In der Rechtskurve

Beim Spiel zwischen AS Rom und AS Livorno zeigten die römischen Ultras antisemitische Transparente. In italienischen Fußballstadien ist Nazi-Symbolik immer öfter zu sehen. von filippo proietti, rom

Nur das stumpfe Geräusch, das beim Treten des Fußballs erklingt, und die Pfeife des Schiedsrichters waren im Fußballstadion der kleinen Stadt Rieti bei Rom zu hören, als am Mittwoch vergangener Woche die Erstligapartie zwischen AS Rom und Cagliari stattfand. Es war ein ungewöhnliches Match, das auf neutralem Boden vor leeren Rängen ausgetragen werden musste.

Mit dieser Maßnahme und mit einer Geldstrafe von 5 000 Euro wurde der AS Rom vom Fußballverband bestraft, nachdem am Wochenende zuvor im römischen Olympiastadion Transparente mit antisemitischen Sprüchen und Nazi-Symbolen gezeigt worden waren. Beim Spiel zwischen AS Rom und dem toskanischen Verein AS Livorno am 29. Januar – ausgerechnet zwei Tage nach dem Holocaustgedenktag – hatten die römischen Fans in der »Curva Sud« Fahnen mit Haken- und Keltenkreuzen geschwenkt. Porträts von Mussolini und Transparente mit Naziparolen und KZ-Sprüchen wurden gezeigt, faschistische Lieder und »römische Grüße« komplettierten das Bild.

Dass es ein schwieriges Match werden würde, wusste die Polizei schon vor Beginn des Spiels, als in der Nähe des Stadions sechs Molotowcocktails und ein Transparent mit der Aufschrift »Wir haben euch lebend verbrannt« gefunden wurden. Die römischen Ultras wollten mit den Molotowcocktails zunächst die Busse der Livorno-Fans angreifen und dann das Transparent im Stadion hissen. Die Polizei konnte aber im letzten Moment die Busse der toskanischen Fans umleiten.

Für große Empörung, insbesondere bei der jüdischen Gemeinde von Rom, sorgte die Weigerung der Polizei, das Match zu unterbrechen. »Trotz der Forderung mehrerer jüdischer, aber auch nicht-jüdischer Fans von AS Rom, die Partie zu unterbrechen und die Nazi-Fahnen und Transparente entfernen zu lassen, wurde das Spiel fortgesetzt. Die Zuschauer, die dagegen protestierten, wurden brutal entfernt«, kritisierte der Sprecher der jüdischen Gemeinde in Rom, Riccardo Pacifici.

»Das Einschreiten der Polizei in der Südkurve hätte nur Chaos ausgelöst«, erklärte der Polizeichef von Rom, Achille Serra. Offen bleibt jedoch, wie solche Transparente und Fahnen trotz der starken Sicherheitskontrollen ins Stadion gelangen konnten. Riccardo Pacifici ist der Meinung, dass dies nur möglich sei, wenn diese Leute »Komplizen im Stadion haben«.

Dank der Überwachungskameras im Olympia­stadion konnten bislang bereits 40 Personen identifiziert werden, die an den antisemitischen Aktionen beteiligt waren. Elf von ihnen seien angezeigt worden, gegen vier werde Anklage wegen Volksverhetzung erhoben, teilte Innenminister Giuseppe Pisanu mit. Der Minister erklärte zudem, die Organisatoren dieser Aktionen seien Anhänger der rechts­extremen Gruppe Tradizione Distinzione, die mit der neofaschistischen Partei Forza Nuova verbunden sei. Mit dieser Erklärung löste Pisanu innerhalb seiner Koalition große Unruhe aus. Der Minister hatte anscheinend nicht bedacht, dass der Vorsitzende von Forza Nuova, Roberto Fiore, gerade erst ein Bündnis mit Forza Italia und der Wahlkoalition von Silvio Berlusconi eingegangen war. Die Reaktion von Fiore fiel dementsprechend hart aus: »Ich werde Pisanu wegen Verleumdung anklagen. Mit den Nazis haben wir nichts zu tun.«

