»Pfahls hatte eine Schlüsselfunktion«

Hans-Christian Ströbele

In dieser Woche soll der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl als Zeuge im Prozess gegen den früheren Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Ludwig-Holger Pfahls, aussagen. Pfahls wird im Prozess vor dem Augsburger Landgericht Bestechlichkeit vorgeworfen. Er hat bereits gestanden, für seine Vermittlungstätigkeit im Panzergeschäft mit Saudi-Arabien im Jahr 1991 3,8 Millionen Mark erhalten zu haben.

Hans-Christian Ströbele saß für die Grünen im Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre der CDU. Mit ihm sprach Stefan Wirner.

Der frühere Außenminister Klaus Kinkel (FDP) hat in der vorigen Woche im Prozess gegen Pfahls ausgesagt, dieser habe keinerlei Einfluss auf das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien gehabt und sei nur ein »ausführendes Rad am Wagen« gewesen. Der Bericht des Untersuchungsausschusses zur Parteispendenaffäre aus dem Jahr 2002, an dem Sie mitgewirkt haben, bezeichnet Pfahls hingegen als »treibende Kraft« im Verteidigungsministerium. Was stimmt?

Kinkel kann aus eigener Kenntnis wenig zu diesem Thema beitragen. Er war zu dieser Zeit noch gar nicht im Amt und wusste über die Möglichkeiten, die Pfahls hatte, gar nicht Bescheid. Wir haben in den Anhörungen im Untersuchungsausschuss eindeutig festgestellt, dass Pfahls eine führende Rolle, natürlich eine ausführende, beim Zustandekommen des Deals mit Saudi-Arabien eingenommen hat.

In einem Punkt hatte er sogar eine Schlüsselfunktion inne, nämlich in der Frage, ob diese »Fuchs«-Panzer aus Bundeswehrbeständen vorab geliefert werden sollten. Saudi-Arabien hat damals darauf gedrängt und gesagt, das Geschäft komme nur zustande, wenn das Land unverzüglich, im Frühsommer 1991, diese Panzer bekomme, sonst habe es keinen Sinn mehr und das Land nehme von dem Geschäft Abstand. Da man nicht so schnell liefern konnte, stellte sich die Frage, wie das zu bewerkstelligen sei. Pfahls hat, gegen den Rat der Bundeswehrführung, durchgesetzt, dass die Panzer aus Beständen der Bundeswehr geliefert wurden. Die Bundeswehr bekam die Panzer dann nachträglich von Thyssen ersetzt.

Pfahls hat gestanden, dass er für seine Dienste in dieser Sache 3,8 Millionen Mark erhalten hat. Er sei jedoch nicht bestechlich gewesen. Der Geschäftsmann Dieter Holzer und der Rüstungslobbyist Karl-Heinz Schreiber, die in die Affäre verwickelt sind, bezweifeln dieses Geständnis.

Man muss vorsichtig sein bei der Bewertung der Aussage Holzers. Für ihn steht in diesem Verfahren einiges an eigener Strafbarkeit auf dem Spiel. Er ist in Frankreich bereits verurteilt worden, er hat vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland die Aussage verweigert und in zahlreichen Erklärungen um sein Image gekämpft, um den Verdacht der Strafbarkeit von sich zu weisen.

In der Sache selbst ist festzuhalten, dass die 3,8 Millionen Mark, die auf das Konto von Pfahls gingen, aus dem Panzerdeal stammten. Das hat die Staatsanwaltschaft relativ klar aus Kontenbewegungen abgeleitet, und wir haben es auch in dem Bericht des Untersuchungsausschusses festgestellt. Saudi-Arabien hat für die Panzer ungefähr das Doppelte von dem bezahlt, was sie eigentlich wert waren. 226 Millionen Mark sind als »nützliche Aufwendungen« auch von Thyssen nicht als Einnahme verbucht, sondern vor der Steuer als abzugsfähig geltend gemacht worden. Das ist damals auch vom Finanzamt anerkannt worden.

Diese 226 Millionen Mark sind von Thyssen auf verschiedene Konten in die Schweiz transferiert worden, und ein Teilbetrag dieser Summe ist auf die Konten gelangt, von denen dann eines, das Konto mit der Bezeichnung »Holgert«, Pfahls zugeordnet wurde. Ein anderes Konto ist der CDU, ihrem langjährigen Schatzmeister Walter Leisler Kiep, unter dem Decknamen »Waldherr« zugeordnet worden. Diese eine Million Mark, auch das steht fest, stammte aus dem Panzerdeal.

