Wenn Wahlen etwas ändern

Reaktionen in der arabischen Welt

Als »Schock«, »politisches Erdbeben«, oder gar als »demokratischen Tsunami« kommentierte die arabische Presse den unerwartet eindeutigen Wahlsieg der Hamas. Die Zündung dieser »alles erschütternden Bombe« aber sei durch die »Neue Weltordnung« erfolgt, die als einzige Form der legitimen Repräsentation demokratische Wahlen anerkenne, meinte die in London erscheinende Tageszeitung Al-Hayat. Ganz ähnlich sprach Al Khaleij aus den Vereinigten Emiraten von einem »Staatsstreich durch Wahlen«. Die vielen arabischen Potentaten dürfen hoffen, dass die USA künftig nicht mehr so vollmundig »demokratische Reformen« im Nahen Osten fordern werden. Denn der Sieg der Hamas zeigt anschaulich, welches Ergebnis demokratische Wahlen vielerorts wirklich haben könnten. »Wir sind auf einem schrecklichen Weg«, schreibt denn auch Hazem Saghieh in al-Hayat, »jetzt fühlen sich fundamentalistische Gruppen dazu ermuntert, noch aggressiver aufzutreten.«

Man kann die Dinge aber auch optimistischer sehen. Wie etwa die libanesische Tageszeitung Daily Star, in deren Editorial Rami Khouri von einer »echten Gelegenheit« zur Veränderung spricht. Bereits die Teilnahme der Hamas an den Wahlen bedeute einen »historischen Schritt« hin zu einer »friedlichen Transformation«. Die Hamas habe den Einparteienstaat der Fatah abgelöst und werde sich in ihrer neuen politischen Rolle zwangsweise entradikalisieren. Nun sei es an der Zeit, dass »die USA und Israel endlich damit beginnen, die Militanz der Hamas nicht mehr losgelöst von der Okkupation, den gezielten Tötungen und der Kolonialisierung zu sehen«. Diese Einschätzung teilt Khouri mit dem israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery. »Das wahre Ergebnis wird eine Mäßigung der radikalen Bewegung sein«, kommentierte schrieb er in der Middle East Times. Alle künftigen Verhandlungen mit Israel würden nunmehr auf einem »soliden populären Fundament« stehen. Zugleich sei Israel für dieses Wahlergebnis mitverantwortlich: »Die Verhaftungen, die Ermordungen der Hamas-Führer, die allgegenwärtigen Straßensperren haben das Gegenteil von dem bewirkt, was Israel beabsichtigte.«

Die israelische Repression gilt sämtlichen arabischen Medien als Ursache für den Sieg der Hamas. Die meisten führen daneben zwei weitere Gründe an, nämlich die »internationale Indifferenz gegenüber der Okkupation«, und mehr noch die Korruption unter der Fatah-Regierung, heißt es beispielsweise auf der Website des Fernsehsenders al-Jazeera. Ihren Sieg habe die Hamas der Inkompetenz der Behörden und der Vetternwirtschaft der Fatah-Funktionäre zu verdanken und nicht dem Umstand, dass sie Israel auslöschen will, schrieb auch Khouri im Daily Star treffend.

Radikale Islamisten in aller Welt hingegen feiern einen Triumph. »Bravo Hamas! Ein Sieg über Israel und die USA«, titelt beispielsweise die in Marokko erscheinende Zeitung Atischdid. Der Pressesprecher der libanesischen Hizbollah sprach mit sichtlicher Genugtuung von »wahrer Demokratie«, während die amtliche iranische Nachrichtenagentur das Wahlergebnis als Bestätigung dafür erachtete, dass die Palästinenser »ihren Kampf und Widerstand gegen die zionistischen Besatzer fortsetzen«.

alfred hackensberger, ceuta