»Schnellschüsse helfen nicht«

Ein Gespräch mit der PDS-Bundestagsabgeordneten petra pau über ein mögliches Bündnis ihrer Partei mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (Wasg)

Auf ihrem Kleinen Parteitag hat die PDS am Samstag ihre Eigenständigkeit betont. Sie steht einem Bündnis mit der »Wahlalternative« skeptisch gegenüber.

Ich bin für eine gründliche Prüfung, wie weit der Vorrat an Gemeinsamkeiten reicht. Allein die Ablehnung von Hartz IV trägt noch nicht für einen Bundestagswahlkampf und eine erfolgreiche Arbeit danach. Das Zweite, was geprüft werden muss, und dafür ist nicht viel Zeit: Das Wahlgesetz der Bundesrepublik lässt nicht viele Möglichkeiten eines Zusammengehens unterschiedlicher politischer Kräfte zu. Eine Listenverbindung ist ausgeschlossen. Das ginge nur, wenn die Wahlalternative in einem Bundesland bereits die Fünfprozenthürde übersprungen hätte. Deshalb halte ich persönlich es für realistischer, dass Mitglieder der Wahlalternative auf offenen Listen der PDS kandidieren.

Klaus Ernst von der Wahlalternative hat darauf hingewiesen, dass, wenn man getrennt antritt, möglicherweise weder die Wahlalternative noch die PDS in den Bundestag einzieht.

Selbstverständlich muss man diese Gefahr bannen. Wenn zum Schluss 0,7 Prozent für den Einzug der PDS in den Bundestag als Fraktion fehlen und die Wahlalternative die Fünfprozenthürde auch nicht überspringt, dann wäre sicherlich keinem geholfen. Aber es ist auch keinem mit Schnellschüssen geholfen, etwa mit der Selbstauflösung der PDS, was ja auch aus einigen Spektren gefordert wurde.

Ich glaube nicht, dass das eine einfache Additionsaufgabe ist, die hier zu lösen ist. Sowohl die Wähler der PDS als auch die der Wahlalternative müssen von einem gemeinsamen Projekt überzeugt werden. Und das muss erst einmal formuliert werden.

Vertreter der Wahlalternative fürchten, dass es in Westdeutschland nicht so gut ankommt, wenn sie auf offenen Listen der PDS kandidieren.

Umgekehrt dürfte das Gleiche gelten. Auch bisherigen Wählern der PDS wäre kaum zu vermitteln, dass PDS-Politiker auf einer offenen Liste der Wahlalternative kandidieren, was ja rein theoretisch auch möglich wäre.

Aber dass es Vorurteile gibt, ist nicht ganz neu. In einigen Gegenden der Bundesrepublik hat sich die Wahlalternative ausdrücklich gegen die PDS gegründet, wenn ich nur an Berlin denke. Da sah die Wahlalternative ihre Aufgabe darin, den rot-roten Senat zu stürzen.

Vorurteile dürfte es bei allen Beteiligten geben. Deshalb werbe ich ja auch dafür, sich die Erfahrungen der offenen Liste der PDS anzusehen, wie etwa im Jahr 1990, als es auch mit den Westlinken klare Vereinbarungen gab für die Zeit danach und eine Option, wie sich das weiter entwickeln kann. Das Problem ist, und das hat weder die Wahlalternative noch die PDS zu verantworten, dass die Fristen so kurz sind, dass in dieser Zeit keine neue politische Formation entstehen und gleichzeitig ein Wahlkampf geführt werden kann.

Ist die Kritik an der PDS in Berlin nicht berechtigt, wenn man die Politik sieht, die vom Berliner Senat betrieben wird? Die PDS setzt hier die Agenda 2010, Hartz IV, in die Praxis um.

