Das Spektakel von morgen

Die Diskussion um die angebliche Krise der deutschen Demokratie lenkt nur von den Vorhaben der nächsten Regierung ab. von axel klingenberg

F ür die einen befindet sich die deutsche Demokratie in einer tiefen Krise, die anderen sind erfreut, dass sie das Vertrauen in dieselbe zurückbekommen haben. Schließlich zeigen die Politiker nun endlich, dass es ihnen um etwas geht, denn was sollte sonst der Grund dafür sein, dass sich das Personalkarussell derart rasant dreht?

Nennen wir es doch einfach Karrierismus: Ein Haufen hoch dotierter Showstars prügelt sich um derzeit zu ergatternde Posten und Pöstchen oder bemüht sich darum, sich wahlweise möglichst Aufsehen erregend oder betont souverän in den wohl verdienten Ruhestand zu begeben oder aber sich schon mal durch den Verzicht auf einen sofortigen Wechsel des Arbeitsplatzes auf den nächsten Anlauf auf das begehrte Amt des Kanzlers, des Ministers, des Bundestagspräsidenten, des Parteivorsitzenden oder des Generalsekretärs vorzubereiten.

Edmund Stoiber etwa will so divenhaft wie mediengerecht nun doch nicht die Herrschaft in seiner geliebten bayerischen Heimat gegen die Einsamkeit im preußischen Exil eintauschen. Dass er damit für alle Zeiten auf ein furioses Comeback in der Bundespolitik verzichtet, hat er nicht gesagt. Und das Fernsehen ist wie immer live dabei und begleitet die Führungsriege der CSU beim Klassenausflug nach Rom, wo sie ihren Spezi Ratzinger besuchen darf, um dort für alle sichtbar seinen und damit Gottes Segen zu erhalten.

Das Ganze ist ungefähr so gefährlich wie ein Wrestling-Kampf, denn die Politprofis sind gut gepolstert mit Abgeordnetenbezügen, da kann nichts passieren, es sieht aber gut aus. Und Joschka Fischer wird nun endlich Zeit haben, seine Memoiren zu schreiben, in denen er davon berichtet, wie er stets seine staatsmännische Pflicht erfüllt hat, immer in großer Sorge um das Wohl Deutschlands, ja der Welt.

Der aufmerksame Betrachter wird auch feststellen, dass im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit weniger der Zustand der Demokratie steht; die »Zukunft Deutschlands« ist es, die Kopfzerbrechen bereitet. Das Vaterland ist in Gefahr! Da muss man sich doch über das Parteiengezänk hinwegsetzen, fordert nicht nur die Bild-Zeitung. In so einer Situation kennen sie alle nur noch Deutsche. Wichtig scheint nur die Frage zu sein, ob das politische Führungspersonal aus dem Ost- oder dem Westteil stammt.

Die Inhalte geraten dabei in den Hintergrund. Und die haben es in sich, denn die nächsten Kürzungen, Einsparungen, Erhöhungen und Nullrunden sind bereits beschlossene Sache, über die Details wird man sich auch noch einig werden. Doch darüber wird nicht zu viel gesprochen, die Debatten, wer wohl zu Deutschlands Superpolitikerin gewählt werden wird (Merkel), wer Newcomer ist (Platzeck), wer nun als Altstar gelten kann (Fischer und Schröder) und wer zukünftig den Bad Guy markiert (Bisky), nehmen gehörig Platz ein. Aber keine Sorge, das gibt sich.

Denn am Ende ist nebensächlich, wer im Kabinett sitzt. Faktisch regiert bereits seit Jahren eine sehr, sehr große Koalition. Nun wird sie abgesichert von der Linkspartei und den Grünen, deren Aufgabe es in der nächsten Zeit sein dürfte, möglichst mediengerecht eine Opposition zu simulieren. Die Zusammensetzung von Bundestag und Bundesrat erinnert sowieso immer mehr an das gute, alte System der Nationalen Front zu seligen DDR-Zeiten, sie ist nur – schließlich leben wir in der kapitalistischen Warengesellschaft – etwas bunter, ja schriller und bietet auch dem Geschmack jenseits des Mainstreams etwas.

Auch Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und Hans-Christian Ströbele besitzen schließlich ein Rederecht und werden potenziellen Linksabweichlern brav als Katalysator dienen. Und die Regierung, wie auch immer sie aussehen wird, dürfte bis dahin wohl ausreichend legitimiert sein, schließlich sind sie alle wie sie da sitzen gute Demokraten, ausnahmslos.

Und in ein paar Monaten und sowieso nach der nächsten Wahl wird das Geschwätz von gestern niemanden mehr interessieren. Die nächste mediale Inszenierung will schließlich aufgeführt werden. Alle sollen verschwinden, lautete eine der populären Parolen während der großen Wirtschafts- und Regierungskrise in Argentinien vor einigen Jahren. Dem ist nicht zu widersprechen.