Der Teufel steht rechts
Das Konzert endete in einer Massenschlägerei. Am 11. Juni dieses Jahres spielten im schweizerischen Glarus die Thüringer Black-Metal-Band Absurd und einige andere extrem rechte Bands aus der Schweiz und aus Frankreich, und die anwesenden Aktivisten von Blood & Honour und einige Hammerskins gingen aufeinander los. Knapp zwei Monate später, am 6. August, beendete eine Razzia der Polizei ein Konzert im »Club Asgard« im Berliner Stadtteil Marzahn. Die eigentlich für den Abend geplante Release-Party des neuen Albums von Absurd mit dem Titel »Blutgericht« war kurz zuvor abgesagt worden. Danach verzichtete die Black-Metal-Band Morrigan auf ein für den 10. September geplantes gemeinsames Konzert mit Absurd wegen Sicherheitsbedenken der Polizei. In ihrer Begründung verwies diese auf die Ereignisse in der Schweiz.
Kaum beachtet von der Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren ein neonazistisches Spektrum im Black Metal etabliert. Protegiert wurde und wird diese Entwicklung von einigen deutschen Rechtsextremen. Eines der Zentren dieser Bewegung ist Thüringen.
In die Schlagzeilen gerät Black Metal immer wieder, wenn es um den so genannten Satansmörder Hendrik Möbus geht. 1993 ermordete er mit seinen Bandkollegen von Absurd einen Mitschüler. Sie verbrachten mehrere Jahre hinter Gittern und wurden zur Legende in der Szene. »Authentizität« gilt viel im Black Metal, und jene, die nicht nur von Verbrechen sangen, sondern auch welche begingen, wurden zu den heimlichen Stars.
Mit seinem Bruder Ronald versuchte Hendrik Möbus im Jahr 1998 nach seiner ersten Haftentlassung, den rechten Rand der Szene aufzubauen. Gemeinsam suchten sie auch Verbindungen zur neonazistischen Skinheadszene. Nach Verstößen gegen seine Bewährungsauflagen musste Hendrik Möbus wieder ins Gefängnis. Ein Antrag auf vorzeitige Entlassung scheiterte in diesem Sommer an einem negativen Gefährdungsgutachten, das im Auftrag der Staatsanwaltschaft Mühlhausen angefertigt worden war.
Der Anführer von Absurd ist seit einigen Jahren Ronald Möbus. Mit dem Label »Nebelfee-Klangwerke« will er nationalen und internationalen rechten oder rechtsextremen Bands ein Forum bieten. Auch den Kontakt mit neonazistischen Gruppen scheut er nicht. So spielte er im vergangenen Jahr auf einem Konzert von Blood & Honour Vlaanderen und auf einem in Griechenland, das von der extrem rechten griechischen Organisation Hrisi Avgi mit organisiert worden war. Absurd musiziert auch zusammen mit Mitgliedern der Band Totenburg aus Gera. Hinter dem Pseudonym des Sängers, »Asemit«, verbirgt sich Jens Fröhlich, der seit Jahren in der extrem rechten Skinheadband Eugenik mitwirkt.
Ein solcher Grenzgänger zwischen den Szenen ist auch Enrico Marx aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt. Über sein Plattenlabel »Barbarossa Records« vertreibt er nicht nur Rechtsrock, sondern auch rechtsextreme Black-Metal-Bands. Im Ruhrgebiet ist dagegen das Fanzine Blutvergießen zu einem Medium des extrem rechten Black-Metal-Undergrounds geworden. Sein Herausgeber Heiko Urbanzyk bevorzugt zwar in den Interviews und den meisten Artikeln die dunklen Klänge, doch unter der Rubrik »Druckerzeugnisse« werden auch immer wieder Skinheadfanzines und Kameradschaftsblättchen rezensiert.
Beworben und verkauft wird das Heft seit gut einem Jahr auch von den klassischen Anbietern der Rechtsrockszene wie etwa dem Versand »V7«. Da die Auflage stetig wächst, haben auch gewöhnliche Metal-Labels das Heft als Werbeplattform entdeckt. »Zehn Prozent Rabatt für alle Blutvergießen-Leser« bietet etwa das Reichenbacher Label »Perverted Taste« auf seine Produkte an.
In der Black-Metal-Szene wird die Auseinandersetzung mit den rechtsextremen Tendenzen nicht geführt. Vielmehr sind die Verflechtungen zwischen vermeintlich unpolitischen und rechten Fans und Musikern aufgrund von Freundschaften und Bekanntschaften weit verbreitet und werden nicht in Frage gestellt. Gemeinsam stehen sie auf Konzerten, egal, ob einer einen schwarz-weiß-roten Aufnäher an seiner Jacke hat oder das T-Shirt einer einschlägig bekannten Band trägt.
Oft genug finden Konzerte vermeintlich unpolitischer und rechter Bands am selben Ort statt, wie etwa im Berliner »Club Asgard«. An einem Abend spielen dort Bands wie XIV. Dark Centuries, die politische Ambitionen mit ihren »heidnischen« Vorstellungen weit von sich weisen, und an anderen Tagen treten dort rechte Gruppen wie Walaskialf, Wotanskrieger oder Nementona auf.
Im Ruhrgebiet scheint es dagegen niemanden zu stören, dass in normalen Clubs oder Jugendzentren Bands wie Obscure Vortex oder Forgotten Darkness auftreten. Die Erstgenannten kommen aus Oberhausen und haben auf ihrer Debüt-CD den Song »Nordland« der neonazistischen Band Landser nachgespielt, der auch der heidnischen Ausrichtung der Szene entspricht: »Es gibt ein Land, ganz hoch im Norden, in Schnee und Eis, mit Seen und Fjorden, Nordland, glaub mir, deine Stunde kommt! Nordland, dort lebt ein Volk, seit 1 000 Jahren, die Augen blau, mit blonden Haaren«, heißt es darin. Forgotten Darkness aus Velbert hingegen verlegten ihre Debüt-CD auf dem Label »Ewiges Eis« von Jens Fröhlich und traten noch im Frühjahr mit der neonazistischen Black-Metal-Band Nokturnal Mortum aus der Ukraine und der Rechtsrockband T.H.O.R. aus dem sächsischen Schneeberg auf.
Eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gibt es in der Metal-Szene bisher nur dort, wo Veranstalter von Konzerten und Festivals von Außenstehenden auf das Problem aufmerksam gemacht werden. Wenn die Organisatoren erkennen, dass die rechten Fans das Klima verschlechtern und Ärger bereiten, wächst meist die Einsicht, dass Ignoranz nichts hilft.
Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss veröffentlichen im November 2005 das Buch »Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus.« Unrast-Verlag, Münster, 250 Seiten, 16 Euro