»Wir sind gegen einen Friedensvertrag«

Ziad Majed

Beirut wurde auch in der vergangenen Woche wieder von Bombenanschlägen erschüttert. Nach der kurzen so genannten Zedernrevolution im Libanon befürchten nunmehr viele einen neuen Bürgerkrieg. Ziad Majed ist Vizepräsident der »Demokratischen Neuen Bewegung«. Die Initiative für die Parteigründung ging im vergangenen Jahr von Intellektuellen, Journalisten, Studentengruppen, undogmatischen Linken und Kommunisten aus. Die Partei war sehr aktiv bei den anti-syrischen Protesten. Über die aktuelle Situation im Libanon, die Zukunft der Oppositionsbewegung, das Verhältnis zu Israel und zur islamistischen Hizbollah sprach Alfred Hackensberger mit dem Oppositionspolitiker Majed.

Angesichts der Bombenanschläge fühlen sich viele Menschen an das Jahr 1976 erinnert, als der Bürgerkrieg losging. Wie sehen Sie die Situation?

Die Menschen haben Angst und befürchten das Schlimmste. Aber man kann die Situation von heute sicherlich nicht mit damals vergleichen. Die Bomben sind ein Versuch, eine Atmosphäre von Angst und Terror zu verbreiten. Da kämpft eine alte politische Elite ums Überleben, aber die Bevölkerung will von einem neuen Krieg nichts wissen.

Sie glauben, die Regierung ist für die neuen Attentate verantwortlich?

Noch gibt es keine Beweise für ihre Beteiligung. Aber ist es nicht seltsam? In den vergangenen zehn Jahren hat es keine Bombe im Libanon gegeben …

… in den vergangenen zwei Jahren wurde jeweils im August ein Hizbollah-Funktionär in die Luft gejagt.

Das ist etwas anderes. Aber ausgerechnet dann, wenn die Syrer abziehen und die Regierung unter immensem Druck steht, gibt es wieder Bomben. Ich denke, man will die Opposition mit Gewalt erpressen, sich an der neuen Kabinettsbildung von Premierminister Omar Karami zu beteiligen. Es kann auch sein, dass man einen Grund sucht, um die im Mai anstehenden Parlamentswahlen zu verschieben. Ich glaube allerdings nicht, dass der Ausnahmezustand erklärt wird, dafür ist die Regierung nicht stark genug.

An den UN-Untersuchungsbericht zur Ermordung Rafik Hariris waren von der Opposition große Erwartungen geknüpft worden. Die Ergebnisse, die am Donnerstag vergangener Woche veröffentlicht wurden, brachten aber wenig Neues.

In dem Bericht wird bestätigt, dass die Art und Weise, wie die Regierung mit dem Verbrechen umging, ein Skandal ist. Sie hat Beweise unterschlagen und auch gar keine gesucht. Bestätigt wurde ebenfalls, dass es Morddrohungen gegen Rafik Hariri gegeben hat. Für mich und die gesamte Opposition sind und bleiben die Regierung und die libanesischen und syrischen Geheimdienste für das Attentat verantwortlich. Rund um den Tatort gibt es militärische Kontrollpunkte und nicht weit davon ist der größte Offiziersclub des Libanon. Wer kann da ohne Wissen der Behörden 1 000 Kilogramm TNT unter der Straße deponieren?

Der Opposition wird ein Sieg vorausgesagt. Samir Kassir, ein Journalist von An Nahar, der größten libanesischen Tageszeitung, sprach von 80 Abgeordneten für die Opposition.

Das ist wirklich sehr optimistisch. Aber ich glaube auch, dass wir gewinnen.

Die Opposition ist sehr heterogen. Darunter befinden sich auch Rechtsradikale und konfessionelle Gruppen. Wie kommt die »Demokratische Linke« als säkulare Partei dazu, mit Faschisten und Religiösen zusammenzuarbeiten?

Die demokratische Kultur des Libanon wurde von der herrschenden politischen Elite und der syrischen Hegemonie vollkommen zerstört. Oberste Priorität ist nun die Widerherstellung der Unabhängigkeit und die nationale Versöhnung, bevor ein normales politisches Leben möglich wird. Jeder, der bei diesem Kampf mitmacht, ist herzlich willkommen. Danach kann man sich um politische Inhalte streiten.

