Heiliger Kriegsrat

Am kommenden Samstag veranstalten Unterstützer des so genannten Widerstands im Irak eine Konferenz in Berlin. von ivo bozic
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Am 20. März jährt sich zum zweiten Mal der Angriff der USA auf den Irak. Und wie im vergangenen Jahr trommeln Unterstützer des Terrorismus im Irak weltweit an diesen Tagen zum Protest. »Unterstützt den irakischen Widerstand«, fordert die Antiimperialistische Koordination (AIK) aus Wien auf einem Flugblatt, mit dem sie zu Aktionen am 19. März aufruft. Bereits am 12. März soll in Berlin eine »Internationale Irak-Konferenz« stattfinden, mitorganisiert ebenfalls von der AIK.

Währenddessen im Irak: Auch hier sind wie im vorigen Jahr die Terroristen vor dem Jahrestag besonders aktiv. Der Bombenanschlag in Hilla in der vergangenen Woche, der 125 Menschen, allesamt Iraker, aus dem Leben riss und über 130 verletzte, war nicht nur die brutalste Terroraktion seit Kriegsende, sondern auch der Auftakt für eine Reihe weiterer mörderischer Angriffe.

Um zu beraten, wie man diesen »Widerstand« weiter unterstützen kann, wird sich am Wochenende in Berlin ein Bündnis von Linken und arabischen Nationalisten versammeln. Zu den Veranstaltern gehören neben der Tageszeitung junge Welt und der AIK unter anderen der Deutsche Freidenkerverband, Linksruck, die Attac-AG Globalisierung und Krieg, die DKP Berlin, die KPD, das Arabische Kulturforum Berlin, der Deutsche Friedensrat, das ba’athistische Komitee Freier Irak und die Betreiber der Zehn-Euro-Kampagne, bei der Geld für die Terroristen gesammelt wird.

Obwohl diese Gruppen allesamt ihre Solidarität mit dem »Widerstand« eint, hat die blutige Realität im Irak dazu geführt, dass selbst eingefleischte Antiimperialisten langsam auf Distanz gehen. So bekannte sich im vorigen Jahr die DKP zu ihrer Schwesterpartei, der irakischen KP, die den Terror entschieden ablehnt und Teil des Regierungsrates im Irak war. Das führte zu schweren Verwerfungen innerhalb der DKP (Jungle World, 49/04). Auf dem letzten Parteitag konnte sich am 13. Februar der Vorstand der DKP mit seiner Haltung durchsetzen. Allerdings mussten sich der Vorsitzende Heinz Stehr und seine Stellvertreter bei der Vorstandswahl mit deutlich weniger Stimmen zufrieden geben. Anträge, den »Widerstand« zu unterstützen, wurden abgelehnt.

Zu einem weiteren Konflikt kam es auf einem der Vorbereitungstreffen zur Irak-Konferenz, das im Januar in den Räumen der jungen Welt stattfand. Vertreter der antiimperialistischen Gruppe »Verlag Neue Einheit«, die sich auf die glorreiche Tradition der stalinistischen KPD/ML beruft, stellten dabei den emanzipatorischen Charakter der irakischen »Widerstandskräfte« in Frage. Speziell das Gerede der Irakischen Patriotischen Allianz (IPA) von einer »zionistischen Okkupation«, und die Verteidigung der antisemitischen palästinensischen Hamas auf dem Vorbereitungstreffen wurden von der Gruppe kritisiert. »Sollen ultrarechte und Nazi-Thesen im Raum stehen bleiben?« fragten ihre Vertreter und sahen sich daraufhin heftigen Anwürfen ausgesetzt. Auch ihr Vorschlag, sich von der »reaktionären Rolle des politischen Islam« zu distanzieren, wurde entschieden abgelehnt.

Dabei hat sogar die AIK gemerkt, dass ihre offene Sympathie und Unterstützung für den Terrorismus selbst bei überzeugten Revoluzzern zuweilen ein gewisses Erschrecken vor dem Ausmaß der Gewalt auslöst, angesichts der Bilder von willkürlich ermordeten Irakis und enthaupteten Geiseln. Seitdem das NDR-Magazin »Panorama« Ende Januar ein Video ausstrahlte, auf dem Attentäter berichten, dass sie ihr blutiges Handwerk nicht etwa aus antiimperialistischer oder islamistischer Gesinnung betrieben, sondern weil sie dafür – aus verborgenen Schatullen des alten Saddam-Regimes – bezahlt würden, rückte auch die Zehn-Euro-Spendenkampagne wieder in ein schlechtes Licht.

