Event des Jahres

Auch in diesem Jahr wollen Neonazis am 13. Februar in Dresden aufmarschieren und an den offiziellen Gedenkfeiern teilnehmen. von arthur leone

Kreativität ist ja bekanntlich der Neonazis Stärke nicht. Einfach das Motiv vom vorigen Jahr genommen und die Farben verändert – fertig ist das Plakat zum Trauermarsch »Dresden. Erinnern« am 13. Februar. Die Kameraden werden trotzdem kommen. Antifas erwarten mindestens 2 000 von ihnen zum 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens.

Ein Blick auf die einschlägigen Webseiten bestätigt die Einschätzung. In den relevanten Infoportalen, von der NPD über das Aktionsbüro Norddeutschland bis hin zum »Freien Widerstand«, wird meist an zentraler Stelle für den Aufmarsch in Dresden geworben. In den Foren werden neueste Gerüchte ausgetauscht und Busse organisiert. Die Teilnehmerzahl stieg in den vergangenen Jahren immer weiter an, von wenigen hundert auf rund 1 000 im letzten Jahr.

Der Aufmarsch in Dresden hat sich zu einem der großen Events der deutschen Neonaziszene entwickelt. Er hat inzwischen eine ähnliche Bedeutung wie der 1. Mai, der Rudolf-Heß-Gedenkmarsch, das Pressefest der NPD und ihres Zentralorgans Deutsche Stimme oder das »Heldengedenken« in Halbe. Im Gegensatz zu den anderen Ereignissen, die die NPD und die so genannten Freien Kameradschaften mehr oder weniger unter sich aufteilen, ist Dresden die Veranstaltung, bei der es keine Streits und keine Konkurrenz mehr zwischen den nationalen Lagern gibt.

Das liegt zum einen daran, dass die Kameradschaften und die NPD in Dresden schon länger recht eng zusammenarbeiten. Vor allem aber ist es das Thema, das sie eint. Beim nationalen Gedenken an die Bombardierung Dresdens wollen alle mitmachen. Aus der Bombardierung der Stadt machten die Rechtsextremen einen »Bombenholocaust« und arbeiteten damit dem Opfermythos zu. 27 Prozent der Deutschen unter 30 Jahren halten den Begriff nicht für anstößig. Es ist der Glaube, an den Diskurs der Mehrheit anknüpfen zu können, der so viele Nazis nach Dresden lockt.

Und da bietet der 13. Februar so einiges. Vormittags findet die offizielle Trauerfeier auf dem Heidefriedhof statt. Prominenz aus Stadt und Land legt dort traditionell Kränze am Gräberfeld für die Bombenopfer ab. Rechtsextremisten aus dem Umfeld von NPD, DVU, Republikanern, »Freien Kräften«, der Deutschen Partei oder der »Gemeinschaft Deutscher Osten« durften bislang immer nur getrennt von der offiziellen Veranstaltung trauern gehen. Da aber die NPD bzw. das Nationale Bündnis Dresden (NBD) jetzt sowohl im sächsischen Landtag als auch im Dresdener Stadtrat vertreten ist, kann ihren Mitgliedern die Teilnahme kaum verwehrt werden.

Die Bilder sind also voraussehbar: Mit stolzgeschwellter Brust, ernsten Mienen und einem ansehnlichen Tross werden die NPD- und NBD-Funktionäre erscheinen. Sie werden wie alle anderen ihre Kränze an jenem Mahnmal ablegen, wo 14 Ortsnamen in Stelen gemeißelt stehen: Dresden gleichberechtigt neben Coventry, Leningrad und – Auschwitz.

Am späten Nachmittag dann treffen sich die Nazis zu ihrem Aufmarsch hinter der Semperoper. Angemeldet wird er seit Jahren von einem Kader der sächsischen Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), Alexander Kleber. Kaugummi kauen, Plaudern und Telefonieren werden wieder untersagt sein, das Tragen von Fackeln, Trommeln und das Abspielen ernster Musik dagegen wohl eher erwünscht. Obwohl das Ordnungsamt in den letzten Jahren am 13. Februar stets generelle Versammlungsverbote für die Dresdener Innenstadt erlassen hatte, war die Route der Nazis doch immer recht attraktiv. Auch dieses Jahr dürften sie wieder über zwei Brücken und am altstädtischen Elbufer entlang ziehen. Derzeit gibt es noch einen Rechtsstreit darüber, ob die NPD vor dem Landtag eine Kundgebung abhalten darf.

Am Abend versammeln sich alle, die noch mehr trauern wollen, an der Frauenkirche. Um 21.45 Uhr werden sie schweigend den Glocken aller Dresdener Kirchen lauschen. Wie in den Jahren zuvor dürften es sich viele Nazis wieder nicht nehmen lassen, an diesem Gedenken teilzunehmen. Wer es dagegen wagt, Sektkorken knallen zu lassen oder die Trauer anderweitig zu stören, dürfte wieder Probleme mit der Polizei bekommen.

Auf den Nazi-Webseiten fällt auf, wie sehr die Rechten doch auf ihre politischen Gegner fixiert sind. Ausführlich und empört werden Sätze von Antifas zitiert, die sich abfällig über das Gedenken äußern. Und derer sind nicht wenige. Denn auch radikale Linke aus ganz Deutschland wollen nach Dresden fahren. Sie haben jedoch keineswegs nur den Naziaufmarsch im Blick, sondern wollen gegen das gesamte Trauerprogramm vorgehen. »Das nationale Erinnerungskollektiv beschränkt sich eben nicht nur auf ein paar durchgeknallte »Opa war kein Verbrecher«-Nazis«, heißt es im Aufruf eines Bündnisses von Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet. Vielmehr betreibe der »bürgerliche Trauermob« eine subtilere Politik als die bekennenden Nazis. So höre man zwar auch beim offiziellen Gedenken mittlerweile deutlich heraus, dass die Bombardierung die Antwort auf die deutschen Taten gewesen sei. Aber mit »dem Gerede um Versöhnung, seelische Wiedergutmachung und der Ächtung von Gewalt an sich hat etwas viel Dramatischeres stattgefunden, etwas, was selbst tausend pöbelnde Nazis nicht hinbekommen hätten: Die wiederholte Enteignung der Opfer.« Eine Enteignung ihrer Geschichte habe stattgefunden, indem selbst Begriffe wie der Holocaust jetzt auch auf deutsche »Opfer« angewendet würden.

Neben dem Versuch, den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern, sind weitere dezentrale Aktionen gegen die Gedenkveranstaltungen angekündigt. Bereits am 12. Februar wird eine Demonstration unter dem Motto »Deutsche TäterInnen sind keine Opfer« stattfinden.

Bei den Neonazis macht sich derweil ein wenig Verunsicherung breit. So kursierte in einem Internetforum das Gerücht aus Kreisen der JLO, die Veranstaltung solle nicht mehr in so großem Umfang stattfinden. Das wurde zwar offiziell dementiert, aber die Rechtsextremen in Dresden und der Sächsischen Schweiz haben offenbar Probleme mit dem Anmelder des Aufmarschs, Alexander Kleber. Es handelt sich offenbar um interne Streitigkeiten vor dem großen Event.