Nachrichten

Martin und Steffi

Martin Walser. Unser Lieblingsschriftsteller Martin Walser plant einen neuen Roman. Darin soll es um niemand anderen als Steffi Graf gehen, was durchaus einigermaßen obskur klingt. Was hat der Alte bloß mit der ehemaligen besten deutschen Tennisspielerin am Hut? Der Welt am Sonntag erklärte Walser, er habe »jedes Match von Steffi Graf gesehen«. Okay, dann also ein Roman über Steffi Graf, das leuchtet uns ein, warum auch nicht? Vielleicht wird Walser auf seine alten Tage noch zu einem echten Popautor? (aha)

Der Beste

Kanye West. »George Bush sind die Schwarzen egal.« Der derzeit angesagteste Rapper überhaupt, Kanye West, hat das in einer Fernsehshow gesagt. Kurz nachdem der Hurrikan »Katrina« über New Orleans hinweggefegt war, legte West los mit seinen Anklagen.

Die Sache ist deswegen so außerordentlich, weil er bislang eher als der smarte Rapper mit Anflügen von Größenwahn aufgefallen war. Niemand hätte ihn in die Nähe politischer Agitation bringen wollen, dafür gab sich der Mann stets viel zu beschäftigt damit, mit seiner Platincard jede Menge sinnloses Zeug einzukaufen und auf Rapper zu machen, den nichts so sehr interessiert wie seine neuesten Klamotten.

Dass er sich nun auch politisiert zeigt, macht ihn nur zu einem noch erstaunlicheren Phänomen als ohnehin schon. Schließlich stellt er ein neues Modell von HipHop-Star dar. Er ist kein Rapper mit dicker Hose und mehr Tattoos auf dem muskulösen Körper als Henry Rollins. Er schert sich überhaupt nicht um HipHop-Klischees, will nicht der Beste der Besten sein und kümmert sich auch nicht darum, noch originellere Samplequellen anzuzapfen als die HipHop-Konkurrenz. Er trägt vielmehr gerne alberne Pullis mit Bärchenaufdrucken, die er für modisch hält, lässt sich seine Samples, wie er sagt, von seinen Mitarbeitern zusammenstellen und weiß einfach, dass er der Beste ist, weswegen er dies nicht andauernd betonen muss.

Seine beiden bislang erschienenen Platten sind tatsächlich außerordentlich gut. Er hat sie komplett selbst produziert und eingerappt, was äußerst selten ist im HipHop. Schon gilt er als derjenige, der zum szeneübergreifenden neuen Superstar werden könnte, zum nächsten Eminem. Er könnte die Vorherrschaft der Gangsta-Rapper beenden und vielleicht auch wieder die Politik zurück in den HipHop bringen. Zumindest hat er sich mit seiner Kritik an Bush auf diesen Weg gemacht. (aha)

Der Sturm

»Katrina« und Kino. Jede Katastrophe hat bereits stattgefunden, bevor sie wirklich stattfindet. Im Kino, in einem Roman, in einem Theaterstück. Bei dem Tsunami Ende vorigen Jahres war es Frank Schätzings Roman »Der Schwarm«, in dem man schon vor der Katastrophe von einem ähnlichen Szenario lesen konnte. Bei den Bildern, für die Hurrikan »Katrina« sorgte, fallen einem gleich eine ganze Reihe an Spielfilmen ein.

Einmal wäre da »Waterworld« mit Kevin Costner, der eine Erde zeigt, die komplett von Wasser bedeckt ist und auf der der Mensch um jedes Fleckchen trockenes Landes willen bereit ist zu töten.

Dann gibt es »Die Klapperschlange« von John Carpenter, in dem Manhattan eine No-Go-Area für die Polizei ist und Verbrecherbanden sich gegenseitig abknallen. Am erstaunlichsten ist jedoch George A. Romeros vor kurzem in den deutschen Kinos gestarteter Zombiefilm »Land Of The Dead«. Er spielt in einer apokalyptischen Landschaft, alles ist zerstört. Die Zombies sind Ausgestoßene, eine unterdrückte Minderheit, die sich unter der Führung eines Schwarzen aufmacht, ihren Platz in dieser kaputten Umwelt zu finden. Bevor sie zu ihren Unterdrückern, den Lebenden, gelangen können, um sie zu bekämpfen, müssen sie einen Wassergraben überschreiten. Der Film spiegelt also die Situation in New Orleans wider, und man könnte gleichzeitig sagen, dass die Unterdrückten erst durch das Wasser gehen müssen, um irgendwann doch noch ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. (aha)

Die Çhih Çhies

Istanbul-Biennale. Auch Istanbul hat seine Biennale. Dieses Jahr dreht sie sich um die Stadt selbst. Zu diesem Anlass hat man schon eine Woche vor dem Kunstfestival einen internationalen Workshop ausgerufen, bei dem es darum geht, dass junge Künstlergruppen aus aller Welt sich an Ort und Stelle künstlerisch mit Istanbul auseinandersetzen.

Auch die Berliner Gruppe »Die üblichen Çhih Çhies« wurde an den Bosporus geladen. Ihr Ansatz ist eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Rolle in diesem Kunstzirkus. Sie beschäftigt sich mit der Gentrifizierung in Istanbul und auch mit der Rolle, die die Kunst in dieser Stadt spielt. Wie überall in Großstädten hat schließlich auch in Istanbul die Kunst- und Galerienszene dazu beigetragen, billige Stadtviertel aufzuwerten und zu verteuern.

Der Künstler, so die Çhih Çhies, genieße in Istanbul seinen elitären Status und komme nur selten darauf, seine eigene Funktion im Prozess der Gentrifizierung infrage zu stellen. Um nun nicht auch noch selbst Teil dieser urbanen Transformationen zu werden, versucht die Gruppe, sich nicht selbst als Künstler zu verorten, sondern sich, wie sie sagt, mit der »Künstlersituation in Istanbul« und gleichzeitig den eigenen, nach eigenem Bekunden prekären, Verhältnissen auseinanderzusetzen. Ihre Arbeit wird eine »Make yourself an artist-friend«-Agentur sein, so sagt sie. Man soll sie dafür bezahlen, wenn man mit ihren Mitgliedern »befreundet« sein wolle. Das bringt etwas Geld und ironisiert gleichzeitig den Künstlersnobismus. Außerdem wird die Gruppe einen Videoclip drehen, der ihre Aktion bewerben soll. Ob das Ganze was wird, ist egal. Wenn man die Çhih Çhies kennen gelernt hat, weiß man, dass es ihnen hauptsächlich um ihren eigenen Spaß an der Sache geht. (aha)