In der Tat ist es nicht einfach, Forza Nuova mit der ultrarechten Gruppe Tradizione Distinzione in Verbindung zu bringen. Forza Nuova hat zwar vor zwei Jahren versucht, in der Südkurve unter den Fans von AS Rom Anhänger zu rekrutieren. Das dauerte jedoch nicht lange. Denn die »Curva Sud«, die in den siebziger Jahren noch als links galt, ist seit Jahren in sechs bis sieben kleine rechte Gruppen zersplittert. Zur radikalen Fraktion gehört die besagte Tradizione Distinzione, deren Anhänger gerne Fahnen mit Haken- und Keltenkreuzen schwenken. Insbesondere, wenn gegen Livorno gespielt wird. Livorno ist der Feind, er ist der Verein, dessen Anhänger sich »Autonome Brigaden« nennen, Che-Guevara-Fahnen schwenken und dessen Kapitän Cristiano Lucarelli nach seinen Treffern mit der geballten Faust, dem kommunistischen Gruß, jubelt.

Außer Tradizione Distinzione finden sich in der Südkurve des römischen Olympiastadions auch Anhänger von Forza Nuova, Mitglieder der neo­faschis­tischen Wahlliste Fiamma Tricolore und die rechten Hausbesetzer von »Casa Pound« (Jungle World 38/05). Letztgenannte nutzen gerne das Stadion als politische Bühne, um ihre Forderungen kund­zutun. Im vorigen Jahr, während eines Spiels zwischen AS Rom und Lazio, vereinigten sie sich sogar mit ihren Rivalen aus der Nord­kurve – den Lazio-Fans – und zeigten Transparente mit der Forderung nach Existenzgeld und nach staatlicher Unterstützung beim Kauf von Eigentumswohnungen. Im Block der Südkurve gibt es außerdem eine Menge Leute, die zwar den »saluto romano« vollführen und »Duce, duce« grölen, im Grun­de aber nichts weiter sind als faschistoide Randalierer, die mehr mit Kleinkriminalität als mit Politik zu tun haben.

Die Lage in den Stadien ist dem italienischen Geheimdienst zufolge nicht zu unterschätzen. In den letzten Jahren sei die Anzahl der rechtsextremen Gruppen in den italienischen Fußballstadien stark angestiegen, konstatiert er in seinem jüngsten Bericht ans Parlament. »Heut­zutage haben diese Gruppierungen das Umfeld der Ultras monopolisiert«, heißt es im Text. Ein Beweis dafür sei, dass »die römischen Ultrarechten eine ungewöhnliche ›Freundschaft‹ mit ihren Rivalen der Nordkurve pflegen«. Dieses unkonventionelle Bündnis kam bereits vor drei Jahren zustande, als die faschistischen Ultras gemeinsam gegen die damals von der Regierung beschlossene Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen in Fußballstadien demonstriert hatten. Bei den Regionalwahlen in Lazio im vorigen Jahr machten die Fans der beiden römische Vereine sogar gemeinsam Wahlkampf für den Kandidaten der postfaschistischen Alleanza Nazionale, Giulio Gargano.

Die Geschichte antisemitischer und rassistischer Vorfälle in italienischen Stadien ist lang und scheint nicht enden zu wollen. Die Transparente mit Nazi-Aufschriften, die Auschwitz verherrlichen, oder der Hitlergruß, mit dem Lazio-Kapitän Paolo Di Canio gerne seine Tore feiert, und rassistische Lieder aus den Kurven sind nur einige Beispiele.

Während einer Partie gegen Inter Mailand im November 2005 verließ Marc Zoro, ein afrikanischer Spieler von FC Messina, unter Tränen das Spielfeld und ließ das Match unterbrechen. Jeder seiner Ballkontakte war damals von den Inter-Fans mit rassistischen Chören begleitet worden. »Es ist mir zu viel, ich kann nicht mehr spielen«, sagte er. Das Fußball-Establishment – Verband, Vereine und einzelne Spieler – zeigten, sich damals mit ihm solidarisch und begann mit einer groß angelegten Kampagne »gegen Rassismus und Diskriminierung« in den Fußballstadien. Viel scheint sie jedoch nicht gebracht zu haben.

Erschreckend ist insbesondere die Tatsache, dass bei dem Spiel am 29. Januar nicht nur die Polizei, sondern vor allem die weiteren 40 000 Zuschauer tatenlos zusahen, nichts wurde gegen die antisemitischen Aktionen aus der Südkurve unternommen, kein Protest wurde laut. Dieses Schweigen wiegt weitaus schwerer als die Stille im Stadion von Rieti am letzten Mittwoch.