Nach Kinkels Aussage drängt sich der Eindruck auf, dass die ganze Affäre auf Helmut Kohl abgeschoben werden soll, und der schweigt.

Ich bin gespannt darauf, ob Kohl im Prozess aussagt. Meiner Meinung nach steht ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht nicht mehr zu, weil das Verfahren gegen ihn in dieser Sache abgeschlossen ist. Es ist ja gegen die Zahlung einer erheblichen Geldbuße eingestellt worden.

Im Untersuchungsausschuss hat er sich immer weiter von Pfahls distanziert. Auf die Frage, ob die Regierung seinerzeit käuflich gewesen sei, hat er sowohl im Prozess als auch in seinem Buch gesagt, auf Ministerebene sei die Regierung nicht käuflich gewesen. Er hat erkannt, dass die Zahlung an Pfahls, den damaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, nicht mehr geleugnet werden konnte.

Im Bericht des Untersuchungsausschusses heißt es über die neue Führung der CDU unter Angela Merkel, sie habe sich gescheut, die »Wahrheit über das Ausmaß verdeckter Gelder« zu sehen. Heute steht die Partei wieder sehr gut da, und niemanden scheint die Parteispendenaffäre noch zu interessieren.

Offenbar gibt es in der Politik ein sehr kurzes Gedächtnis. Ich wundere mich auch darüber, dass das, was Politiker der CDU sich seinerzeit zu Schulden haben kommen lassen, schon seit der letzten Bundestagswahl keine Rolle mehr spielt. Obwohl eine Reihe von den Personen, die damals eine wichtige Funktion einnahmen, etwa der Ministerpräsident von Hessen, aber auch Wolfgang Schäuble, in der Affäre ganz eindeutig belastet worden sind.

So gab es einen Dissens zwischen Schäubles Aussagen und denen der damaligen Schatzmeisterin der CDU, Brigitte Baumeister. Fest steht, dass einer von beiden die Unwahrheit gesagt hat. Nach meiner Einschätzung spricht mehr dafür, dass es Schäuble war. Er gilt inzwischen im Land durchweg als Ehrenmann.

Glauben Sie, dass der Prozess in Augsburg noch einen Einfluss auf die Bundestagswahl haben könnte?

Nur dann, wenn Kohl auspackt. Wenn er auch nur ein bisschen von dem tut, was Pfahls begonnen hat, nämlich zu erzählen, wie es wirklich war. Aber meine Hoffnungen sind da sehr gering.

Während des Niedergangs der SPD Anfang der achtziger Jahre erfuhr man plötzlich vom Skandal um die »Neue Heimat«. Nach dem Ende der Ära Kohl wurde die Parteispendenaffäre bekannt. Und nun, da die SPD vielleicht die Macht verliert, werden die Vorgänge um Volkswagen und Peter Hartz aufgedeckt. Gibt es eine gewisse Konjunktur solcher Skandale? Wird nur dann etwas bekannt, wenn es in die Entwicklung passt?

Man könnte diesen Eindruck gewinnen. Ich hoffe aber, dass diese Vermutung falsch ist. Die Verantwortung dafür, dass vieles so spät ans Licht kommt, liegt auch bei den Journalisten und bei den Menschen, die über diese Sachverhalte Bescheid wissen und sich zu spät an der Aufklärung beteiligen.

Vielleicht schweißt es die Leute ja zusammen, wenn sie an der Macht sind. Wenn man dann nicht mehr die Macht hat, fällt das ganze Gebäude in sich zusammen. Bei der CDU-Spendenaffäre war es so, dass nach dem Auseinanderbrechen des Systems Kohl die Beteiligten zunächst bis in die ersten Monate 1999 viel und immer mehr erzählt haben. Leider nicht im Untersuchungsausschuss, sondern in der Öffentlichkeit und gegenüber den Journalisten. Als sie dann, von kundigen Verteidigern beraten, merkten, dass es für sie persönlich – auch für die zu erwartenden Strafprozesse – besser ist, wenn sie alle an einem Strang ziehen, fanden sie zum Schweigen zurück.