Ohne Wahl

Demokratische Lehren von freerk huisken

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung war mit der »Reformpolitik« der rot-grünen Regierung – der Agenda 2010 mit Hartz I bis IV, Gesundheits- und Rentenpolitik usw. – höchst unzufrieden. Wochenlang fanden Montagsdemonstrationen in deutschen Großstädten statt, und Landtagswahlen wurden für die SPD zum Desaster. Dann kam die Wahl mit ihrem »überraschenden Ergebnis«, einem Schröder, der sich zum Wahlsieger erklärte und das Fernsehpublikum fortan mit dem Knüller unterhielt: »Es gibt nur einen Kanzler, Gerhard Schröder!«

Wie das? Sind all jene nicht zur Wahl gegangen, denen die rot-grüne Politik den Lohn gekürzt, die Rente unsicher und die Gesundheit zum kaum noch bezahlbaren Gut gemacht hat? Eine Wahlbeteiligung von knapp 80 Prozent spricht eindeutig dagegen. Sie sind auch nicht massenhaft zu jener neuen Partei übergelaufen, die mit etwas mehr Armenpflege – Armut abzuschaffen, kommt auch für die Linkspartei nicht in Frage – und dem Verzicht auf »völkerrechtswidrige« (Lafontaine) Kriege im Programm Stimmen sammeln wollte. Und überdies stand lange vor der Wahl fest, dass die Menschen nicht einmal der Partei eine Absage erteilen würden, die mit der »ehrlichen« Ansage angetreten ist, dass den Leuten unter ihrer Regierung noch rücksichtsloser ins Portemonnaie gefasst würde.

Was ist geschehen, da doch wohl kaum über Nacht aus der Ablehnung der Agenda 2010 Zustimmung geworden sein kann? Die Antwort ist schlicht: Die verärgerten Bürger haben beschlossen, zur Wahl zu gehen! Und sie haben als anständige Staatsbürger gewählt! Das ist geschehen! Auf dem Stimmzettel haben sie bevorzugt Parteien angekreuzt, deren Regierungstauglichkeit für sie außer Frage steht, also Parteien, die das von ihnen missbilligte Reformprogramm genauso oder verschärft fortsetzen wollen. Sie wussten, was sie sich als Wahlbürger schuldig sind.

Und immerhin hatten sie ja die Wahl. Sie durften sich mit ihrem freien, gleichen und geheimen Wahlkreuz sogar zwischen mehreren Parteifiguren entscheiden, die mit dem Bekenntnis zur »Reformpolitik« angetreten sind. So haben sie mit übergroßer Mehrheit aus der Unzufriedenheit mit der vergangenen Politik eine Zustimmung zu deren zukünftigen Repräsentanten verfertigt. Für ein feststehendes Regierungsprogramm – dass man die Unterschiede zwischen den Parteien nur mit der Lupe finden kann, erklären selbst die Fernsehpolitologen – haben die Bürger das Personal angekreuzt, also unter denen ihre Wahl getroffen, die ihnen in Zukunft das Leben schwerer machen werden. Sonst nichts.

Exakt so funktioniert Demokratie; und genau deswegen gibt es diese – von Politikern immer wieder und gerade nach solch verqueren Wahlergebnissen als höchst umständlich kritisierte – Form der Herrschaftsbestellung. Es geht ausschließlich um die Ermächtigung von Parteien und Parteiführern zum freien Regieren. Jede andere Einmischung ist für den Wähler nicht nur nicht vorgesehen, sondern wird obendrein am Wahltag als ungültiges Votum verbucht. Die Gewählten kümmern sich dann um die deutsche Sache, die die sattsam bekannten unliebsamen Überraschungen für die Wähler einschließt. Aber die haben nach der Wahl die Schnauze zu halten – sie haben ja gewählt. Die Nichtwähler sowieso – sie hätten ja wählen können.

Warum sich ziemlich gebeutelte Bürger immer wieder darauf einlassen? Offensichtlich verhält es sich so, dass sie – wenn sie schon nichts zu sagen haben – es als ihre Freiheit genießen, Deutschland, ihre Heimat, mit starkem und glaubwürdigem Herrschaftspersonal auszustatten. Und das haben sie dann auch verdient.