Unter deutscher Flagge

Wie links regiert die PDS? Teil 1: Mecklenburg-Vorpommern. von markus ströhlein

Helmut Holter (PDS) weiß, wann er »Regierungsverantwortung« zeigen muss. Der Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern gratulierte vergangene Woche einer ganz besonderen Jubilarin. Zum 157. Jahrestag ihres Bestehens überbrachte er der deutschen Marine ein Grußwort. Er habe auf die Bitte, eine Rede zu halten, kurz gezögert. Schließlich sei er Sozialist. Doch die deutsche Marine stehe in einer Kontinuität. »Aus den Geschichtsbüchern meiner Schulzeit ist mir die deutsche Marine nur in einem Zusammenhang erinnerlich, im Zusammenhang mit dem Matrosenaufstand von Wilhelmshaven und Kiel 1918.« Als Arbeitsminister hat man offensichtlich Besseres zu tun, als sein Pennälerwissen aufzubessern. Man muss Arbeitsplätze sichern, Arbeitsplätze schaffen, auch mit Hilfe der Bundeswehr. Sie sei der zweitgrößte Arbeitgeber in seinem Bundesland, sagt Holter. »Wer aus Mecklenburg-Vorpommern kommt, findet diese interessante Möglichkeit zum Einstieg in ein spannendes Berufsleben vor der Haustür.«

Seit dem Jahr 1998, als die Regierungskoalition von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern zustande kam, ist Helmut Holter Arbeitsminister. In dieser Funktion trifft er viele Leute, Unternehmer, Gewerkschafter oder Soldaten der Bundeswehr. Aber Holter präsentiert sich auch gern an der Seite der Benachteiligten. Im Januar, kurz nach der Einführung des Arbeitslosengelds II, war er Gast bei einem ersten Erfahrungsaustausch von Arbeitslosen in Schwerin. Hartz IV sei schlimm. Seine Partei werde Korrekturen fordern, versprach er damals. Dabei hatte die Landtagsfraktion der Partei bereits im September 2004 einen Beschluss gefasst, Hartz IV in die Tat umzusetzen, und so in vorauseilendem Gehorsam die reibungslose Einführung des Gesetzes garantiert.

Die Fraktionsvorsitzende Angelika Gramkow zeigte sich in einer Pressemitteilung des PDS-Landesverbands aus der vorigen Woche weiterhin unnachgiebig: »Wir bleiben dabei. Hartz IV muss weg.« Doch schon wenige Zeilen weiter unten wird die Forderung als illusorisch abgetan. Man könne sich nun, da das Gesetz in Kraft sei, nur noch für Veränderungen einsetzen. Auch die Ankündigung des Thüringer PDS-Fraktionsvorsitzenden, Bodo Ramelow, im Dezember, Ein-Euro-Jobs sollten in von der PDS regierten Kommunen, auch in Mecklenburg-Vorpommern, freiwillig bleiben, verpuffte. »Die Ein-Euro-Jobs sind Angelegenheiten der Kommunen. Deshalb ist die Handhabung unterschiedlich«, sagt die Pressesprecherin der PDS-Landtagsfraktion, Claudia Schreyer.

Dass sich die Partei mit Hartz IV arrangieren kann, ist kein Zufall. Der Koalitionsvertrag zwischen PDS und SPD von 2002 unterscheidet sich als Anleitung zur staatlichen Bewirtschaftung von Arbeitskraft nicht grundsätzlich von Hartz IV. Im Koalitionsvertrag ist die Rede von gemeinnützigen Arbeitsförderprojekten. Bei Hartz IV gibt es den Ein-Euro-Job. Die Lösung für alle Probleme lautet hier wie da, Arbeitslose in staatsunmittelbare Arbeitsdienste zu zwingen. Selbst im Bereich der finanziellen Zuwendungen sind die Veränderungen an Hartz IV, die der PDS in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile vorschweben, dürftig. Sie verlangt eine Anhebung des Arbeitslosengelds II in Ost und West von 345 bzw. 331 Euro auf 420 Euro.

