Mr. Williams, musizieren Sie!

Schluss mit den Kindereien, jetzt muss was Substanzielles her. von andreas hartmann

Ein ungeschriebenes Gesetz lautet: Robbie Williams hat man gut zu finden. Selbst der größte Underground-Checkertyp mit De:Bug-Abo, der sonst nur Platten von Labels wie Kranky oder Ghostly kauft, weil das die einzig wahre Antwort auf den Mainstream sei, findet Robbie gut. Der Trick im Robbie-gut-finden besteht dann darin, dass man damit deutlich macht, zwar einerseits wirklich so ein öder Indie-Checkertyp zu sein, dabei aber natürlich nichts gegen die ganz große Glamournummer und wirklich coolen Pop zu haben. Davon hat man schließlich schon mal was gehört: Guter Popgeschmack sollte auch etwas mit großen Gesten, Größenwahn und der endgültigen Show zu tun haben. Also mit all dem, wofür Robbie aus irgendeinem Grund steht.

Robbie bietet sich für den Indietypen auch deswegen so gut als Projektionsfläche an, weil man den Weg zu ihm nicht über den Umweg der Musik gehen muss. Die hat eigentlich nie interessiert, die ist völlig egal. Auch als Robbie Frank Sinatra war, war daran nicht spannend, wie gut er als Frank Sinatra war, aufregend fand man einfach nur, dass er es war. Was zählt, ist allein Robbie, der Entertainer, wie man nicht müde wird, ihn zu nennen, der Spaßvogel, der herrlich Selbstironische, der ewige Junge. Auch wenn man all diese Robbie-Klischees längst nicht mehr erträgt.

So konnte es natürlich nicht weiter gehen. Auch andere Superstars wie Madonna, Prince oder Michael Jackson, also Leute, die längst über allem stehen oder zumindest standen, werden doch auch noch an ihrer Musik gemessen, an ihrer jeweils neuen Platte. Irgendwann wäre auch bei Robbie die Frage gestellt worden, warum ausgerechnet er eigentlich ganz da oben steht, wenn schon nicht wegen seiner Musik. Also muss jetzt endlich mal etwas Substanzielles her. Die Geschichten, dass Robbie depressiv sei, keine Freundin habe, vielleicht auch schwul sei, der nächste James Bond werden könnte, in Hollywood ungefähr so unbekannt sei wie Wolfgang Petry und sich selbst dafür hasse, jemals in einer Boygroup gewesen zu sein, reichen auf Dauer einfach nicht aus. Also soll und muss es nun doch noch um die Musik gehen, auch wenn das jetzt erst mal ziemlich öde klingt. Aber man wird ja nicht jünger.

Robbie Williams scheint das alles erkannt zu haben, und das spricht für ihn. Das birgt allerdings auch die Gefahr, wie ein Karriereplaner in eigener Sache zu wirken, also ziemlich un-rock’n’rollig. Aber da muss er jetzt durch. Zwei Jahre hätte er ja vielleicht noch so weitermachen können, als Europas größter Popstar without a cause, der launige Hits für Millionen trällert und bei »Wetten, dass …?« zur Freude der Bild-Zeitung Models in den Po kneift. Dann aber wäre Schluss gewesen, weil alle gesagt hätten: Nee, jetzt ist es aber auch mal wieder gut mit dem ganzen Robbie-Klamauk. Robbie hätte seine Zeit gehabt, sein Leben auf der Überholspur gelebt, und wir alle hätten beim Abschied sogar leise Servus gesagt.

Stattdessen soll es jetzt erst richtig losgehen. Robbie ist nun 31 und damit erwachsen. Endlich! Ab sofort möchte er Robbie Williams und nicht mehr Robbie genannt werden, konnte man erfahren. Die Zukunft beginnt jetzt. Mit Stephen Duffy hat er sich einen Waldschrat mit ins Boot geholt, der die Songs des demnächst erscheinenden Albums »Intensive Care« geschrieben hat. Duffy genießt vor allem unter Rolling-Stone-Lesern mit einer dicken Sammlung an Bob-Dylan-Bootlegs den Ruf, ein verkanntes Genie zu sein. Er ist jedenfalls ein ernsthafter Musiker, also eine Art Vorbild für den neuen Robbie Williams.

Die Rechnung scheint sogar aufzugehen. Man redet plötzlich über die Musik, man ist ernsthaft gespannt, wie die neue Platte denn nun wirklich klingen werde: seltsam, heißt es überall. Der Spiegel will auf der Platte ein »Electro-Rock-Stück« und einen »Rolling-Stones-ähnlichen Krawallsong« ausgemacht haben, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung spricht davon, dass Robbie Williams nun klinge wie Dire Straits in ganz schlimm. Und auf der aktuellen Single »Tripping« gibt es Reggae.

Das klingt doch alles ziemlich viel versprechend. Endlich können einem diese längst öde gewordenen Robbie-Anekdoten einmal komplett gleichgültig sein, denn dieses Mal geht es wirklich um etwas anderes: um Musik.