Nachrichten

Lübeck 05

Günter Grass. Eines Tages erwachte Günter Grass, schritt durch das Günter-Grass-Museum in Lübeck, holte sich eine Günter-Grass-Museumspfeife aus der Vitrine, stopfte sie, ging in sein Museumsarbeitszimmer und setzte sich an seinen Museumscomputer. Er dachte: Ich muss wieder mal etwas Brandaktuelles machen. »Willy wählen«, notierte er sich deshalb auf einem Museumsnotierzettel. Genau in diesem Augenblick bemerkte er, dass er tot war. Innen und außen, ganz und gar tot. Günter Grass erschrak. Dann aber hatte er eine Idee: Ich gründe die Gruppe 47 neu, sagte er zu sich, und nenne sie Lübeck 05. Dann bin ich wieder ein bisschen lebendig. Tatsächlich fanden sich auch ein paar Erfolgsschriftstellerbücherschreiber, die mittun wollten, Matthias Politicky etwa, Burkhard Spinnen und der für immer blutjunge Benjamin Lebert. Ich lebe, rief Grass, und annoncierte sein Leben in der Zeit. Toll! riefen die Günter-Grass-Museumsmitarbeiter aus, als sie davon hörten. Und richteten ganz schnell eine neue Vitrine ein für die allerneuste Günter-Grass-Weltbewegungsaktion. (sun)

Trist, trübe, tranig

ARD. Es ist nicht schade um den »Kulturreport«, auch dem »Kulturweltspiegel« muss man keine Träne nachweinen. Doch nicht wegen der stets gut abgehangenen und gekonnt verschnarchten Berichte aus internationalen Opernhäusern und regionalen Theatern, bzw. den konstruktiv-nervigen Vorschlägen, was zum nationalen Weltkulturerbe gehören soll, und den üblichen enthüllungsjournalistischen Thrills (»Das Sonnenobservatorium von Goseck in Sachsen-Anhalt ist 3 000 Jahre älter als Stonehenge«) werden die bisherigen Kulturmagazine der ARD eingestellt. Es geht ums öffentlich-rechtliche Fernsehen, und deswegen muss alles natürlich immer noch schlimmer kommen, als man es sich überhaupt vorstellen konnte. Das heißt: Die Kultursendungen werden künftig unter dem Kürzel »ttt« gesammelt, das Ganze soll einen festen Sendeplatz am Sonntagabend finden und von Caren Miosga moderiert werden, die bisher durch das NDR-Medienmagazin »Zapp« führte. Auch die alte »titel-thesen-temperamente«-Redaktion des Hessischen Rundfunks wird im »ttt« aufgehen, was aber wohl nichts daran ändert, dass, wer nicht von Langeweile erstickt werden will, am Sonntagabend die ARD besser meidet. Der Sender hat aber auch Gutes zu vermelden: Der elegante Harald Schmidt und der grantelnde Waldemar Hartmann sollen gemeinsam über die Olympischen Winterspiele im Februar 2006 – und wenn’s taugt – auch über die Fußball-WM im nächsten Sommer berichten. (mas)

Alt bezahlt

Musiktauschbörsen. Warum sollte man für etwas bezahlen, wenn man es auch umsonst haben kann? An dieser Frage müht sich die Plattenindustrie ab, seit es im Internet die Möglichkeit gibt, sich Musik kostenlos herunterzuladen. Mit drakonischen Strafen zu drohen hat bislang ebenso wenig bewirkt, wie kostenpflichtige Downloadangebote als Konkurrenz zu den Tauschbörsen einzurichten. Denn diese werden von Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren immer noch bevorzugt, wie eine neue Studie des britischen Marktforschungsinstituts Jupiter Research zeigt. Über ein Drittel der Befragten aus dieser Altersgruppe gibt an, sich Musik ausschließlich kostenlos bei File-Sharing-Börsen zu beschaffen. Sie werden dreimal so häufig genutzt wie die Download-Stores der Labels, bei denen hauptsächlich Konsumenten zwischen 25 und 44 Jahren brav einkaufen. Die Teenager haben es verstanden: Umsonst ist billiger als billig. Da behaupte noch jemand, die heutige Jugend könne nicht rechnen. (mst)

Guten Morgen!

Schöne Warenwelt. Vieles haben sich Produktentwickler und Sounddesigner bisher einfallen lassen. Doch egal, ob ein Wecker nun klingelt oder kräht, summt, surrt oder mit sanft anschwellendem Radioprogramm auf sich aufmerksam macht, eines bleibt gleich: Man wird meist zum falschen Zeitpunkt geweckt und steht nach dem unsanften Beginn auch noch mit dem Rest des Tages auf Kriegsfuß. Zwei österreichische Erfinder versprechen mit ihrem Produkt nun, ein »Aufstehen, als wäre man von selbst aufgewacht«. Ihr Wecker misst über einen mit flauschigem Frottee umhüllten und bequem am Arm tragbaren Sensor, wie rege sich der oder die Schlafende bewegt. Rührt sich wenig, befindet sich der oder die zu Weckende im Tief- oder REM-Schlaf. Bewegt sich was, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, denn dann schläft der Mensch nur noch leicht. Der Besitzer des Geräts muss lediglich eine Weckzeit eingeben, und in den 30 Minuten davor klingelt der Apparat - genau im richtigen Moment. Das einzige, was einem jetzt noch den Schlaf rauben kann, ist der Preis. Mit 200 Euro ist der Wecker nämlich etwas teurer als die herkömmlichen Modelle. (mst)

Yes, I will

Elton John. Es soll die erste große schwule Märchenhochzeit der Geschichte werden. Mit herzzerreißenden Szenen, die hängen bleiben im Gedächtnis der fernsehguckenden Weltöffentlichkeit, wie einst die Trauung von Di und Charles. Am 21. Dezember wollen sich Elton John und sein Liebster David Furnish das Ja-Wort geben. Exakt an diesem Tag tritt in Großbritannien ein Gesetz in Kraft, das homosexuellen Paaren eine Legalisierung ihrer Partnerschaft erlaubt. Auch der Ort für die Hochzeit scheint gut gewählt. »Yes I will« sagen und einander tief in die Augen schauen wollen sich die beiden Männer Medienberichten zufolge im barocken Konstantin-Palast in St.Petersburg, also exakt in jenem prunkvollen Gemäuer, in dem sonst Wladimir Putin seine Gäste aus Politik und Wirtschaft empfängt. Dagegen regt sich aber Protest: In einem an den Kreml und das Kulturministerium adressierten Brief verlangt Nikolai Kurjanowitsch, ein Duma-Abgeordneter der nationalistischen Liberal-Demokratischen Partei, das Einschreiten der Behörden. Sie sollen »eine Herabwürdigung des Konstantin-Palasts und anderer architektonisch wichtiger Gebäude in Russland verhindern«, fordert der Homophobe. Eine Sprecherin des St. Petersburger Palastes bezeichnet unterdessen die Medienberichte allerdings als schlechten Scherz. Die Kreml-Administration, der die historischen Gebäude gehörten, würde eine private Nutzung gar nicht zulassen, sagte sie. (her)