Kooperativ abwärts

Krise bei VW von stefan wirner

»Sag mir, wie viele Autos es gibt auf der Welt, und ich will sehen, wie du dich verzählst!«, sang die Punkband »Abwärts« einst. Zu der Menge von Autos, die in der Welt herumfahren und die Luft verpesten, hat die Volkswagen AG im vorigen Jahr einen ansehnlichen Beitrag geleistet. 5,2 Millionen Fahrzeuge lieferte sie im Jahr 2005 aus, 3,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Trotzdem kündigte der Vorstandsvorsitzende, Bernd Pischetsrieder, Anfang Februar umfassende Verschlechterungen für die Belegschaft an. Geht es nach ihm, sollen alle Beschäftigten unter den Bedingungen der Konzerntochter »Auto 5 000« arbeiten. Diese entstand im Jahr 2001 nach einer Einigung zwischen der IG Metall und der Konzernleitung. Der Konzern stellte Tausende neue Mitarbeiter ein, bei einer 42-Stunden-Woche und zu einem untertariflichen Lohn.

In den anderen Konzernbereichen gilt die im Jahr 1994 vereinbarte Vier-Tage-Woche mit 28,8 Stunden, für die die Beschäftigten damals einen Lohnverlust hinnahmen. Der Konzern konnte die Personalkosten um 1,8 Milliarden Mark senken und verzichtete dafür auf Entlassungen. Von diesem Modell will Pischetsrieder sich nun verabschieden, zumindest soll zur 35-Stunden-Woche zurückgekehrt werden, am besten ohne Lohnausgleich. Das Vorstandsmitglied Wolfgang Bernhard drohte zur Vorsorge schon mal mit der Schließung von unrentablen Unternehmensteilen.

Das Management treibt um, dass VW, trotz der guten Verkaufszahlen, nicht zum Gewinn des Unternehmens beisteuert. Dieser betrug im vorigen Jahr 1,1 Milliarden Euro und wurde vor allem von der Tochterfirma Audi und im Finanzbereich erwirtschaftet. Bernhard behauptet, die schlechten Zahlen von VW rührten daher, dass ein Arbeiter bei Volkswagen doppelt so lange für die Fertigung benötige wie einer der Konkurrenz. Arbeiten die Schlosser zu langsam?

Andere Stimmen behaupten, gerade die Fehler des Managements hätten zum mauen Ergebnis von VW geführt. Man kaufte Luxusmarken wie Bugatti und Lamborghini auf und entwickelte ein teures Auto, den »Phaeton«, der ein Flop wurde. In den VW Golf wurde aufwendiger technischer Schnickschnack eingebaut, der hoher Entwicklungskosten und längerer Produktionszeiten bedurfte und bei den Golf-Fahrern nicht mal ankam.

Trotz all dem zeigen sich der Betriebsrat und die Gewerkschaft überaus kooperativ. Der Vorsitzende des Betriebsrats, Bernd Osterloh, betonte in der vorigen Woche, dass man bereit sei, »unser Unternehmen nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen«. Der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, Bertold Huber, sagte, es sei unausweichlich, dass alle Unternehmen permanent an der Produktivitätsschraube drehten, um auf dem Weltmarkt zu bestehen.

Der Weltmarkt. Unendliche Weiten. Mit ihm lässt sich noch jede Lohnsenkung rechtfertigen. Angenehm für den Vorstand von VW, dass der Hinweis aus der IG Metall kommt. Wenn alle zusammenhalten, wird am Ende wieder freiwillig auf den Tariflohn verzichtet und für weniger Geld mehr gearbeitet. Die dubiose Arbeitsplatzgarantie, die vielleicht dafür geboten wird, ist für gewöhn­lich keinen Deut wert, wenn sich das Unternehmen zur Eroberung des Weltmarkts entschließt.

Das deutsche Kooperationsmodell führte in den vergangenen Jahren immer wieder zu Verschlechterungen für die Lohnabhängigen. Wenn sie es nicht aufkündigen, kommt es auch bei VW nicht anders. Sag mir, wie viele Arbeitsplätze es gibt auf der Welt, und ich will sehen, wie du dich verzählst.