Kritik ist etwas Selbstverständliches. Allerdings hat sich der Berliner Landesverband der Wahlalternative ausdrücklich gegen die PDS gegründet. Und wenn es um Hartz IV geht: Ich habe im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen erlebt, wie Vertreter der Wahlalternative dafür geworben haben, dass Mandatsträger sich für Lösungen, die auch unter Einbeziehung der PDS zustande gekommen sind, wie ein Sozialticket für die öffentlichen Verkehrsmittel oder der Zugang zu Kunst und Kultur, einsetzen, so dass diese Politik auch Eingang in die nordrhein-westfälische Landespolitik findet. Hier konnte man sehr wohl unterscheiden zwischen einem Bundesgesetz und dem Versuch, wenigstens auf kommunaler Ebene Politik erträglicher zu gestalten. Manche von der Wahlalternative aber haben im nordrhein-westfälischen Wahlkampf mehr über Rot-Rot in Berlin oder in Mecklenburg-Vorpommern geredet, als darüber, was in Nordrhein-Westfalen zu verbessern ist.

Was bringt denn die PDS in ein Wahlbündnis mit der Wahlalternative ein? Reicht es zu sagen, wir stellen hier eine offene Liste zur Verfügung? Klaus Ernst sagte im Interview mit dem Neuen Deutschland: »Die PDS sollte von ihrem hohen Ross herunter.«

Ich glaube, niemand sollte auf ein Ross hinaufsteigen. Die PDS hat in den ostdeutschen Bundesländern etwas mehr als 22 Prozent der Stimmen zu verteidigen, sie stellt viele Hunderte Mandatsträger in den Landtagen und in den Kommunen. Mit diesen würde sie natürlich auch in den Wahlkampf ziehen. Das heißt, eine klare Vereinbarung für offene Listen würde auch bedeuten, dass die PDS Listenplätze abgibt.

Welche inhaltlichen Unterschiede sehen Sie zwischen der PDS und der Wahlalternative?

Die Wahlalternative hat sich als Bündnis gegen die Agenda 2010 gegründet, in dieser Frage haben wir sicherlich sehr viele Übereinstimmungen. Die PDS wird aber in jedem Fall auch als Antikriegspartei, als antirassistische und antifaschistische Kraft in den Wahlkampf ziehen; da wäre herauszufinden, inwieweit es in diesen Fragen Übereinstimmungen gibt mit den Positionen der Wahlalternative.

Gregor Gysi hat für ein mögliches Bündnis mit der Wahlalternative grundlegende Bedingungen formuliert. Unter anderem spricht er davon, dass dieses Linksbündnis eine »ostdeutsche kritische Sicht auf den Vereinigungsprozess« haben müsste. Wie wichtig ist für die PDS nach wie vor die Bewertung der Wiedervereinigung?

Eins ist doch richtig: Die Wahlalternative ist vor allen Dingen eine Westveranstaltung, und, um das auch mal zu sagen, eine Männerveranstaltung. Wenn man gemeinsam etwas machen will, muss man das Bündnis so gestalten, dass der Osten nicht völlig untergeht.

Wie stehen Sie grundsätzlich zu den Neuwahlen?

Ein Problem habe ich nicht: Da ich Gerhard Schröder nicht vertraue, brauche ich ihm auch kein Vertrauen auszusprechen. Ansonsten ist es schon ein bemerkenswerter Vorgang, einschließlich der Debatten darüber, jetzt mal schnell die Verfassung zu ändern. Gerhard Schröder will die Wahl zur Volksabstimmung über die Agenda 2010 und Hartz IV machen. Ich finde, die soll er haben.

Glauben Sie, dass es von Vorteil wäre, wenn Angela Merkel, eine Frau, zumal eine ostdeutsche, Kanzlerin wird?

Es ist längst überfällig, dass Frauen in solche Positionen gewählt werden. Angela Merkel allerdings vermochte es in den vergangenen Jahren sehr gut, ihre ostdeutsche Herkunft zu verleugnen. Ich war sehr schockiert, als sie einmal in einer außenpolitischen Debatte darauf hinwies, welche freiheitlichen Traditionen »wir hier im Westen« schon immer verteidigt haben.

Glauben Sie, dass eine Möglichkeit besteht, dass Oskar Lafontaine auf einer offenen Liste der PDS kandidiert?

Das muss am Ende Herr Lafontaine entscheiden.

interview: stefan wirner