit der Sicherheitskonferenz bestehen, bleibt nebulös. »Demokratie und Gesellschaftsform formen sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes, das sind unsere Grundgedanken«, sagt Kreutzberger. Rees sagt: »Wirtschaft und Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille: Um Jobs zu schaffen, müssen ein paar Grundfragen geregelt sein, wie Fragen der politischen Unsicherheit, daher gibt es ein großes Raster an Sicherheitsthemen.« Und Kreutzberger ergänzt: »Es geht darum, Investitionen in die Region zu ziehen. Wirtschaft und Entwicklung in eine Region zu bringen, macht die Region stabiler.«

Da wird selbst das Einladungsschreiben zur Konferenz deutlicher. Darin wird mit hohen Gewinnen gelockt: »In den letzten drei Jahren hat sich das wirtschaftliche Wachstum in der Region von durchschnittlich 2,8 auf sechs Prozent verdoppelt. Nutzen Sie die erste Finanzierungskonferenz«, heißt es, »um Aktuelles zu zentralen Fragen (…) bilateraler Export-, Projekt- und Investitionsvorhaben zu erfahren und ihre Kontakte in die Region auszubauen.« »Spezifische Sicherheitsrisiken« behinderten »Handel und Investitionen in der Region«.

Horst Teltschik, der Veranstalter der Sicherheitskonferenz, eröffnet auch die Wirtschaftskonferenz mit einem Grußwort, zum Abschluss gibt es einen »Transfer« zum Dinner im Bayerischen Hof. »Der Empfang gemeinsam mit Teilnehmern der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik« biete einen »Rahmen für vertrauensvolle Gespräche«, verspricht die Einladung.

Ein Hintergrund der Konferenz ist die bis 2010 geplante Freihandelszone mit den Mittelmeeranrainern, genannt Euromed. Der Plan für diese Freihandelszone geht zurück auf die Ministererklärung von Barcelona 1995, die im Jahr 2000 vom Europäischen Rat noch einmal bekräftigt wurde. »Dem Barcelona-Prozess zugrunde liegt ein starkes außenpolitisches Interesse der EU, ihren Einfluss auf ihre südlichen und östlichen Nachbarn durch wirtschaftliche Annäherung auszuweiten«, besagt eine Studie vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und der Organisation Weed, (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung). Die Studie wird Ende Februar erscheinen. »Die EU unterstützt regionale Freihandelsabkommen, die als Vorstufe einer mediterranen Freihandelszone gesehen werden«, heißt es darin. Diese soll der EU »die bevölkerungsreichste Freihandelszone der Welt erschließen« und für eine »enge Anbindung an das europäische Wirtschafts- und Wertesystem« sorgen. Und das in einer Region, in der viele von heimischen Textilien und landwirtschaftlicher Produktion leben, die bislang von »Liberalisierungsverpflichtungen ausgenommen« waren, wie es in der Studie heißt. Gerade bilaterale Verhandlungen, wie sie auf der Münchner Konferenz vorbereitet werden, spielen in der Außen- und Wirtschaftspolitik der EU und auch in der deutschen eine herausragende Rolle. Durch sie kann starker Einfluss gewonnen werden. Der Handelskommissar der EU, Pascal Lamy, sagte der Jakarta Post: »Wir benutzen immer bilaterale Freihandelsabkommen, um Sachen jenseits der WTO-Standards zu bewegen.«

Dabei geht es in der anvisierten Region nicht allein um Wirtschaftsfragen. Die »unkontrollierte Migration« gilt als eins der wichtigen Themen der europäischen Sicherheitspolitik. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte im vergangenen Jahr die Idee, Aufnahmezentren jenseits der EU-Grenzen zu schaffen, und sprach in diesem Zusammenhang in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einer »EU-Außenstelle in Nordafrika«.

Derzeit schaffen die EU-Staaten »weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ein neues Abschiebesystem«, sagt Helmut Dietrich vom Forschungszentrum Flucht und Migration (FFM) in Berlin. Er verweist darauf, dass sich die Justiz- und Innenminister der EU »auf ihrem informellen Treffen im Herbst in Scheveningen prinzipiell darauf geeinigt« hätten, dass die EU die Errichtung von »Aufnahmezentren für Asylbewerber in Algerien, Tunesien, Marokko, Mauretanien und Libyen anstrebt, aber nicht unter Leitung der EU, sondern der jeweiligen Länder«. Um die Länder der Region zur »partnerschaftlichen Zusammenarbeit« zu bewegen, soll »von sämtlichen geeigneten Instrumenten der EU-Außenbeziehungen Gebrauch gemacht« werden, heißt es in einer Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

Die Bundesregierung handelt, was die Beziehungen zu den Ländern der Region betrifft, bereits in eigener Regie. Im Jahr 2002 etwa hatte nach dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung die Ausfuhr militärischer Überwachungsgüter in nordafrikanische Staaten den Umfang einer zweistelligen Millionensumme.