Jenseits von Brüssel

Während des EU-Gipfels findet in Luxemburg eine Gegenveranstaltung statt. Die Organisatoren wollen linksradikale Positionen in die EU-Debatte einbringen. von jens herrmann

Als linker Aktivist gegen die EU-Politik kam man früher viel herum. Wer den Staats- und Regierungschefs hinterherreiste, um gegen ihre Gipfeltreffen zu protestieren, bekam eine Vielzahl europäischer Städte zu sehen. Doch in Zukunft sollen alle europäischen Gipfeltreffen nach Brüssel verlegt werden. Obwohl Ende Juni die Zeit des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes zu Ende geht, findet der EU-Gipfel in dieser Woche nicht in Luxemburg, sondern in der belgischen Hauptstadt statt.

Proteste in Luxemburg wird es trotzdem geben. Das ehrgeizige Ziel ist, linksradikale Positionen in die gegenwärtige kritische Debatte über die EU einzubringen. Das Bündnis Rise aus luxemburgischen, belgischen und deutschen Gruppen sieht die Entscheidung gegen Luxemburg als Ort des EU-Gipfels als Herausforderung. Sie wollen nun in Luxemburg einen alternativen Gegengipfel organisieren. »Antikapitalismus, Antinationalismus und Selbstorganisation« sind der Minimalkonsens von Rise, das Bündnis will die politischen Inhalte in den Vordergrund stellen und nicht mehr den Regierungschefs hinterherreisen.

Einen kleinen Vorgeschmack bekamen die EU-Politiker bereits am Rande des Ministerratstreffens am 2. Juni, als das 20jährige Jubiläum der Schengen-Verträge gefeiert wurde. Aktivisten hatten mehrere EU-kritische Transparente entrollt und zu Widerstandstagen vom 16. bis 19. Juni in Luxemburg aufgerufen.

Rise will im südluxemburgischen Esch ein Widerstandscamp für 500 Aktivisten errichten. Es soll zugleich Übernachtungsort und ein Zentrum für Workshops, kulturelle Aktivitäten und den Austausch zwischen den verschiedenen politischen Gruppen sein. Gemäß dem Motto der Selbstorganisation der Widerstandstage will Rise nicht die Aktivitäten planen, sondern eine offene Plattform bieten. Direkte Aktionen und ziviler Ungehorsam sollen geplant werden. Sie könnten von Street-Art, Besetzungen und Blockaden bis zu Spaß- und Kommunikationsguerilla reichen. Für den 18. Juni ist eine »Inter- & Antinationale Demonstration« durch das Zentrum von Luxemburg-Stadt und das EU-Viertel geplant. Luxemburg beherbergt zahlreiche EU-Institutionen wie beispielsweise das wenig bekannte europäische Zentralregister für Asylbewerber Eurodac.

Über den Straßenprotest hinaus soll das Camp auch einen internationalen Raum für Begegnung, Diskussion und Reflexion bieten. Das »Event-Hopping« der vergangenen Gipfel sei inzwischen von den Regierenden erfolgreich integriert worden, erklärt Roland von der Gruppe Lif:t aus Trier. Beispielsweise habe die Einbindung von Nichtregierungsorganisationen die Schärfe der Kritik gedämpft. Auch die kritische öffentliche Diskussion über den EU-Prozess nach der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden stelle noch keinen subversiven Akt dar, meint Roland. Jedoch bewirke sie eine größere Sensibilität in der Öffentlichkeit, die auch für die Proteste nützlich sei und helfen könnte, wieder verstärkt die Kooperation mit gemäßigten linken EU-Kritikern zu verbessern.

Rise versteht die EU nicht als ein gegen den Nationalstaat gerichtetes Projekt. Die EU bündele die nationalen Interessen, die im Alleingang nicht mehr wirksam vertreten werden können. Eine Kritik an der Europäischen Union könne nicht abseits der Nationalstaatskritik erfolgen. Die EU dekonstruiere keine Nationalismen, vielmehr baue sie auf diesen auf. »Wir haben in der Mobilisierung nicht gespart mit Nationalstaatskritik und wollen das auch vor Ort deutlich machen«, sagt Roland.

Infos zum EU-Gegengipfel: http://infoladen.de/trier/eurotop