Die AIK sah sich daraufhin genötigt zu erklären, von dem Geld habe man zwei Tonnen Medikamente in die Region um Falluja gebracht. Dabei stammt das Geld für die Medikamente in Wirklichkeit von der Irakischen Gemeinde Österreichs. Nur die Transportkosten in Höhe von 1 870 Euro kommen ihren eigenen Angaben zufolge aus der AIK-Kriegskasse.

Dass es den Teilnehmern der Konferenz nicht nur um ideelle Unterstützung geht und dass auch der bewaffnete Kampf ihre volle Unterstützung findet, haben die meisten bereits in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht. Der Podiumsgast Awni al-Kalemji, der Sprecher der IPA, erklärte: »Wenn man die Besatzer schlagen will, gibt es nur einen Weg: einen Guerilla-Krieg, bewaffneten Kampf.« Dabei handele es sich um einen »heiligen Krieg gegen die zionistisch-imperialistische Koalition«.

An der Konferenz will auch Scheich Jawad al-Khalisi teilnehmen, von dem das Zitat stammt: »Der bewaffnete Widerstand ist etwas völlig Normales und auch nach internationalem Recht völlig legitim. Oder war etwa die französische Résistance gegen die Nazi-Besatzung nicht legitim? Jedes Volk hat das Recht, gegen Fremdherrschaft bewaffnet aufzustehen.«

Denselben revisionistischen Vergleich zog auch Werner Pirker in der jungen Welt. Der irakische »Widerstand« sei »nicht mehr und nicht weniger terroristisch, als es die französische Resistance war«, meint Pirker. Der Organisator der Konferenz, Joachim Guillard vom Antikriegsforum Heidelberg, hat öffentlich erklärt: »Widerstand, auch militärische Aktionen gegen die Besatzer, ist selbstverständlich legitim. Das hat mit Terrorismus im engeren Sinne nichts zu tun.«

Diese bellizistischen Friedensfreunde wollen nun am 12. März in Berlin ihr weiteres Vorgehen besprechen. Ort des Treffens soll das Hendrik-Kraemer-Haus in der Lindenstraße sein. Das Gebäude einer niederländischen Reformierten Gemeinde ist Teil des Interreligiösen Zentrums Jerusalem, direkt gegenüber dem Jüdischen Museum. Die ökumenische Gemeinde will mit der Konferenz nichts zu tun haben. Die Räumlichkeiten gehörten dem Interreligiösen Zentrum, mit dem Hendrik-Kraemer-Haus sei die Veranstaltung nicht abgesprochen, hieß es.

Bernd Moltzan, der Projektkoordinator des Interreligiösen Zentrums, sagte der Jungle World, er kenne einige der Veranstalter durch frühere Zusammenarbeit, zum Beispiel Attac, und sehe sie im »linken Spektrum der Friedensbewegung« angesiedelt. Man habe zwar vorher überlegt, ob man ihnen die Räumlichkeiten überlassen sollte, sich nach Gesprächen mit den Veranstaltern jedoch von deren gutem Willen überzeugen lassen. Als Kontaktmann der Organisatoren bezeichnet Moltzan den ehemaligen Top-Spion der Stasi, Klaus von Raussendorf, der 30 Jahre im Auftrag des MfS Karriere als bundesdeutscher Diplomat machte und heute Herausgeber der Antiimperialistischen Korrespondenz ist (Jungle World, 40/04).

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte in der vorigen Woche, er sehe keinen Anlass, die Konferenz zu verbieten. Es gebe keine Hinweise auf die Teilnahme »ausländischer Extremisten«. Im September verbot Körting eine »Islam-Konferenz«, weil auf ihr Anschläge im Irak gutgeheißen werden sollten. Die jetzige Konferenz bewege sich aber »im Rahmen der allgemeinen Meinungsfreiheit«. Ob es Proteste gegen die Konferenz geben wird, ist noch offen.