Nazirock am Baumarkt

Zum »Fest der Völker« in Jena traten Neonazis aus dem Umfeld der verbotenen Organisation Blood & Honour auf. von martina renner

Um vier Uhr klingelte der Wecker für so manchen Antifaschisten, aber auch für manch engagierte Bürgerin in Jena. Etwa 500 DemonstrantInnen versammelten sich schon in den frühen Morgenstunden auf dem Platz »Am Gries« im Osten der Stadt. Stadträte und Dezernenten hakten vermummte Jugendliche unter und trotzten allen Aufforderungen der Polizei, den Platz für die Nazis zu räumen.

Am Freitag hatte das Oberverwaltungsgericht Weimar den Weg frei gemacht für das von der örtlichen NPD angemeldete »Fest der Völker« – eine geradezu schmeichelhafte Bezeichnung für ein Treffen europäischer Neonazimusiker und -funktionäre.

Die Stadt hatte ihr Verbot des ursprünglich auf dem Marktplatz der Stadt angemeldeten Rechtsrockfestivals mit der Behauptung begründet, hierbei handele es sich um keine politische Veranstaltung im Sinne des Versammlungsgesetzes, sondern um eine, die lediglich dem Vergnügen diene. Die Frage, ob das Ereignis nicht mindestens als Zeichen für eine Wiederbelebung des im Jahr 2001 in Deutschland verbotenen militanten rechtsextremen Netzwerks Blood & Honour zu werten sei, wurde weder von Juristen noch von der Stadt gestellt. Dabei waren Bands wie »Nothung« oder »Brigade M« angekündigt, die nach umfangreichen Antifarecherchen eindeutig dem Umfeld dieser Organisation zuzurechnen sind, und der angekündigte Redner Thomas Ölund ist ein Sektionsleiter in Schweden.

Die Stadt Jena folgt auf diese Weise der stillen Vorgabe des Thüringer Verfassungsschutzes. Er behauptet auch in seinem Bericht für das Jahr 2004, die bestehenden Kontakte in der Szene seien rein privater Natur, obwohl mehrfach Bands aus dem Umfeld von Blood & Honour in Thüringen auftraten, lokale Nazirocker an dem Sampler mit dem unmissverständlichen Namen »Blood & Honour – trotz Verbot nicht tot« mitwirkten und zumindest Ende des Jahres 2003 noch Razzien wegen des Verdachts auf ein Fortbestehen des Netzwerkes stattfanden. Damit gibt man sich von staatlicher Seite zufrieden, obwohl der begründete Verdacht besteht, dass aus der ehemals zentralen Abteilung von Blood & Honour die »Division 28 – Sektion Thüringen« wurde wie einst aus Raider Twix. Wer weiß, wie gern Rechtsextremisten Buchstaben hinter Zahlen verbergen, wird schon in der Zahl 28 einen deutlichen Hinweis auf Blood & Honour finden.

Doch die von Antifaschisten zusammengetragenen Informationen schienen die Stadt Jena wenig zu interessieren. Und den Richtern wurde schnell klar, dass es sich doch eher um eine politische Propagandaveranstaltung handelt, wenn Hunderte schlecht gekleideter Menschen brachialer Nazimusik und üblicherweise in Goebbels’scher Manier geschrienen Reden lauschen, weniger um ein kommerzielles Vergnügen. So wurde die Veranstaltung erlaubt.

Die Neonazis bekamen zwar nicht die »gute Stube« der Stadt, aber ein Gelände unweit des Zentrums zugewiesen, wo seit Februar eine Gedenkveranstaltung der Antifa angemeldet war. Dort hätten sie sicherlich auch ihre Bühne aufgebaut, wäre der Platz nicht schon von feiernden Menschen besetzt gewesen. Eine Erfolgsgeschichte der Antifa, die eigentlich mit der Verabschiedung der Rechtsextremen Richtung Bahnhof und Autobahn hätte enden müssen. Aber das Ordnungsamt und die Einsatzleitung der Polizei suchten einen neuen Platz für die Veranstaltung. Man fand ihn in einem Gewerbegebiet, wo, entsprechend den Klischees über den Osten, der Baumarkt das markanteste Gebäude ist.

Gegen Mittag begannen die im Zeichen des bürgerlichen Protests stehenden Aktivitäten in der Innenstadt. Es gab deutsch-französische Blasmusik, ein Kultur- und Kunstprogramm vor dem Theaterhaus und die obligatorischen Ansprachen, HochschulsportlerInnen reckten rote Karten in die Luft. Aber dem großspurig auf den städtischen Plakaten angekündigten Motto »Kein Platz für Nazis« folgten keine konsequenten Taten. Vielmehr bekamen die meisten BesucherInnen des Festes im Zentrum gar nicht mit, dass sich an der Stadtgrenze inzwischen mehrere Hundert Skinheads und Neonazis zusammengefunden hatten.

Deren größte Probleme waren für eine Weile eher banaler Natur: Im örtlichen Discounter mussten billige Treter erstanden werden, damit die per Auflagenbescheid verbotenen Knobelbecher im Kofferraum bleiben konnten. Und das Bier musste schnell im Auto runtergekippt werden, da auf dem mit Pfützen übersäten Schotterplatz nur alkoholfreie Getränke erlaubt waren. Erst als gegen Mittag in die lustlos herumstehenden PolizistInnen Bewegung kam und die Motoren der zwei Wasserwerfer angelassen wurden, machte unter den Neonazis die Nachricht die Runde, dass Antifas sich zum »Völkerball« auf den Weg gemacht hatten.

Zu zwei Antifa-Demonstrationen waren etwa 4 000 Menschen zusammengekommen, die den kilometerlangen Weg zum Ort des Neonazifestes antraten. Wenigstens bis in den Stadtteil Lobeda wollte man gelangen, wo die Anmelder und Organisatoren des »Festes der Völker« in der ehemaligen Gaststätte »Zum Löwen« ein rechtsextremes Wohnprojekt und Zentrum betreiben. Bei einer der vielen kleinen Aktionen vor dem 11. Juni hatten lokale Gruppen hier bereits einmal einen frühmorgendlichen Hausbesuch abgestattet. Das Weckkommando der Antifa dürfte für die Neonazis ähnlich ärgerlich gewesen sein wie der erfolgreiche Hack der Internetseite, auf der sie zum »Fest der Völker« einluden.

Tatsächlich endete die Antifademonstration in Lobeda; Hundertschaften der Polizei, kläffende Köter, Räumpanzer und Wasserwerfer warteten am Ende der Schnellstraße Richtung Gewerbegebiet vergeblich auf ihren Einsatz. Der Oberbürgermeister der Stadt, Peter Röhlinger (FDP), ließ es sich trotz allem nicht nehmen, die vermeintlich gewaltbereiten Jugendlichen zu beschimpfen, die die Jenaer Bürger verschreckt hätten. Auch die Veranstaltung der Neonazis ging ohne großen Protest zu Ende.

Für die Antifaschisten, nicht nur aus Thüringen, gibt es am 9. Juli die nächste Gelegenheit, den Wecker früh zu stellen. Dann will die NPD wieder ein Festival mit Bands aus dem Umfeld von Blood & Honour abhalten, dieses Mal in Gera.