Die Unterschiede zur SPD sind also gering. Deshalb stand das Ende der Koalition in Mecklenburg-Vorpommern für die PDS nie zur Debatte. Und auch die SPD hielt an ihrem kleineren Koalitionspartner fest, sogar nach den immensen Verlusten der PDS von fast zehn Prozent bei den Landtagswahlen 2002. Man weiß, was man aneinander hat. Schließlich hatte sich Arbeitsminister Holter in der ersten Regierungsperiode dadurch hervorgetan, dass er mehr Krankenhäuser privatisierte als jeder seiner Amtskollegen in den anderen Bundesländern. In Absprache mit den Unternehmerverbänden setzte er es durch, dass Beschäftigte im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor nur 80 Prozent des Tariflohns erhielten. Im Nachtragshaushalt für das Jahr 2005 einigten sich PDS und SPD auf eine Kürzung von zwei Millionen Euro bei der Förderung der Krankenhäuser.

Reibungslos verlief die Zusammenarbeit der SPD mit der PDS auch im Bundesrat. Dort hatte die PDS der rot-grünen Steuerreform, der Rentenreform und dem Zuwanderungsgesetz zugestimmt. Dafür durfte sie manchmal Nein sagen, wie etwa bei den Abstimmungen über Hartz IV und die EU-Verfassung. Das änderte nichts an den Ergebnissen, ist aber gut für die politische Abgrenzung der PDS von der SPD im Bund.

Distinktion ist auf der Länderebene nicht nötig. Hier dient Volksnähe dem Profil. Wie in allen ostdeutschen Bundesländern geriert sich die PDS auch in Mecklenburg-Vorpommern als Sachwalterin ostdeutscher Befindlichkeiten. Feststellungen wie die des PDS-Landesvorsitzenden Peter Ritter, »Hartz IV ist und bleibt Gift für den Osten«, sprechen den vermeintlich vom Westen übers Ohr Gehauenen aus der Seele. Man hat ein Gespür für die Anliegen des kleinen Mannes, schimpft auf »Großkonzerne und Wohlhabende«, sagt Schwarzarbeitern und Steuerhinterziehern den Kampf an und ruft zur Rettung des »Handwerks und des Mittelstands als Rückgrat der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern« auf.

Um sich für den wirtschaftlichen Prestigebereich des Landes, die Schifffahrt, stark zu machen, erklingen bisweilen nationalistische Töne. So unterstützte die Regierung im Koalitionsvertrag 2002 ausdrücklich ein »Maßnahmepaket zur Beschäftigungssicherung deutscher Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge«.

Um dem Volk nahe zu sein, dessen Nachwuchs u.a. 1992 ein Wohnheim für Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen belagerte und in Brand steckte, empfiehlt sich ein distanzierter Umgang mit den ausländischen Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern. Helmut Holter äußerte sich im Jahr 2000 in der Süddeutschen Zeitung, dass es selbstverständlich zu Konflikten komme, wenn »in einem Wohnhaus mehr ausländische als deutsche Familien angesiedelt werden«. Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern weiß, wie es um die Lage von Asylsuchenden bestellt ist: »Es gibt immer noch die so genannten Dschungelheime. Und die Beratungssituation für Asylbewerber in den Landkreisen ist katastrophal.« Zurzeit sind besonders Flüchtlinge aus Togo von der Abschiebung bedroht. Die PDS spricht sich für das Bleiberecht der Flüchtlinge aus. SPD-Innenminister Gottfried Timm will hart bleiben.

Entzweien wird auch dieses Problem die Regierungskoalition nicht. Schließlich konnten PDS und SPD bis jetzt immer einen Kompromiss aushandeln. Vielleicht verschiffen also demnächst Langzeitarbeitslose aus Mecklenburg-Vorpommern Flüchtlinge auf deutschen Marinebooten nach Togo.