Häuserkampf auf Zypern

Die türkischen Zyprioten haben den Eindruck, dass ihre Interessen von niemandem mehr vertreten werden. von nicholas birch

Als die zwei griechisch-zypriotischen Beamten im Mai bei dem Restaurantbesitzer Hüseyin Cagıner in Nordzypern auftauchten, war er sich fast sicher, dass sie ihm seinen neuen Reisepass aushändigen wollten. Überzeugt vom nahen Ende der internationalen Isolation, hatte er den Pass beantragt. Tausende türkische Zyprioten hofften, von der Grenzöffnung zwischen dem griechischen und türkischen Sektor zu profitieren.

Die Beamten übergaben ihm aber nicht das erwartete Dokument, sondern eine gerichtliche Vorladung, die sich auf Informationen aus seinem Antrag auf einen Pass stützte. Das Gebäude, das Cagıner im Jahr 2000 gemietet hat, war nach der Invasion von 1974 von den Türken beschlagnahmt worden. Nun verlangen die rechtmäßigen griechischen Besitzer von ihm 450 000 Euro Schadensersatz. Er ist der erste türkische Zypriot, der deswegen vor Gericht gestellt werden soll, aber sicherlich nicht der letzte.

80 Prozent der auf Zypern ansässigen türkischen Bevölkerung, die vor 1974 über die ganze Insel verstreut lebte, wohnt in Häusern, die früher Griechen gehörten. Im griechischen Teil der Insel wurde vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, das jedem, der konfisziertes griechisches Eigentum bewohnt, eine zweijährige Gefängnisstrafe in Aussicht stellt.

Das ist keine leere Drohung. Der UN-Plan zur Vereinigung der Insel sieht bei Streitigkeiten die Rückgabe des Eigentums oder Entschädigungszahlungen vor. Bei dem Referendum im April 2004 stimmten die türkischen Zyprioten für diesen Plan. Die große Mehrheit der griechischen Zyprioten lehnte ihn dagegen ab. »Sie glaubten, dass die EU-Mitgliedschaft ihre Verhandlungsposition stärken werde und sie so einen besseren Deal aushandeln könnten«, erklärt die US-amerikanische Zypern-Expertin Rebecca Bryant. Das Vorgehen der griechisch-zypriotischen Regierung zeige, dass sie kein ernsthaftes Interesse mehr an Verhandlungen habe, nachdem man nun sicher in Europa gelandet sei. Bryant geht davon aus, dass individuelle Entschädigungsklagen »zu neuen juristischen Problemen führen, die nicht so leicht am Verhandlungstisch gelöst werden können«. Der türkische Politiker Mehmet Çakıcı beklagt: »Im UN-Plan wurde die Existenz von zwei gleichberechtigten Völkern anerkannt. Der Präsident der griechischen Zyprioten, Tassos Papadopoulos, benimmt sich jetzt aber so, als würden wir nicht existieren. Über unsere Köpfe hinweg wird mit der türkischen Regierung kommuniziert.«

Nur wenig verärgert türkische Zyprioten so sehr wie die unaufhörlichen Versuche der anderen Seite, unterstützt von Frankreich, die Anerkennung des Status auf Zypern zur Bedingung für den Beginn der türkischen EU-Beitrittsverhandlungen im Oktober zu machen. »Die Aufgabe der EU ist es, die Absurdität, dass Zypern geteilt der EU beitrat, rückgängig zu machen, und nicht, von der Türkei zu fordern, diese absurde Situation anzuerkennen«, sagt der proeuropäische Präsident der türkischen Zyprioten, Mehmet Ali Talat. Dem liberalen türkischen Journalisten Erdal Guven zufolge wurden die Interessen der türkischen Zyprioten geopfert: »Die EU hat die Menschen aufgegeben. Die Türkei tat, was sie tun musste, um Verhandlungen mit der EU beginnen zu können. Jetzt scheint sie das Interesse an dem Thema verloren zu haben.«

Wegen der Dominanz der türkischen Regierung waren die türkischen Zyprioten dazu übergegangen, ihre zypriotische Identität zu betonen, sagt ein Hotelier in der nördlichen Küstenstadt Girne. »Wir können uns bei den Griechen bedanken. Jetzt fühlen wir uns wieder als Türken.« Er sei nicht überrascht, wenn die inoffizielle Grenze wieder geschlossen werde – kaum zwei Jahre, nachdem sie geöffnet worden ist.

Der britische Journalist Nicholas Birch lebt seit sieben Jahren in Istanbul und arbeitet u.a. für den Guardian.