War on Terror?

Reaktionen in Europa von matthias küntzel

Die Anschläge im Londoner U-Bahnnetz haben die Verbundenheit mit den vom Terror gepeinigten Irakis und Israelis nicht verstärkt. Auf das Entsetzen folgte die routinierte Indifferenz, als Selbstmordattentäter zwei Tage nach der ersten Londoner Anschlagsserie im israelischen Netanja fünf Zivilisten und im Irak 25 Kinder töteten. Mehr noch: Während keine europäische Regierung auf die Idee kommen würde, mit den Vertretern der al-Qaida Verhandlungen aufzunehmen, geschieht genau dies im Fall der Hamas: Stolz gab deren Führung im Juni 2005 bekannt, dass ein hoher Beauftragter der Bundesregierung mit ihr in Ramallah sowie in Gaza-Stadt Gespräche aufgenommen habe. Auch für Europa gilt, was der irakische Premierminister, Ibrahim al-Ja’fari, für die arabische Welt beklagt: »Verbrechen, die im Irak verübt werden, werden nicht als Terrorismus bezeichnet.«

Wer zwischen dem Terror in London und dem irakischen oder palästinensischen Widerstand unterscheidet, achtet suicide bomber, anstatt sie zu ächten. Der Islamismus wird auf diese Weise nicht isoliert, sondern hofiert und die Rede vom Kampf gegen den jihadistischen Terror dementiert.

Dieser Trennungsstrich – das bedeutsamste Kennzeichen der deutschen Antwort auf die Anschläge in London und Madrid – ist in der Sache widersinnig: Alle Merkmale des Islamismus sind heute nicht nur bei al-Qaida, sondern auch bei der Hamas und dem irakischen »Widerstand« präsent. Erstens der Todeswahn: Die Parolen, die die Führer der Hamas und die Führer der al-Qaida ausgeben, gleichen sich aufs Wort: »Wir lieben den Tod. Ihr aber liebt das Leben.« Dazu kommt das Verdikt, jedwede menschliche Freiheit dem Islam unterzuordnen. »Am Ende muss sich jeder Palästinenser zum muslimischen Leben bekehren«, drohte beispielsweise der neue Führer der Hamas, Mahmud el-Saha, in einem Interview mit dem Corriere della Sera. »Unsere Religion wird die westliche Dekadenz in nur einem einzigen Jahrzehnt besiegt haben.« Drittens treiben alle drei Bewegungen die Unterjochung der Frau auf die Spitze und praktizieren das drakonische Regiment der Sharia. Viertens gleichen sich alle drei Bewegungen in ihrem antisemitischen Wahn.

Der Trennungsstrich zwischen Terror und Widerstand ist auch moralisch haltlos, weil er die außereuropäischen Opfergruppen des Terrorismus– Israelis, Irakis – anders kategorisiert als die europäischen. Immerhin wurden in den letzten zehn Jahren mehr als 200 suizidale Massenmorde an Israelis begangen. Im Irak wurden zwischen 2003 und 2005 gar mehr als 500 Selbstmordattentate durchgeführt.

Dieser Trennungsstrich ist politisch kontraproduktiv, da er nicht nur jenen Muslimen in den Rücken fällt, die damit begonnen haben, sich prinzipiell vom Islamismus und dessen Politik der Selbstmordattentate abzusetzen. Die von der EU praktizierte Unterscheidung zwischen »bösartigen« und »verständlichen« Selbstmordattentaten trägt entscheidend dazu bei, die Ächtung dieser Kampfform als »Verbrechen gegen die Menschheit« seitens der Vereinten Nationen zu torpedieren. Dieser Trennungsstrich ist langfristig selbstmörderisch, weil er der Taktik der Islamisten entgegenkommt und die Propagandalüge vom Selbstmordterror als »Verzweiflungstat« bereitwillig kolportiert.

Die deutsche Reaktion auf den Terrorismus ähnelt somit einem Januskopf: nach vorn das grimmige Entsetzen in Richtung Londoner U-Bahnschacht, nach hinten ein verschämtes Grinsen in Richtung der irakischen »Aufständischen« und der Hamas, denen man zu bedeuten gibt, dass man ihnen den Terror gegen »BushSharon« nachsehen kann, solange sie nur eins unterlassen: Anschläge bei uns.