Die KP des Libanon sieht das anders. Sie ist nicht Teil des Oppositionsbündnisses und veranstaltet ihre eigenen Demonstrationen mit immerhin bis zu 10 000 Teilnehmern.

Die KP des Libanon hat eine große Geschichte und hat viele Opfer gebracht, insbesondere im bewaffneten Kampf gegen die israelische Okkupation. Aber jetzt hat sie einen historischen Moment verpasst. Sie weigert sich, mit konfessionellen Gruppen zusammenzuarbeiten.

Dafür haben Sie kein Verständnis?

Das ist eine dogmatische Position. Für mich ist die KP realitätsfremd. Man kann im Libanon ein säkulares System und soziale Gerechtigkeit nicht ad hoc implementieren. So etwas funktioniert in einem konfessionsgeprägten Land nicht. Man muss die Realität wahrnehmen. Mit Anpassung hat das aber nichts zu tun. Man kann eine Gesellschaft nur auf demokratischem Wege verändern. Auf den Demonstrationen der KP wurde der Abzug der Syrer gefordert. Das hätten sie, wie viele andere Oppositionelle, schon vor Jahren tun sollen. Früher haben sie immer gehofft, auf die Wahlliste der pro-syrischen Parteien zu kommen. Aber das war und bleibt eine Illusion.

Vorausgesetzt, die Opposition gewinnt die Wahlen, dann wird auch für die Demokratische Linke ein Posten in der Regierung abfallen. Was steht dann auf dem Programm?

Zuerst brauchen wir politische Reformen, die die Herrschaft der Mafia durch Rechtssicherheit ersetzen. Der Justizapparat und die gesamte staatliche Administration müssen neu strukturiert werden. Danach kann man sich an ökonomische Reformen machen. Dabei darf nicht die gerechtere Verteilung des Wohlstands allein im Vordergrund stehen und die Produktion der Güter vernachlässigt werden. Es muss eine Balance zwischen der Produktion von Wohlstand und der wissenschaftlichen Rekonstruktion der Ökonomie geben.

Die Hizbollah hat kürzlich zusammen mit anderen politischen Kräften zu einer pro-syrischen Demonstration aufgerufen, zu der Hunderttausende kamen. Wird sich die neue Regierung nicht zuerst mit der Hizbollah beschäftigen müssen, auf deren Entwaffnung u.a. die USA drängen?

Die Entwaffnung der Hizbollah ist eine interne libanesische Entscheidung. Da gibt es keine Diskussion. Für uns sind das keine Terroristen, sondern Freiheitskämpfer, die für den Libanon große Opfer gebracht haben. Dass man ihre Führer bedroht oder verhaftet, werden wir verhindern. Sollte die Hizbollah ihre Waffen brauchen, um uns gegen mögliche Angriffe Israels zu verteidigen, sind wir ihr dankbar. Allerdings muss sie ihren Verteidigungsauftrag unter dem Oberbefehl der libanesischen Armee erfüllen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden ist eine nationale Entscheidung. Einen Staat im Staat darf es nicht geben.

Steht ein Friedensvertrag mit Israel auf der Agenda Ihrer Partei?

Wir sind gegen jeden Friedensvertrag. Zuerst muss es einen souveränen und unabhängigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt geben und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems. Außerdem müssen die Golan-Höhen an Syrien zurückgegeben werden und jedes Stück libanesisches Land muss befreit sein. Solange diese Punkte nicht erfüllt sind, darf es keine Normalisierung der Beziehungen mit Israel geben. Egal, was alle anderen arabischen Staaten machen. Wir haben unser Land von der israelischen Okkupation militärisch befreit, ohne jeden Friedensvertrag.

Wie wird das Verhältnis zu Syrien aussehen, wenn alle Truppen abgezogen sind?

Möglichst sehr gut, wie es zwischen zwei Nachbarstaaten sein sollte. Wir hoffen natürlich, dass es in Syrien Reformen gibt, die mehr Demokratie möglich machen. Aber wir sind entschieden dagegen, dass das syrische Regime weiterhin den Libanon kontrolliert.